Auf rosige Zeiten wird die deutsche Wirtschaft aktuellen Prognosen zufolge weiter warten müssen. Was bedeutet das für Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland, in welchen Lebensbereichen droht weitere Verteuerung?
Die Aussichten für die nähere Zukunft bleiben durchwachsen:Die deutsche Wirtschaft kommt weiter nicht in Schwung, aktuelle Zahlen und Umfragen deuten noch nicht auf eine Trendwende hin. Sowohl das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) als auch das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) korrigierten am 6. September 2023 ihre Konjunkturprognosen für Deutschland nach unten und erwarten nun einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent (Sommerprognose: -0,3 Prozent). Auch andere Wirtschaftsinstitute wie das Ifo sehen in diesem Jahr eine konjunkturelle Abkühlung in Deutschland. Für das kommende Jahr erwartet das IWH hingegen einen Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes von 0,9 Prozent.
Deutsche Wirtschaft ächzt weiter: Diese Faktoren trüben die Wirtschaftsprognose aktuell
Als Gründe für die düstere Prognose wurden vor allem eine schwache Industriekonjunktur, die Krise in der Bauwirtschaft sowie sinkende Konsumausgaben genannt. Der Konjunkturchef des IWH, Oliver Holtemöller, erklärte, dass sich zwar der private Konsum nach dem Energiepreisschock langsam wieder stabilisiere, die Inflationsrate sei aber weiterhin hoch. Noch bis ins Jahr 2025 bleibe die Inflation voraussichtlich über den Zielwerten der Europäischen Zentralbank (EZB). Dadurch werde sich der private Konsum nur langsam erholen. Zusätzlich sei der Wohnungsbau eingebrochen. Besonders in diesem Bereich seien die Aussichten düster. Aufgrund der Lage in China stottere zudem der Außenhandel, so der Vizepräsident des IWH. Die Wirtschaft in China und Japan schwächele derzeit und habe trotz dem Ende der Pandemie noch nicht wieder aufgeholt.
Auch die Auftragseingänge in der Industrie zeigten zuletzt nach unten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts gingen sie im Juli um 11,7 Prozent im Vergleich zum Vormonat zurück - was vor allem Folge eines "sehr umfangreichen Großauftrags" im Juni gewesen sei. Im Dreimonatsvergleich lag der Auftragseingang von Mai bis Juli aber um 3,1 Prozent höher als in den drei Monaten zuvor.
Was bedeutet die trübe Wirtschaftsprognose für Deutschlands Verbraucherinnen und Verbraucher?
Für Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland bedeutet die Prognose in den Alltag übersetzt: Ein Ende der Teuer-Phase ist in den kommenden Monaten nicht absehbar. Beim Supermarkt-Einkauf mag zwar eine gewisse Erleichterung im Portemonnaie zu spüren sein, doch beispielsweise beim Thema Wohnen gehen die Kosten weiter durch die Decke. Ein preislicher Abschwung ist auch bei Restaurantbesuchen sowie beim Strom- und Gaspreis nicht in Sicht. Auch in Sachen Steuern ist für Bundesbürgerinnen und -bürger weiter keine Erleichterung in Sicht, denn Angaben der "Bild" zufolge steigen die Steuereinnahmen des Staates immer weiter und sollen sich 2023 auf 955 Milliarden Euro, 2025 bereits auf 1.044 Milliarden Euro belaufen. Zu allem Übel ist auch ein Anstieg der Sozialabgaben zu befürchten, da Renten- und Pflegekassen ihre Ausgaben mit den bisherigen Mitteln bald nicht mehr decken können.
Im Winterhalbjahr war die deutsche Wirtschaft zwei Quartale in Folge geschrumpft und damit in eine sogenannte technische Rezession gerutscht. Im zweiten Quartal 2023 stagnierte in Europas größter Volkswirtschaft das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vergleich zum Vorquartal. Hohe Inflation, stockender Konsum und eine schwächelnde Weltkonjunktur machen der Exportnation Deutschland zu schaffen.
Düstere Prognose bis Ende 2023: Deutsches Geschäftsmodell hoffnungslos veraltet?
Bundesbank-Präsident Nagel warb trotz der kritischen Lage für Besonnenheit. "Deutschland ist nicht der kranke Mann Europas. Ich halte das für eine Fehldiagnose, die bei vielen allzu leicht verfängt. Wir sollten da selbstbewusster auftreten", sagte Nagel dem "Handelsblatt". Verglichen mit anderen Ländern stehe Deutschland insgesamt gut da, nicht nur bei Beschäftigung und Schuldentragfähigkeit: "Wir sollten uns "Made in Germany" nicht kleinreden lassen. Das deutsche Wirtschaftsmodell ist kein Auslaufmodell. Aber es braucht ein Update." Als Stichworte nannte Nagel Energiewende, Digitalisierung und die Notwendigkeit, internationale Handelsbeziehungen widerstandsfähiger zu machen.
Was taugt das Siegel "Made in Germany" noch? Außenhandelsverband übt scharfe Kritik an Bundesregierung
Deutliche Kritik kommt vom Außenhandelsverband BGA. Nach Ansicht von Verbandspräsident Dirk Jandura ist Deutschland derzeit in vielen Bereichen nicht wettbewerbsfähig genug. "Und unsere Politik ist es auch nicht." Jandura warf der Bundesregierung vor, sich zu wenig für den Abbau der Bürokratie einzusetzen. Zudem sei die deutsche und europäische Politik dabei, mit Zurückhaltung bei neuen Freihandelsabkommen die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu gefährden. "Kanada, Kenia, vielleicht Neuseeland und Chile. Das reicht im Zeitalter der Zeitenwende nicht aus", sagte Jandura.
Für den weiteren Jahresverlauf geht der BGA davon aus, dass der deutsche Außenhandel in seinem Umfang "bestenfalls" stagnieren wird. Im dritten und vierten Quartal könnte es aber auch noch deutlich schlechter werden. Nach einer Verbandsumfrage rechnen mehr als 60 Prozent der Firmen mit einem rückläufigen (57 Prozent) oder stark rückläufigen (6) Außenhandel. "Nur gut jedes zwanzigste Unternehmen geht noch von einer besseren Entwicklung aus", sagte Jandura.
"Deutschland bekommt jetzt auch zu spüren, dass sein altes industrielles Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert", sagte IfW-Präsident Moritz Schularick. Zudem belaste die Zinswende die Wirtschaft im Inland und über die Exportmärkte. "Die Notenbanken haben erfolgreich Zähne im Kampf gegen die Inflation gezeigt, und in diesem neuen Umfeld muss sich die deutsche Wirtschaft nun behaupten."
Wann geht's mit der deutschen Wirtschaft wieder bergauf?
Die Kieler Ökonomen gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft erst zum Jahreswechsel wieder Fahrt aufnehmen wird. Für 2024 rechnet das IfW mittlerweile aber nur noch mit einem Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 1,3 Prozent (bisher 1,8 Prozent). Die Ökonomen erwarten, dass sich die Inflation im kommenden Jahr deutlich verringern und 2024 sowie 2025 2,1 Prozent betragen wird.
Auch in Europa wird aus Sicht der Industrieländerorganisation OECD die Konjunktur im kommenden Jahr wieder stärker zulegen und die Inflation sinken. Die EU und der Euroraum hätten einen schweren Abschwung nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der Energiekrise abwenden können. Wachstum und sinkende Inflation seien in Sicht. Die kurzfristigen Aussichten seien aber weiterhin von Unsicherheit geprägt, heißt es im jüngsten OECD-Wirtschaftsbericht.
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loc/news.de/dpa
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