Erstellt von - Uhr

Özdemir will Tierwohlcent: Dieser Preisschock droht uns beim Supermarkt-Fleisch

Die von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vorgelegten Pläne zum "Tierwohlcent" werden konkreter. Nun zeichnet sich in Zahlen ab, wie sich die Verbrauchssteuer auf Fleisch auf Supermarkt-Kunden auswirken könnte - Kritik ließ nicht lange auf sich warten.

Wer der Fleischeslust frönt, soll den Tierwohlcent-Plänen von Agrarminister Cem Özdemir zufolge bald tiefer in die Tasche greifen müssen. (Foto) Suche
Wer der Fleischeslust frönt, soll den Tierwohlcent-Plänen von Agrarminister Cem Özdemir zufolge bald tiefer in die Tasche greifen müssen. Bild: picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod

Die von Grünen-Minister Cem Özdemir skizzierten Pläne für einen "Tierwohlcent" als Preisaufschlag für Fleisch im Supermarkt werden konkreter. Das Agrarministerium hat auf Bitte der Ampel-Fraktionen ein Konzept erarbeitet. Dieses diene als Grundlage für die Einführung einer Verbrauchssteuer auf Fleisch und Fleischprodukte, wie es in einem Papier heißt, das der Deutschen Presse-Agentur am 7. Februar 2024 vorlag.

Cem Özdemir will Tierwohlcent als Finanzierung für den Umbau der Tierhaltung einführen

Angesichts der Bauernproteste gegen die Streichung von Steuervergünstigungen beim Agrardiesel hatte sich Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) dafür stark gemacht, eine planungssichere Finanzierung für den Umbau der Tierhaltung mit einem Tierwohlcent auf tierische Produkte auf den Weg zu bringen.Die Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP hatten angesichts der bundesweiten Bauernproteste konkrete Maßnahmen zur Entlastung der Landwirtschaft bis zum Sommer in Aussicht gestellt.

Fleisch-Steuer wird konkreter: Kommt bald die Preiserhöhung von 40 Cent pro Kilo Fleisch?

Dabei geht es um eine schon 2020 von einer Kommission um den früheren Agrarminister Jochen Borchert empfohlene Tierwohlabgabe auf tierische Produkte im Supermarkt. Als Orientierung hatte das Gremium einen denkbaren Aufschlag von 40 Cent je Kilo Fleisch und Wurst genannt. Hintergrund ist, dass die Kommission bis 2040 einen schrittweise steigenden Finanzierungsbedarf von bis zu 3,6 Milliarden Euro pro Jahr für den Umbau der gesamten Tierhaltung ermittelte.

Im Papier des Agrarministeriums heißt es, die Höhe des Steuersatzes wäre politisch zu entscheiden. Die zu prüfende Steuer sei eine "nicht harmonisierte Verbrauchsteuer", ähnlich der Kaffeesteuer. Das bedeutet, es handelt sich um eine nationale Verbrauchsteuer, die von der EU-Harmonisierung ausgenommen ist. Das Steueraufkommen aus der Kaffeesteuer steht dem Bund zu.

Fleisch soll teurer werden - Finanzministerium bleibt zurückhaltend

Als "Steuergegenstand" werden in dem Papier unter anderem Fleisch und Fleischerzeugnisse genannt. Einnahmen aus der Verbrauchsteuer würden in den Bundeshaushalt fließen. Das Vorhaben werde innerhalb von maximal fünf Jahren evaluiert. Insbesondere solle die Wirkung der Steuer untersucht und die allgemeine Preisentwicklung ermittelt werden.

Ein Sprecher des Agrarministeriums sagte, in den vergangenen Wochen habe die Landwirtschaft eine große Unterstützung erfahren, aus der Bevölkerung wie auch aus allen demokratischen Parteien. "Es ist deswegen gut, wenn die Diskussion um eine langfristige finanzielle Unterstützung der Tierhaltung hin zu mehr Tierwohl in der Ampel stattfindet."

Weil es sich um Steuerfragen handelt, ist das Finanzministerium federführend. Eine Sprecherin von Minister Christian Lindner (FDP) zeigte sich am 7. Februar zurückhaltend zu einem "Tierwohlcent". Die FDP will keine Steuererhöhungen.

FDP kritisiert "Tierwohlcent" - Zuspruch von Bauernverbänden

Zu Plänen des grün geführten Agrarministeriums für einen "Tierwohlcent" als Preisaufschlag für Fleisch im Supermarkt gibt es Gegenwind aus der FDP. "Neue Steuern oder Steuererhöhungen wird es mit der FDP nicht geben. Der Vorschlag von Cem Özdemir geht an den eigentlichen Nöten der Landwirte vorbei", sagte FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer der Deutschen Presse-Agentur. "Der Vorschlag würde der Landwirtschaft auch nicht helfen, denn die Steuereinnahmen würden ohne Verwendungsbindung in den Bundeshaushalt gehen."

