Der Autokonzern Volkswagen hat in den vergangenen Tagen bekannt gegeben, dass Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr ausgeschlossen werden. Damit wären über 100.000 Arbeitsplätze bedroht. Wie es jetzt bei VW weitergeht.
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Europas größter Autobauer VW hatte am Montag angekündigt, angesichts der sich zuspitzenden wirtschaftlichen Lage einen noch strengeren Sparkurs fahren zu wollen. Das umfasst auch mögliche Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen. Ebenso sollen die mit dem Betriebsrat geschlossenen Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung bis 2029 nach 30 Jahren aufgekündigt werden. Tausende Arbeitnehmer müssen nun um ihren Job zittern. Auch wenn Gewerkschaft und Betriebsrat massiven Widerstand ankündigen und auch seitens der Politik kritische Stimmen laut werden, gilt ein massiver Einschnitt beim Autokonzern als gesichert. Aber wie geht es jetzt weiter?
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Kommt eine staatliche Hilfe zur Rettung der betroffenen VW-Werke infrage?
VW wäre nicht der erste Konzern, der in Deutschland in Schieflage gerät und durch staatliche Unterstützung einen Arbeitsplätze-Abbau verhindern. Führende Ökonomen sehen jedoch von einer staatlichen Rettung ab. "Die Politik sollte sich bei dieser Erneuerung heraushalten und darf nicht den Fehler begehen, alte Strukturen zu zementieren und die notwendige Transformation zu behindern", betonte Prof. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.
Drohende Standort-Schließungen bei VW: Welche Werke sind bedroht?
Niedersachsen:
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, zeigt sich besorgt um mögliche Standortschließungen. Er erwarte, dass sich dieFrage "einer Schließung von Standorten durch die erfolgreiche Nutzung von Alternativen schlichtweg nicht stellt." Dennoch sind in seinem Bundesland mit den Werken Wolfsburg, Emden, Braunschweig, Hannover, Salzgitter und Osnabrück wichtigste VW-Standorte bedroht.
Sachsen:
Auch Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD), in dessen Bundesland drei VW-Werke liegen, hatte sich nach der VW-Ankündigung alarmiert gezeigt. "Der Freistaat steht zu allen sächsischen Standorten und fest an der Seite der Kolleginnen und Kollegen in Zwickau, Chemnitz und Dresden", sagte er laut Mitteilung. Vor allem das reine Elektroautowerk in Zwickau leidet derzeit unter der schwachen Nachfrage nach Batteriefahrzeugen. Sachsen unterstütze daher die Forderungen, eine Verkaufsprämie für Elektrofahrzeuge wieder einzuführen, so Dulig. Der Absatz von E-Autos war massiv eingebrochen, nachdem der Bund die bisherige Kaufprämie 2023 gestrichen hatte.
Der "Focus" hat sich die von einer Schließung bedrohten VW-Werke einmal genauer angeschaut und folgende Betriebsstätten auf ihr Potenzial hin analysiert. Ein Überblick:
VW-Werk in Wolfsburg - eine Verkleinerung ist denkbar
Das VW-Werk in Wolfsburg ist der Hauptsitz der Marke VW Pkw sowie der Unternehmenszentrale und beschäftigt circa 60.500 Angestellte. Produziert werden hier unter anderem die Modelle Golf Sportsvan, Tiguan und Touran. Zudem stellt das Werk auch noch wesentliche Autobestandteile wie Cockpits und Gelenkwellen her. Ebenfalls hier ansässig: Die Forschungsanlage, die sogenannte IT-City. Eine Schließung des Werkes in Wolfsburg kommt aufgrund der Funktion als wesentliche Schaltzentrale sowie im Hinblick auf Forschung und Entwicklung zukünftiger VW-Modelle wohl nicht infrage. Allerdings: Eine Verkleinerung des Werkes sei laut "Focus"-Einschätzung durchaus möglich.
VW in Kassel - Schließung des größten Arbeitgebers in Nordhessen wäre der Super-Gau
Ein weiterer wichtiger Standort ist das VW-Werk in Kassel Baunatal. Hier arbeiten rund 16.500 Mitarbeiter. VW ist hier der größte Arbeitgeber in ganz Nordhessen und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Auf die Herstellung von Elektro-Antrieben, Getrieben sowie diverse Karosserieteile und Abgasanlagen wird man wohl schwer verzichten können. Zudem werden hier gebrauchte Motoren und Getriebe aufgearbeitet. Eine Schließung in Kassel sei ebenfalls eher undenkbar.
VW-Werk in Hannover - Sparkurs realistisch, Schließung eher nicht
Das Werk in Hannover ähnelt vom Aufbau dem in Wolfsburg. Hier werden die VW-Bullis produziert sowie das Großraumlimousinen-Geschäft gesteuert. Rund 14.200 Mitarbeiter sind in Hannover bei VW beschäftigt. Laut "Focus"-Expertenmeinung ist eine Schließung aufgrund des Kerngeschäfts vor Ort eher unwahrscheinlich. Die Fertigung zu verlagern sei teurer als einfach nur auf einen radikalen Sparkurs vor Ort zu setzen heißt es.
