Ob Spülmaschine, Kühlschrank oder Tablet - reparieren lohnt sich finanziell oft kaum. Die Bundesregierung will das mit dem Recht auf Reparatur ändern. Verbraucherschützer machen Druck. Ein Bundesland fördert die Reparatur von Haushaltsgeräten bereits mit 100 Euro.
Akkus von Smartphones lassen sich nicht wechseln und die Reparatur des Fernsehers ist teurer als ein neues Gerät: Aus Sicht von Verbraucherschützern muss sich das schnell ändern. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat die neue Bundesregierung aufgefordert, das geplante Recht auf Reparatur rasch umzusetzen. "Das hätten wir gerne innerhalb der ersten hundert Tage auf den Weg gebracht", sagte Verbandschef Klaus Müller der Deutschen Presse-Agentur.
Nicht teurer als Neuanschaffung! Verbraucherschützer fordern Recht auf Reparatur von Haushaltsgeräten
Die Nachhaltigkeit von Haushaltsgeräten und Elektronikprodukten müsse deutlich besser werden, betonte Müller. "Viele Menschen ärgern sich ständig, weil etwas kaputt geht und man es dann wegwerfen muss. Das ist schlecht für den Geldbeutel und ein gutes ökologisches Gewissen hat man dabei auch nicht." Die Reparatur von Elektrogeräten dürfe nicht teurer als die Anschaffung eines neuen Gerätes sein.
"Reparieren statt wegschmeißen!" Ersatzteile für Haushaltgroßgeräte müssen bis zu 10 Jahre verfügbar sein
Seit März 2021 gilt in der EU bereits eine Ökodesign-Richtlinie mit dem Prinzip "reparieren statt wegschmeißen". Hersteller von Waschmaschinen, Spülmaschinen, Kühlschränken und anderen großen Haushaltsgeräten müssen dafür sorgen, dass Ersatzteile sieben bis zehn Jahre lang verfügbar sind. Da geht es vor allem um Kleinteile wie Dichtungen oder Sprüharme von Geschirrspülern. Außerdem müssen die Produkte so gebaut sein, dass man sie mit herkömmlichen Werkzeugen auseinanderbauen kann, ohne etwas kaputt zu machen.
So soll der riesige Berg an Elektroschrott reduziert werden, der sich jährlich in Europa anhäuft. Statistisch gesehen produziert jeder Deutsche im Jahr mehr als zehn Kilo Elektroschrott. Den aktuellsten Daten des Statistischen Bundesamts zufolge wurden im Jahr 2018 insgesamt 853.000 Geräte weggeworfen. Nach Angaben des Europäischen Parlaments werden nur knapp 42 Prozent des in der EU anfallenden Elektroschrotts recycelt.
Verlängerte Gewährleistungsfrist, kostenlose Reparatur und Co.! Das plant die Ampel-Koalition
Verbraucherschützern und auch der neuen Ampel-Koalition reichen die geltenden Vorgaben daher nicht aus. SPD, Grüne und FDP wollen ein Recht auf Reparatur auch für kleinere Geräte wie Handys und Laptops auf EU-Ebene durchsetzen. Außerdem soll die Gewährleistungsfrist länger werden, in der Verbraucher ihr defektes Gerät einschicken und kostenlos reparieren lassen können. Laut Koalitionsvertrag sollen die Hersteller auch Reparaturanleitungen veröffentlichen, so dass man defekte Bauteile wie Handyakkus selbst tauschen kann.
"Viel zu oft wird doch ein Produkt nicht repariert, sondern einfach durch ein neues ersetzt", sagte Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) zu ihrem Amtsantritt der "Süddeutschen Zeitung". Einfachste Reparaturen scheiterten daran, dass Geräte verklebt oder mit Spezialschrauben versehen seien. "Das zu ändern ist sozial und auch ökologisch ein Gewinn."
Die Verbraucherzentralen wollen aber nicht nur, dass sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für eine Reform stark macht, sondern auch dass sie selbst aktiv wird. Die Mehrwertsteuer auf bestimmte Reparaturen solle gesenkt werden, damit sie sich eher lohnen, fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband.
Reparaturindex soll Verbrauchern bei Kaufentscheidung helfen
Außerdem solle in Deutschland ein sogenannter Reparaturindex eingeführt werden, mit dem schon auf der Verpackung auf einen Blick erkennbar ist, wie gut sich ein Produkt reparieren lässt. Ohne Informationen über Reparaturkosten und Haltbarkeit könnten sich Verbraucher schwer für die nachhaltige Option entscheiden, argumentieren die Verbraucherschützer.
Laut einer Kantar-Umfrage im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands erwarten Verbraucher nicht nur, dass ein Gerät lange hält, sondern auch, dass Ersatzteile langfristig verfügbar sind, dass die Reparaturkosten verhältnismäßig sind und dass die Reparatur technisch einfach zu machen ist.
100-Euro-Reparatur-Bonus in Thüringen
Thüringen ist als erstes Bundesland bereits vorgeprescht und hat die Reparatur von Haushaltgeräten bezuschusst. Bürger, die ein "kaputtes Haushalts-Elektrogerät reparieren lassen, bekommen die Hälfte der Reparaturkosten erstattet", heißt es vom Thüringer Umweltministerium. Pro Person und Kalenderjahr konnte man maximal 100 Euro Reparatur-Bonus erhalten. Das Projekt kommt an. Innerhalb weniger Monate war der Fördertopf von 400.000 Euro leer. Nun plant das Ministerium eine zweite Phase.
Kein positiver Effekt für Umwelt! Industrie lehnt "Recht auf Reparatur" ab
Die deutsche Industrie zeigt sich offen für einen Reparaturindex und auch für ein Recht auf Reparatur. Es müsse aber an die jeweiligen Produkte angepasst sein, erklärte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands BDI, Holger Lösch. Bei großen Haushaltsgeräten könne es ökologisch sinnvoller sein, neue, energieeffiziente Produkte zu kaufen, als alte zu reparieren.
Der Digitalverband Bitkom fordert Augenmaß bei den Vorschriften für Ersatzteile. "Wenn künftig sämtliche Ersatzteile auf Halde produziert und eingelagert werden, kippt die Umweltbilanz eines 'Rechts auf Reparatur' schnell ins Minus", sagte Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder der Deutschen Presse-Agentur. Die Geräte würden dann definitiv teurer - und ein positiver Effekt für die Umwelt sei nicht nachgewiesen.
Schon jetzt habe mehr als jeder Dritte sein Smartphone reparieren lassen, wenn es einen Schaden hatte. 17 Prozent hätten einen Defekt einer Bitkom-Studie aus dem Oktober zufolge auch schon einmal selbst repariert. "Das zeigt: Es gibt eine große Nachfrage nach Reparaturleistungen, denen heute bereits eine entsprechend breites Angebot gegenübersteht", sagte Rohleder.
Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass Smartphones und Tablets deutlich komplexer seien als Toaster oder andere Haushaltsgeräte. "Sie könnten nicht so flach, leicht und leistungsfähig und obendrein wasser- und staubdicht sein, wenn sie so konstruiert wären, dass man sie einfach aufschrauben uns auseinandernehmen könnte", sagte Rohleder. Wichtiger als die Reparierbarkeit sei daher, dass die Geräte selten kaputt gehen - dafür seien teils spezielle Klebstoffe und Konstruktionen nötig. "In vielen Fällen würde ein Reparierbarkeitsindex also genau die falschen Signale geben", sagte Rohleder.
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bua/news.de/dpa