Bauernverband schimpft gegen Tierwohlcent-Pläne als "schiefen Kompromiss"

Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, sagte: "Als "Ersatz" für den Agrardiesel taugt eine Tierwohlabgabe nicht, sondern wäre ein weiterer schiefer Kompromiss. Die Landwirtschaft braucht jetzt vor allem Lösungen, die alle Betriebe entlasten." Die vorgeschlagene Ausgestaltung eines "Tierwohl-Cent" setze am falschen Ende an. "Es ist vollkommen unklar, wie sichergestellt werden soll, dass das Geld am Ende auch beim Landwirt ankommt - dies muss aber Sinn und Zweck einer Tierwohlabgabe sein. Zudem würde eine Verbrauchssteuer erst einmal massive Bürokratie und Zusatzkosten schaffen.

Der Bauernverband kämpft weiter dafür, dass die Streichung beim Agrardiesel zurückgenommen wird. Das letzte Wort dazu ist noch nicht gesprochen. Zwar hat der Bundestag einem Gesetz, in dem die Streichung der Steuervergünstigung beim Agrardiesel enthalten ist, zugestimmt. Dieses muss aber noch den Bundesrat passieren. Die Union will die Zustimmung zu einem Wachstumspaket mit steuerlichen Entlastungen für Firmen von einer Rücknahme der Agrardiesel-Streichungen abhängig machen - zum Wachstumspaket läuft ein Vermittlungsverfahren von Bundesrat und Bundestag.

"Durchschaubares Manöver": Union wirft Agrarminister Özdemir Ablenkung mit Fleisch-Steuer vor

Unionsfraktionsvize Steffen Bilger sagte, es liege noch kein von allen Koalitionspartnern getragenes Konzept zur Finanzierung des Stallumbaus und zur Deckung der deutlich höheren Betriebskosten für Tierwohl-Ställe vor. Bei dem Papier aus dem Agrarministerium handle es sich um ein "durchschaubares Manöver", das von dem "Versagen" Özdemirs beim Agrardiesel ablenken solle. "Eine neue Fleischsteuer zur Abfederung zusätzlicher Kosten durch den Stallumbau ist kein Ausgleich für die Belastung der Landwirtschaft durch das von der Koalition beschlossene Agrardiesel-Aus."

Dagegen sagte die Grünen-Politikerin Renate Künast: "Gut, dass wieder Bewegung in die Debatte um den Tierwohlcent kommt. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass uns gemeinsam vom Bundesfinanzministerium für Finanzen und Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein fertiges Konzept für eine Verbrauchssteuer und die Umlage an die tierhaltenden Betriebe vorgelegt wird." Ein tragfähiges Konzept zur Finanzierung sei nötig, wenn sich möglichst viele Betriebe in der Tierhaltung stärker an den Bedürfnissen der Tiere orientieren sollten, als durch die eine Milliarde, die bisher im Haushalt zur Verfügung stehe.

Tierschutzbund und Landwirtschaft begrüßen geplante Fleisch-Steuer von Cem Özdemir

Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, sagte: "Endlich kommt was in Bewegung. Eine Fleischabgabe haben wir schon lange gefordert." Nach dem Borchert-Konzept gehe es um 40 Cent je Kilogramm. "Wer Fleisch isst, dem muss das Tier vier Cent je 100 Gramm Fleisch zusätzlich wert sein. Wer sich dagegen ausspricht, dem sind die Tiere egal." Die FDP müsse jetzt Farbe bekennen.

Auch aus der Landwirtschaft kam Zuspruch für die geplante Abgabe: "Wenn wir den Umbau der Tierhaltung wollen und weiterhin Fleisch aus Deutschland essen wollen, kommen wir an diesem Weg nicht vorbei. Ohne Tierwohlabgabe ist dies nicht möglich. Der Markt regelt dies nicht alleine", sagte der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Martin Schulz, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag). Der Bauernverband sprach sich gegenüber den Funke-Zeitungen ebenfalls für den "Tierwohlcent" aus und forderte aufgrund der hohen Inflation, die Höhe der Abgabe neu zu berechnen.

Folgen Sie News.de schon bei Facebook, Twitter, Pinterest und YouTube? Hier finden Sie brandheiße News, aktuelle Videos und den direkten Draht zur Redaktion.

/news.de/dpa

Erfahren Sie hier mehr über die journalistischen Standards und die Redaktion von news.de.