Braunschweig - kleines Werk mit großer Wirkung
Als erstes Werk von Volkswagen überhaupt ist es nur schwer vorstellbar, dass in Braunschweig der Schlüssel abgegeben wird. Mit rund 7.000 Mitarbeitern ist es ein kleines Werk, welches jedoch große Wirkung hat. Hier findet sowohl Entwicklung als auch Endmontage und Ausbildung der Mitarbeiter statt. "In nahezu allen Fahrzeugen des Konzerns werden Teile aus Braunschweig verbaut", berichtet der "Focus". Ebenfalls ein gewichtiges Argument: Das Braunschweiger Werk liegt nur eine halbe Stunde von Wolfsburg entfernt. Zwar sei eine Zusammenlegung der Werke daher denkbar, dennoch spielen politische Motive hier eine Rolle. Das Land Niedersachsen ist im VW-Aufsichtsrat und hat daher einen großen Einfluss auf die Entscheidung möglicher Standort-Schließungen.
Salzgitter - Umstellung auf E-Mobilität nicht sonderlich erfolgreich
Ein Kandidat für eine mögliche Schließung und Verlegung des Standortes nach Wolfsburg wäre das Volkswagen-Werk in Salzgitter. Die rund 7.500 Beschäftigten arbeiten seit Kurzem an der Produktion von Rotor und Stator, doch der Wechsel zur E-Mobilität sei bei VW nicht recht geglückt. Die Verkaufszahlen lassen zu wünschen übrig.
Volkswagen in Emden - zentrale In- und Export-Anlaufstelle in Gefahr?
Seit 1964 ist das VW-Werk in Emden ein Teil von Volkswagen. Das Werk wurde jüngst für rund 1,2 Milliarden Euro auf die Produktion von E-Modellen umgerüstet. Hier sollen künftig Verbrenner als auch Elektro-Modelle parallel gefertigt werden. Ein wichtiger Pluspunkt des Emden-Werkes ist die Lage. Der Emdener Hafen ist ein wichtiger Faktor für den In- und Export VWs. Es ist schwer vorstellbar, dass das Werk bei so einem wichtigen Standort-Faktor geschlossen werden solle.
Volkswagen-Werk in Zwickau - Unsicherheit wächst
Das Werk in Zwickau gilt als eines der größten und leistungsfähigsten E-Auto-Werke Europas und könnte dennoch von einer Schließung betroffen sein. Zumindest ein Sparkurs wird derzeit bereits gefahren. Laut "Focus"-Informationen gebe es in Zwickau derzeit nur eine neu zu besetzende Stelle im Werk - und das ist der Betriebsarzt. Die Zukunft für rund 9.400 Mitarbeiter ist daher ungewiss.
Mögliche Volkswagen-Schließung in Chemnitz? Das sagen die Experten
In Chemnitz werden Motoren, Fahrzeugwerke sowie weiter Fahrzeugkomponenten hergestellt. Die rund 1.800 Mitarbeiter müssen laut Experten-Meinung jedoch zittern. Denn: Motoren und Fahrzeugkomponenten, die hier hergestellt werden, seien auch in anderen Produktionsstätten herzustellen, zudem sei der Standort Sachsen laut "Focus" nicht so einflussreich wie das Land Niedersachsen.
Prestige-Modell von Volkswagen in Dresden - keine Gefahr
In Dresden sitzt die sogenannte "Gläserne Manufaktur", die seit dem Januar 2021 zur Volkswagen Sachsen GmbH gehört. Die gläserne Fabrik gilt als Prestige-Objekt Volkswagens. Eine Schließung sei eher undenkbar.
Fahrzeugzubehör aus Frankfurt - Einspareffekte eher gering
Aus Frankfurt kommt alles, was bei Volkswagen als Zubehör in den Fahrzeugen verbaut ist. Die Produktpalette umfasst die Bereiche Sport und Design, Leichtmetallfelgen und Kompletträder Kommunikation, Transport, Komfort und Schutz sowie Lifestyle. Die knapp 250 Mitarbeiter kümmern sich komplett um das Volkswagen Original-Zubehör. Natürlich ließe sich die Produktionskette verlagern, das Einsparungspotenzial sei laut Expertenmeinung jedoch gering.
Volkswagen-Werk Osnabrück - Produktionsstätte von Cabriolets und Roadster
Das Volkswagen-Werk in Osnabrück ist die Produktionsstätte für Cabriolets und Roadster. Knapp 2.300 Mitarbeiter sind hier angestellt und kümmern sich um Technik, Finanzen und IT. Eine Schließung wäre möglich, jedoch wenig ertragreich, glaubt man den Experten. Zudem: Auch hier gilt, dass das Bundesland Niedersachsen alles versuchen wird, um mögliche Schließungen zu verhindern.
Mit dem radikalen Schnitt bei Volkswagen ist laut vieler Experten ein notwendiger, jedoch schmerzhafter Schritt getan, der längst überfällig war. So erklärte Experte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach gegenüber der Deutsche Presse-Agentur: "Das ist jetzt ein großer Weckruf. Und der ist auch notwendig." Und weiter: "So gern man Standort- und Beschäftigungssicherung hat. Längerfristig kann man Beschäftigte und Standorte nur sichern, wenn man wettbewerbsfähig ist."
Welche Werke beim Autohersteller VW künftig zittern müssen und ob und wann eine Entscheidung im Standort-Poker fällt, wird sich spätestens nach der nächsten VW-Aufsichtsratssitzung zeigen.
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