Im Israel-Gaza-Konflikt soll es jetzt zu einem Gefangenenaustausch gekommen sein. Dabei seien auch Deutsche aus der Hamas-Gefangenschaft befreit worden, wie Außenministerin Annalena Baerbock bestätigt.
Am Freitag fand ein Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hamas statt. Bei dem sollen 24 Geiseln, die beim Hamas-Überfall auf Israel am 07. Oktober in den Gazastreifen entführt wurden gegen Palästinenser ausgetauscht worden sein, die von Israel gefangen gehalten wurden. Auf beiden Seiten sollen sich unter den Gefangenen Frauen und Kinder befinden. Unter den nun freigelassenen Hamas-Gefangenen sind wohl auch deutsche Staatsbürger.
Gefangenen-Austausch zwischen Israel und Hamas: 24 Hamas-Geisel frei, Freilassung von 39 Palästinenser geplant
Eine Gruppe von 24 aus Israel verschleppten Menschen konnte den Gazastreifen verlassen, wie ein Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf mitteilte. Israel bestätigte später die Ankunft der Geiseln auf seinem Staatsgebiet. Zunächst hieß es nach Angaben des Vermittlers Katar, dass unter den Freigelassenen 13 Israelis, zehn Thailänder und ein philippinischer Staatsbürger seien. Wie es am Freitagabend hieß, seien unter den im Gazastreifen freigelassenen Geiseln auch mehrere Menschen, die über eine deutsche Staatsangehörigkeit verfügen. Dies bestätigte ein Sprecher der Familien mit deutschem Bezug. Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hatte zuvor eine Namensliste der 13 israelischen Freigelassenen veröffentlicht. Darunter waren auch die Namen von vier Personen, deren Familien sie als Deutsche benannt hatten. Darunter waren eine 34-Jährige sowie ihre beiden Töchter im Alter von zwei und vier Jahren sowie eine 77-Jährige. Es handelt sich den Angaben zufolge um Doppelstaatsbürger. Auch Annalena Baerbock bestätigte, dass unter den freigelassenen Geiseln auch vier Deutsche sind. Das sagte Außenministerin (Grüne) am Freitagabend am Rande des Grünen-Parteitags in Karlsruhe.
Auch palästinensische Frauen und Kinder aus israelischer Gefangenschaft freigelassen
Im Gegenzug sollten noch am Abend 39 von Israel gefangen gehaltene Palästinenser freigelassen werden. Nur Stunden zuvor war eine Feuerpause in Kraft getreten, mit deren Beginn auch die Ausweitung humanitärer Hilfslieferungen in den Gazastreifen anlief. Die von Israel und der Hamas ausgehandelte Waffenruhe soll mindestens vier Tage dauern. Gemäß der Vereinbarung sollen in dieser Zeit insgesamt 50 Geiseln freikommen. Eine Verlängerung der Feuerpause auf bis zu zehn Tage ist möglich, wie das in dem Konflikt vermittelnde Golfemirat Katar mitgeteilt hatte. Insgesamt sieht die zwischen beiden Konfliktparteien getroffene Vereinbarung einen Austausch von bis zu 100 Gefangene aus Israel gegen bis zu 300 palästinensische Gefangene vor. Bei der Freilassung thailändischer Geiseln hatte der Iran zwischen der Hamas und Thailand vermittelt.
Bei den palästinensischen Gefangenen, die am Freitag entlassen werden sollten, geht es Angaben der palästinensischen Häftlingskommission um 24 Frauen und 15 Jugendliche. Der Älteste sei 19 Jahre alt. Die Häftlinge sollten nahe ihrer Wohnorte im Westjordanland oder Ost-Jerusalem freikommen.
Bei einem blutigen Überfall der Hamas auf Israel am 07. Oktober wurden mehr als 1.200 Menschen getötet und etwa 240 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel reagierte mit massiven Luftangriffe und begann Ende Oktober eine Bodenoffensive im dicht besiedelten Gazastreifen, dessen Bevölkerung beinahe zu 50 Prozent aus Kindern besteht. Dabei wurden nach Angaben der Hamas fast 15.000 Menschen getötet. Mehr als 36.000 wurden demnach verletzt, zahlreiche Menschen haben zudem ihre Häuser und Wohnungen verloren und erleben einen extremen Mangel an lebensnotwendigen Hilfsmitteln aufgrund Israels Blockade des Palästinensergebiets.
Besonders Kinder könnten nach Geiselhaft schwer traumatisiert sein
Die von der Hamas freigelassenen israelischen Geiseln - bei denen es sich um Frauen und Kinder handeln soll - sollten nach Armeeangaben zunächst in geschützten Räumen in Israel untergebracht werden. Nach einer ersten medizinischen Untersuchung und Behandlung sollten sie in Krankenhäuser gebracht werden, wo sie auch ihre Familien treffen können. Die Freigelassenen sollten mit Hubschraubern in verschiedene Kliniken gebracht werden.
Das israelische Militär rief die Öffentlichkeit und die Medien zu Geduld und Sensibilität auf. "Wir bitten alle darum, die Privatsphäre der freigelassenen Geiseln und ihrer Familien zu respektieren." Psychologen gehen davon aus, dass besonders die Kinder nach sieben Wochen Geiselhaft schwer traumatisiert sein könnten. Sie haben auch am 7. Oktober schlimmste Gewalt miterlebt.
Israels Armee verbietet Palästinensern aktuell Rückkehr in ihre Heimat im Norden Gazas
Augenzeugenberichten zufolge machten sich nach Inkrafttreten der Feuerpause am Morgen Hunderte palästinensische Binnenflüchtlinge auf den Weg, um in ihre Wohnorte zurückzukehren. Die Menschen wollten etwa in der Stadt Gaza und in anderen Teilen des nördlichen Gazastreifens nach ihren Häusern oder Wohnungen sowie ihren Angehörigen sehen, hieß es am Freitagmorgen. Das israelische Militär warnte jedoch, es sei verboten, sich vom Süden in den Norden des Küstengebiets zu begeben.
