Penny wagt ein Experiment. Der Discounter erhöht im Rahmen einer aktuellen Aktion die Preise von neun Lebensmitteln. Die Preissteigerungen fallen teilweise drastisch aus. Nicht jeder Kunde reagierte erfreut.
Discounter versprechen immer günstige Preise. Jede Woche gibt es neue Angebote, die preisbewusste Kunden und Kundinnen in die Filialen locken sollen. Nun dreht der Discounter Penny den Spieß um. Statt satter Rabatte gibt es einen Teuer-Schock der anderen Art.
Wiener Würstchen für 6 Euro! Penny überrascht mit Preiserhöhung
Ab Montag, den 31. Juli, verlangt der Discounter Penny für neun seiner mehr als 3.000 Produkte eine Woche lang die "wahren Preise" - also den Betrag, der bei Berücksichtigung aller durch die Produktion verursachten Umweltschäden eigentlich berechnet werden müsste. Die Produkte vom Käse bis zum Wiener Würstchen werden dadurch um bis zu 94 Prozent teurer, wie die Handelskette am 30.07.2023 mitteilte. Wiener Würstchen verteuerten sich dadurch um 88 Prozent. Der Preis beträgt im Experiment 6,01 Euro statt 3,19 Euro. Eine Packung Mozzarella der Marke San Fabio kostet nunmehr 1,55 Euro statt 0,89 Euro, der Preis für Fruchtjoghurt liegt nun bei 1,56 Euro statt 1,19 Euro. Deutlich geringer fiel die Steigerung mit nur 5 Prozent bei einem veganen Schnitzel aus. Generell sei der notwendige Aufschlag bei rein pflanzlichen Produkten wegen der geringeren Umweltbelastung am niedrigsten, berichtet der Umweltökonom Tobias Gaugler von der Technischen Hochschule Nürnberg, der das Projekt begleitet. Deutlich höher sei er bei Milchprodukten und am höchsten bei Fleisch.
Auch eine Studie der Universität Oxford kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass insbesondere die Preise für Fleisch bei Berücksichtigung der Treibhausgasemissionen und anderer Umweltschäden deutlich höher sein müssten.
Penny gibt "wahre Kosten" weiter: Diese Lebensmittel werden teurer
Berechnet wurden die "wahren Preise", bei denen neben den üblichen Herstellungskosten auch die Auswirkungen der Lebensmittelproduktion auf Boden, Klima, Wasser und Gesundheit einbezogen werden, von Wissenschaftlern der Technischen Hochschule Nürnberg und der Universität Greifswald. Bei veganen Produkten sei der "'Wahre-Kosten-Anteil' geringer, weil sie bereits umweltfreundlicher hergestellt werden", heißt es im Aktionsprospekt des Discounters.
Die Berücksichtigung dieser versteckten Kosten erhöht den Produktpreis häufig beträchtlich. Die 300-Gramm-Packung Maasdamer Käse etwa verteuert sich dadurch um 94 Prozent von 2,49 auf 4,84 Euro. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler kommen zum "normalen" Preis noch versteckte Kosten in Höhe von 2,35 Euro hinzu: Allein 85 Cent für klimaschädliche Emissionen der Landwirtschaft wie Methan oder CO2. Außerdem addieren sich 76 Cent für die Bodenbelastungen durch die intensive Landwirtschaft zur Futterproduktion. Weitere 63 Cent kommen für die Auswirkungen des Pestizideinsatzes und anderer Faktoren auf die Gesundheit der Landwirte. Und noch einmal etwas mehr als 10 Cent für die Belastung des Grundwassers etwa durch Düngemittel.
