Bis Anfang Juli sah es an der US-Börse und auch am deutschen Aktienmarkt noch ziemlich gut aus. Allmählich verfliegt die Rekordlaune. Experten sehen dunkle Wolken aufziehen.
Bis vor zwei, drei Wochen bestimmten die Optimisten das Geschehen an den Aktienbörsen, vor allem in den USA. Der Boom der Künstlichen Intelligenz (KI) sowie absehbar sinkende Zinsen und damit verbundene Konjunkturhoffnungen lieferten den Treibstoff für die Rally der vergangenen Monate.
Doch am Horizont ziehen Wolken auf. Eine zweite Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident gilt als durchaus wahrscheinlich. Furcht vor neuen Handelskonflikten macht sich breit. Auch der KI-Schwung ließ jüngst etwas nach - Anleger fragen sich, wie weit die Bäume hier noch in den Himmel wachsen können.
Wer wird Präsident in den USA?
Die Frage, ob das Weiße Haus nach dem Rückzug von Joe Biden dank der neuen Kandidatin Kamala Harris in demokratischer Hand bleibt oder ob Trump nach dem Attentat auf ihn wieder das Zepter übernimmt, wird sich im November entscheiden. "Aus Sicht der Finanzmärkte bedeuten die jüngsten Entwicklungen zunächst einmal "nur" eine gewisse Unsicherheit", kommentiert Sören Hettler, Leiter Anlagestrategie und Privatkunden bei der DZ Bank.
Bis auf Weiteres verfolgen die Anleger erst einmal gebannt, wie in den USA die Tech-Giganten Nvidia, Apple und Microsoft um den Titel des wertvollsten Unternehmens der Welt ringen - angetrieben von der Erwartung, dass KI-Anwendungen die Kassen kräftig klingeln lassen und dabei am Ende auch für deutsche Unternehmen ein Gewinn herausspringt.
KI-Welle verliert an Kraft
Deren Ertragsaussichten erscheinen günstiger, nachdem die hohen Inflationsraten aus dem Jahr 2022 inzwischen Geschichte sind. Das schafft Spielraum für sinkende Zinsen der Notenbanken. Finanzierungskosten von Staaten, Unternehmen und Privatleuten könnten damit sinken - gute Vorzeichen für Investitionen von Unternehmen und für den Konsum.
Kritiker mahnen aber, dass am deutschen Aktienmarkt gute Perspektiven schon vorweggenommen werden. Und auch die KI-Welle, die viele Techwerte hatte hochschnellen lassen, verlor jüngst an Kraft. Ein Grund: Angesichts gestiegener Chancen auf eine Regierung Trump setzen große Investoren verstärkt auf traditionellere Industriezweige, ein Stück weit zulasten der Technologiebranche.
Die Aktie des hochgelobten KI-Chipherstellers Nvidia ist von seinem Höchststand Mitte Juni inzwischen gut 15 Prozent zurückgefallen. Zuletzt geriet die Google-Mutter Alphabet am Markt unter Druck, und der Elektroautobauer Tesla stürzte nach abermals enttäuschenden Quartalszahlen ab.
Dem deutschen Leitindex Dax gelang es daher nicht, auf seine Bestmarke vom Mai bei knapp 18.900 Punkten nochmals draufzusatteln. Die weltweit tonangebende Wall Street zeigt insgesamt Ermüdungserscheinungen.
Ökonom sieht Luft dünner werden
Edgar Walk, Chefvolkswirt von Metzler Asset Management, etwa sieht die Luft dünner werden. "Es dürfte für die Unternehmen zunehmend schwieriger werden, die hohen Erwartungen zu erfüllen", auch weil die Weltwirtschaft nur moderat wachse. Gerade in Sachen KI hegen Anleger denn auch große Erwartungen - viele Unternehmen verdienen mit dem Thema zwar auch schon gutes Geld, nicht wenige müssen das aber erst noch beweisen.
Mit Blick auf die US-Präsidentschaftswahl am 5. November gibt Felix Herrmann, Chefvolkswirt von Aramea Asset Management, zu bedenken: "Anders als eine bekannte Börsenweisheit besagt, könnten die politischen Märkte längere Beine haben." Denn Aufbruchstimmung werde wohl unabhängig vom Wahlsieger nicht erzeugt. Vielmehr drohe eine noch größere Spaltung der US-Gesellschaft.
Vorsichtig gibt sich auch Michael Heise, Chefökonom des Vermögensverwalters HQ Trust: Ein Sieg von Trump werde allenfalls eine kurze Phase der wirtschaftlichen Belebung durch Steuersenkungen und Deregulierung bringen. Langfristig aber könnten die negativen Folgen für die Weltwirtschaft erheblich sein. Europa sehe sich dann wohl durch verstärkten Protektionismus sowie eine Infragestellung der regelgebundenen Ordnung herausgefordert.
Wichtig würde dabei aber auch die Mehrheitsverhältnisse im US-Kongress nach der Wahl, sagt Volkswirt Alexander Buhrow von der DZ Bank. Denn: diese bestimmten den Handlungsspielraum des Präsidenten. Der werde daher sehr wahrscheinlich erhebliche Kompromisse machen müssen. "Nur bei einem klaren Sieg der Republikaner bei den Kongresswahlen könnte Trump einige Punkte seiner Agenda umsetzen."
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+++ Redaktioneller Hinweis: Diese Meldung wurde basierend auf Material der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erstellt. Bei Anmerkungen oder Rückfragen wenden Sie sich bitte an hinweis@news.de. +++
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