Die israelische Armee hatte bereits vor Beginn der Feuerpause betont, der Krieg sei nicht vorbei. Der nördliche Gazastreifen sei weiterhin eine "gefährliche Kriegszone" und es sei verboten, sich dort hin- und herzubewegen. Palästinenser sollten in einer "humanitären Zone" im Süden des Küstenstreifens verbleiben. Es sei aber weiterhin für Zivilisten möglich, sich vom Norden in den Süden zu bewegen.
Die Kämpfe hatten bis kurz vor Beginn der Feuerpause angedauert. Im israelischen Grenzgebiet zum Gazastreifen gab es noch unmittelbar vor Beginn der Waffenruhe und auch kurz danach wieder Raketenalarm, so wie es auch schon bei früheren Waffenruhen der Fall gewesen war. Die israelische Armee hatte zuvor ihre Angriffe im Gazastreifen noch intensiviert und wird ihre Soldaten auch während der Kampfpause dort stationiert lassen.
Cameron erinnert Israel an Einhaltung des humanitäres Völkerrechts
Während derzeit vor allem der Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hamas im Fokus der Öffentlichkeit steht, erinnerte der neue britische Außenminister David Cameron Israel nun jedoch auch mit deutlichen Worten, dass es das humanitäre Völkerrechts im Gazastreifen einhalten muss.
Cameron betonte, Israel habe ein Recht zur Selbstverteidigung und die Ereignisse des 7. Oktobers seien "vollkommen entsetzlich". Das Land müsse sich aber an das humanitäre Völkerrecht halten. Das habe er bei Treffen mit dem israelischen Präsidenten Izchak Herzog und Premierminister Benjamin Netanjahu immer wieder deutlich gemacht, sagte Cameron in einem Interview mit der BBC am Freitag während eines Besuchs in Ramallah.
Die Zahl der Opfer im Gazastreifen sei zu hoch, sagte Cameron. Er habe auch sehr klar gemacht, dass die Gewalt durch militante Siedler im Westjordanland "komplett inakzeptabel" sei. Es sei wichtig für Israel, zu realisieren, dass es "auf eine Weise handeln muss, die seine langfristige Sicherheit sicherstellt", so der konservative Politiker, der von 2010 bis 2016 Premierminister seines Landes war. Das hänge letztlich davon ab, dass Palästinenser in Frieden, Stabilität und Sicherheit leben könnten.
Sicherheitslage im palästinensischen Westjordanland wohl deutlich verschlechtert
Erst am Donnerstagabend wurde ein zwölfjähriger Junge palästinensischen Angaben zufolge bei einer Auseinandersetzung mit Israels Armee im Westjordanland getötet. Dem Jungen sei am Donnerstagabend in die Brust geschossen worden, teilte das Gesundheitsministerium in Ramallah mit. Die Armee habe in dem Ort Beita südlich von Nablus eine Razzia durchgeführt. Das Kind sei zunächst ins Krankenhaus gebracht worden und dort später an den Folgen seiner schweren Verletzungen gestorben, meldete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa. Demnach hätten israelische Einsatzkräfte aus nicht genannten Gründen auf den Jungen geschossen. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden. Israels Armee sagte, sie prüfe den Bericht.
Nachdem die Siedlerpolitik schon in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder zu massiven Problemen im palästinensischen Gebiet, dem Westjordanland, geführt hatte, soll sich die Sicherheitslage seit dem Hamas-Überfall auf Israel im Oktober deutlich verschlechtert haben. Bei Konfrontationen mit israelischen Soldaten, aber auch Attacken von israelischen Siedlern wurden seither 220 Palästinenser getötet, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Israels Armee nahm eigenen Angaben zufolge bei Anti-Terror-Einsätzen in den vergangenen fast sieben Wochen mehr als 1800 Verdächtige fest, die meisten von ihnen hätten Verbindungen zur Hamas.
Seit Jahresbeginn wurden dem Gesundheitsministerium in Ramallah zufolge im Westjordanland 416 Palästinenser bei israelischen Militäreinsätzen, Konfrontationen oder eigenen Anschlägen getötet.
Verstärkte Hilfslieferungen für den Gazastreifen angelaufen
Mit Beginn der Feuerpause im Gaza-Krieg lief auch die Ausweitung humanitärer Hilfslieferungen in den Gazastreifen an. Am Morgen seien Konvois mit zahlreichen Lastwagen unterwegs gewesen, sagte der Sprecher des UN-Nothilfebüros (OCHA) am Freitag in Genf. Ägypten hält 200 Lastwagen pro Tag für realistisch, hieß es aus Regierungskreisen. Vor dem Krieg fuhren rund 500 Lastwagen mit humanitären Gütern pro Tag in das von Israel abgeriegelte Gebiet. Seit Mitte November sind es nur noch bis zu einigen Dutzend am Tag. Nach OCHA-Angaben waren es am Donnerstag 80.
Hunderttausende Menschen im Norden des Gazastreifens
Ob das UN-Hilfswerk für Palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) erstmals seit Wochen auch den Norden des Gazastreifens mit Hilfsgütern beliefern kann, ließ der Sprecher zunächst offen. OCHA verhandele permanent mit allen Konfliktparteien über einen ungehinderten Zugang und Sicherheitsgarantien, sagte er. Im Norden des Gazastreifens sollen sich noch hunderttausende Menschen aufhalten.
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rad/news.de/dpa
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