Das steckt hinter der Penny-Aktion
Der Händler will mit dem Schritt mehr Bewusstsein für die Umweltbelastungen durch die Lebensmittelproduktion schaffen. "Wir sehen, dass viele unserer Kundinnen und Kunden unter den unverändert hohen Lebensmittelpreisen leiden. Dennoch müssen wir uns der unbequemen Botschaft stellen, dass die Preise unserer Lebensmittel, die entlang der Lieferkette anfallen, die Umweltfolgekosten nicht widerspiegeln", beschrieb Penny-Manager Stefan Görgens den Hintergrund der Aktion. Die Mehreinnahmen will die zur Rewe-Gruppe gehörende Kette für ein Projekt zum Klimaschutz und zum Erhalt familiengeführter Bauernhöfe im Alpenraum spenden.
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Twitter-Nutzer befürworten Pennys Preis-Aktion
Das Lebensmittel-Experiment erhielt von vielen Kunden Zuspruch. Ein Twitter-Nutzer bezeichnet es als "spannendes Experiment". "Der Beweis! Wir leben in einer Simulation. Penny betreibt mit der Aktion mehr Aufklärung über Umwelt- & Tierschutz, als unser grüner Landwirtschaftsminister Cem Özdemir es sich je trauen würde", heißt es in einem Tweet.
Penny verlangt eine Woche lang Preise, die die Kosten für Umweltverschmutzung involvieren.
— Peter Jelinek (@Peter_Jelinek) July 30, 2023
Spannendes Experiment. pic.twitter.com/Pdpx4a1PMv
Teuer-Schock bei Penny: Twitter-Wut wegen Boykott-Aufruf
Doch einige Menschen riefen auf dem sozialen Kurznachrichten dienst zum Boykott von Penny auf. Der Discounter würde den "Moralhammer" schwingen, heißt es unter anderem. Doch es gibt Gegenwind. "Bevor ihr zum Boykott von Penny aufruft, bitte informiert euch und lest nicht nur die Schlagzeilen", rät eine Twitter-Userin. "Penny verlangt eine Woche lang für neun seiner Produkte die "wahren Preise". Wer sich darüber jetzt beschwert, versteht offensichtlich nicht, dass dieser Preis auch sonst gezahlt wird: von der Umwelt, von ausgebeuteten Tieren und den kommenden Generationen", schreibt ein Nutzer auf Twitter.
Die Aktion wird aber auch von einigen Menschen aus anderen Gründen kritisiert. "Könnten wir einfach mal aufhören so zu tun, als müssten wir überall bei den Endverbraucher*innen ansetzen? Und einige glauben dann auch noch, sie könnten sich mit höheren Preisen irgendwie moralisch freikaufen. Derweil freuen sich die wahren Klimasünder und Lohndumper", findet eine Nutzerin. "So gut ich das einerseits finde: die Großmächte der Discounter - ganz vorne Aldi/Lidl - diktiert die Preise auf dem Lebensmittelmarkt. Penny zwingt Bauern so billig wie möglich zu produzieren, um nun die 'wahren Preise' für ihr Marketing zu nutzen. Das nennt man auch Doppelmoral", kritisiert ein User das Vorgehen.
Laufen Penny mit "Wahre-Kosten"-Aktion die Kunden weg?
"Das ist ein mutiger Schritt - gerade in Inflationszeiten", meint der Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf. Er prognostiziert: "Penny wird aller Voraussicht nach nicht viel von diesen Produkten verkaufen." Aber darum gehe es dem Unternehmen auch gar nicht. Es wolle Bewusstsein für Nachhaltigkeit schaffen und gleichzeitig die eigene Marke aufwerten, ist der Branchenkenner überzeugt.
Die Risiken der Aktion für den Discounter hält der Marketing-Fachmann für überschaubar - nicht zuletzt weil sie zeitlich befristet und auf wenige Produkte begrenzt ist. "Auch wenn die hohe Inflation zu großer Verunsicherung bei den Verbrauchern geführt hat: Ich glaube nicht, dass das die Aktion die Kunden vor den Kopf stößt - solange sie die Wahl haben, zu anderen Produkten zu greifen."
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bos/loc/news.de/dpa
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