Von news.de-Redakteur Martin Walter - Uhr

Müller Milch und NPD: Wenn Gerüchte Millionen kosten

Unterstützt Müller Milch die NPD? Gehört Warsteiner zu Scientology? Böse Gerüchte können für Unternehmen zu einem teuren Ärgernis werden. Einmal richtig in Umlauf gebracht, dauert es Jahre, sie wieder loszuwerden.

Theo Müller und seine Molkerei Müller Milch müssen sich seit Jahrzehnten mit Nazi-Verdächtigungen herumschlagen. (Foto) Suche
Theo Müller und seine Molkerei Müller Milch müssen sich seit Jahrzehnten mit Nazi-Verdächtigungen herumschlagen. Bild: dpa

Fast jeder Deutsche kennt Müller Milch. Die inhabergeführte Großmolkerei aus dem bayerischen Aretsried geizt nicht bei ihren Werbekampagnen. Prominente Gesichter wie die Fußballer Thomas und Gerd Müller sind in Fernsehspots des Konzerns zu sehen, der unter anderem den «Joghurt mit der Ecke» produziert. Kürzlich hat sich das Unternehmen die glamourösen Geissens als Werbefiguren gesichert. Die Proll-Millionäre fungieren als Aushängeschild für eine neue Joghurt-Edition namens «de Luxe».

Bei all dem Werbeglanz haftet dem Unternehmen allerdings seit Jahren auch ein böses Gerücht an. Es hält sich hartnäckig, zäh wie Kaugummi. Müller Milch unterstütze die NPD, heißt es. In unzähligen Kettenmails hat es über Jahre hinweg Verbreitung gefunden, es wird zum Boykott von Müller-Produkten aufgerufen. Die Online-Enzyklopädie Wikipedia widmet der vermeintlichen Verbindung zwischen Müller Milch und der rechtsextremen Partei einen ganzen Abschnitt. Woher stammen diese Behauptungen, die laut Müller völlig «haltlos und falsch» sind?

Etwas Licht ins Dunkel bringt ein Blick ins Jahr 1989. Damals soll Firmenchef Theo Müller auf eine getürkte Anfrage des einstigen Magazins Wiener hereingefallen sein. Die Zeitschrift startete, als «Freundeskreis deutscher Republikaner» getarnt, Unterstützungsanfragen bei Firmenchefs. Müller, seines Zeichens CSU-Mitglied, ließ sich auf ein Gespräch mit dem «Freundeskreis» ein. Auch wenn er die dabei getroffenen Äußerungen später vehement dementierte: Der Grundstein für ein gefährliches Gerücht war gelegt.

Multi-Kulti fördern

Durch die viralen Kommunikationswege des Internets erhielten die Verdächtigungen einige Jahre später einen neuen Schub. Sie schaukelten sich so weit hoch, dass sich Müller Milch 2007 zu einer Pressemitteilung veranlasst sah und darin sein kategorisches «Nein» zur NPD zum Ausdruck brachte.

Verstummt sind die Gerüchte dadurch nicht. Immer noch melden sich regelmäßig Verbraucher bei dem Unternehmen und haken nach, wie Sprecher Alexander Truhlar auf Nachfrage von news.de bestätigt. Auch wer nach Müller Milch googelt, kommt kaum an der Sache vorbei. Weit vorne erscheint der Eintrag «Müller Milch NPD».

«Den Google-Treffer wird man nicht mehr los», prophezeiht der Internetexperte Peter Breuer dem Unternehmen einen Makel für die Ewigkeit. Zahlreiche Blogs und Foren mit Diskussionen um Müller Milch listet die Suchmaschine, viele sind mehrere Jahre alt. «Das Blog ist ein demokratischer Journalismus, der möglicherweise nicht unbedingt durch eine Gegenrecherche lebt», erklärt Breuer die tendenziösen Einträge.

Warsteiner kostet Scientology-Gerücht Millionen

Doch welche Optionen verbleiben im Zeitalter des Internets, derartige Unterstellungen nachhaltig zu entkräften? «Wir machen es über Leistung zeigen und hervorragende Produkte», sagt Alexander Truhlar und spricht davon, sich intensiv mit allen Verbrauchern und Anrufern auseinanderzusetzen, die wegen des Themas bei Müller anfragen.

Peter Breuer bringt einen anderen Ausweg aus dem Langzeitdilemma ins Spiel. «Ich würde dem Unternehmen raten, ganz offen zu sein und möglicherweise eine Initivative zu unterstützen, die sich gegen rechts richtet oder ein Integrationsprojekt zu finanzieren», so Breuer. Sich zurückzuziehen sei genau die falsche Methode. «Große Multi-Kulti-Veranstaltungen mit Getränken versorgen und auf die Guerilla-Effekte setzen, mit denen das Netz Müller in seine Fänge bekommen hat», rät er.

Eine solche Initiative ist laut Truhlar derzeit kein Thema beim Molkerei-Konzern. Auch eine eigene Facebook-Seite, um die Gerüchte durch möglichst große Transparenz zu bekämpfen, sei nicht angedacht. Davon rät auch Breuer ab. Einen Facebook-Account müsse man rund um die Uhr moderieren. Das sei kaum zu leisten, so der Experte.

Der «Streisand»-Effekt

Wie schwierig es ist, einmal entstandene Gerüchte wieder aus der Welt zu schaffen, demonstriert das Beispiel der Warsteiner Brauerei. Mitte der 1990er Jahre tauchten Gerüchte auf, die das Unternehmen in die Nähe von Scientology rückten. Obwohl Warsteiner sich mit ganzseitigen Anzeigen gegen die Rufmordkampagne zur Wehr setzte, brach der Absatz ein. Erst ein 2010 ausgestrahlter Fernsehbeitrag verschaffte Warsteiner eine Art öffentliche Rehabilitation.

«Der Streisand-Effekt ist nicht zu unterschätzen», meint Breuer zur Krisenpoitik der Brauerei. Bezeichnet wird damit das Phänomen, durch den Versuch, eine Information zu unterdrücken, genau das Gegenteil auszulösen: nämlich die Information besonders bekannt zu machen. «Das Internet hat diesen Effekt noch verstärkt», so der Hamburger Werbetexter.

Ob Birkenstock und die NPD, Thalia und Scientology oder Beckers Bester und die Nazis: Die Liste der durch solche Gerüchte diskreditieren Firmen ist lang. Handfeste Beweise gibt es meist keine. Es drängt sich eher der Verdacht auf, dass konzertierte Rufmordkampagnen der Konkurrenz dahinter stecken.

Das glaubt Alexander Truhlar im Fall der Molkerei nicht. Geschadet haben die Gerüchte und Boykott-Aufrufe Müller Milch mit Sicherheit. Auch wenn sich die finanziellen Ausmaße kaum beziffern lassen. «Die Schadenssumme ist hypothetisch», so der Unternehmenssprecher. Man wisse ja nicht was wäre, wenn das Gerücht nicht in der Welt wäre. 

Immerhin scheint der Faktor Zeit die Negativspirale irgendwann doch zu entschleunigen. «Wir haben festgestellt, dass die positiven Reaktionen zunehmen», so Truhlar über die Rückmeldungen der Konsumenten. 23 Jahre nach dem Entstehen des Gerüchts.

zij/news.de