Die Corona-Pandemie versetzte der deutschen Wirtschaft einen gewaltigen Dämpfer. Steuererhöhungen sollen die Löcher in den Kassen wieder stopfen. Doch Wirtschaftsexperten haben einen anderen Vorschlag: Die Deutschen sollen einfach mehr arbeiten und weniger Urlaub machen.
Die Corona-Pandemie setzte der deutschen Wirtschaft im vergangen Jahr mächtig zu. Das Bruttoinlandsprodukt sank um knapp fünf Prozent. Experten warnen vor enormen Kosten, die auf die Deutschen nun zurollen. Eine aktuelle Studie vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, wie man das Wachstum schnell wieder ankurbeln könnte. Arbeitnehmer:innen dürfte die Idee jedoch gar nicht gefallen. Die Deutschen sollen nämlich mehr arbeiten und weniger Urlaub machen!
Finanzielle Belastung durch Corona-Pandemie: Längere Arbeitszeiten und weniger Urlaub sollen Steuererhöhungen verhindern
"Die finanziellen Lasten aus der Pandemie können wir jahrzehntelang vor uns herschieben – oder wir nutzen Potenziale, die bisher brachliegen", sagte IW-Direktor Michael Hüther gegenüber der "Bild". Demnach sollen die Deutschen pro Woche mindestens 36 Stunden arbeiten. 2019 lag der Durchschnitt bei 34 Stunden pro Woche. Auch die Anzahl der Urlaubstage müsse reduziert werden. So sollten 1,5 Wochen Urlaub wegfallen. Die Schweiz dient den Experten dabei als Vorbild.
IW-Studie fordert mehr Vollzeit für Frauen durch mehr Kitaplätze
"Viele Frauen beispielsweise arbeiten unfreiwillig in Teilzeit, weil Kitaplätze fehlen. Allein für die Unter-Dreijährigen fehlen 340.000 Betreuungsplätze. Diese Versäumnisse aus den vergangenen Jahrzehnten kommen uns jetzt teuer zu stehen. Um die Krisenfolgen zu bewältigen, müssen wir jetzt alle mit anpacken", sagt Hüther weiter. Durch die Reduzierung von Teilzeit könne die Arbeitsleistung enorm gesteigert werden. So könne durch bis zu 7,7 Milliarden zusätzlichen Arbeitsstunden im Jahr die Wirtschaftsleistung bis zu 6 Prozent innerhalb von zehn Jahren steigen. Dadurch könnten Steuererhöhungen vermieden werden.
"Ein Vorschlag erdacht, um Malochende zu knechten!" Heftige Kritik an IW-Vorschlag
Doch Ökonomen warnen vor einem gegenteiligen Effekt. "Das Verlangen nach Work-Life-Balance bei zunehmendem Fachkräftemangel wird eher dazu führen, dass die Menschen in Teilzeit ausweichen und dann nicht viel gewonnen ist. Ich setze zur Wohlstandssteigerung am ehesten auf Innovation", sagt Lars Feld gegenüber der "Bild". Auch Vertreter aus Politik sehen den Vorschlag skeptisch. "Höhere Wochenarbeitszeiten führen nicht automatisch zu höherer Produktivität", warnt FDP-Fraktionsvize Michael Theurer in der "Bild". Er fordert flexiblere Arbeitszeiten und individuelle Vereinbarungen in den Betrieben.
"Ein Vorschlag erdacht, um Malochende zu knechten & die reichsten 1% vor Millionärsabgabe zu schützen. Die Wirtschaftslobby schlägt ernsthaft vor, alle sollen 1,5Wochen Urlaub opfern. Das trifft jene besonders, die hart am Limit arbeiten wie Pflegekräfte", kritisiert SPD-Politikerin Katja Kipping den Vorschlag auf Twitter. Und weiter: "Hier deutet sich an, was nach der Bundestagswahl droht: Die Kosten der #Corona-Krise werden einseitig abgewälzt auf Beschäftigte & Arme. Besser wäre eine einmalige Vermögensabgabe für das reichste ein Prozent und Konzerne wie Amazon zur Kasse zu bitten."
Ein Vorschlag erdacht, um Malochende zu knechten & die reichsten 1% vor Millionärsabgabe zu schützen. Die Wirtschaftslobby schlägt ernsthaft vor, alle sollen 1,5Wochen Urlaub opfern. Das trifft jene besonders, die hart am Limit arbeiten wie Pflegekräfte. https://t.co/TbLizCGRdl
— Katja Kipping (@katjakipping) June 15, 2021
Arbeitnehmer:innen wüten in den sozialen Medien gegen IW-Vorschlag
Auch auf den Social-Media-Plattformen regt sich bereits Widerstand gegen die Forderung. "Dann wird sich auch die Zahl der Menschen mit Burnout verdoppeln. Ich denke nicht das der Ruf nach immer mehr Arbeitsleistung einen positiven Effekt auf die Wirtschaft haben wird. Irgendwann kann der Mensch einfach nicht mehr. Er ist schließlich keine Maschine", kritisiert ein Facebook-Nutzer den Vorschlag des IW.
"Weniger Urlaub, mehr Arbeitsstunden, Arbeit bis zum 68 Lebensjahr und das bei stetig steigenden geistigen und körperlichen Anforderungen an den Arbeitnehmer... Gehts noch? Ich denke eher es wird Zeit für eine sozialere Wirtschaft. Eine Unmenschliche benötigen wir hier in Deutschland nicht. Ihr solltet euch für solch einen Vorschlag schämen", heißt es weiter.
Quelle: Studie vom Institut der deutschen Wirtschaft
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bua/fka/news.de