Helge Fuhst, Jörg Schönenborn, Elmar Theveßen - sie alle kennt man aus dem Fernsehen. Katrin Vernau ist eher unbekannt - doch sie machte am Donnerstag das Rennen um die WDR-Intendanz.
"Wirklich ein bisschen krimihaft" fand WDR-Rundfunkratsmitglied Corinna Blümel die Wahl von Katrin Vernau zur neuen WDR-Intendantin. Die bisherige WDR-Verwaltungsdirektorin setzte sich am Donnerstag in einer spannenden Stichwahl im historischen Kölner Tanzhaus Gürzenich gegen "Tagesthemen"-Moderator Helge Fuhst durch. Die 51-Jährige bekam 36 Stimmen, der 40-jährige Fuhst 18. Zuvor waren im ersten Wahlgang bereits die beiden Mitbewerber, WDR-Programmdirektor und "Presseclub"-Moderator Jörg Schönenborn (59) und ZDF-Washington-Studioleiter Elmar Theveßen (57), ausgeschieden.
Sie sei "ein bisschen überwältigt", sagte Vernau im Anschluss. Vor der Wahl hatte nicht festgestanden, ob es einen Favoriten geben würde, weil alle vier eine lange Biografie mitbringen und schon hohe Posten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekleideten.
Keiner der ursprünglich vier Kandidaten erreichte im ersten Wahlgang die Mehrheit - also mindestens 28 von 55 Stimmen. Deshalb war der zweite Wahlgang eine Stichwahl der beiden Bestplatzierten. Die Stimmverteilung im ersten Wahlgang fiel so aus: Vernau bekam 17 Stimmen, Fuhst 16, Schönenborn 15 und Theveßen 7 Stimmen.
Die gebürtige Baden-Württembergerin Vernau folgt auf Tom Buhrow (65), der keine dritte Amtszeit mehr anstrebte und vorzeitig zum Jahresende aufhört. Der frühere "Tagesthemen"-Moderator hatte 2013 nach seiner eigenen Wahl zum Intendanten erklärt, er bringe die Liebe mit. Danach gefragt, was sie mitbringe, antwortete Vernau nun: "Mut. Den Mut zur Veränderung."
Buhrow hinterlässt große Fußstapfen. Er reformierte im größten ARD-Sender. In den vergangenen Jahren gab es einen Sparkurs mit dem Abbau von Hunderten Arbeitsplätzen. Zuletzt entwarf Buhrow ein großes Bild des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der Zukunft.
Vernau sei "eine völlig integre Person", versicherte Buhrow. "Sie stellt ihre Handlungen unter Prinzipien, und die hält sie dann auch durch. Sie ist nicht nur eine Zahlenfrau, sondern sie ist eine Person, die sich für den gesamten Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks interessiert." Der Medienminister von Nordrhein-Westfalen Nathanael Liminski (CDU) beschrieb Vernau als erfahrene Führungskraft.
Der WDR hat innerhalb der ARD eine besondere Machtposition durch seine Größe. Die Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag lagen in dem bevölkerungsreichsten Bundesland bei rund 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2023, gut 4100 Festangestellte und mehr als 2400 freischaffende Mitarbeiter sind für den Sender tätig. Mit Argusaugen dürfte beobachtet werden, wie Vernau mit den anderen ARD-Senderchefs und auch mit dem ZDF künftig zusammenarbeitet. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht derzeit unter hohem Spar- und Reformdruck.
In der Vorstellungsrunde vor dem Rundfunkrat hatte Vernau vor der Wahl acht Punkte präsentiert, wie sie den öffentlich-rechtlichen ARD-Sender in die Zukunft führen will. Sie sprach sich unter anderem für mehr Regionalität, mehr Mut zur Gestaltung der ARD-Reformen und mehr Kooperationen mit privaten Unternehmen etwa auf dem Feld Künstliche Intelligenz aus. Die notwendige Transformation des WDR gehe deutlich über eine journalistische Aufgabe hinaus, sagte Vernau. Im Gegensatz zu den drei anderen Kandidaten ist die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin von Haus aus keine Journalistin. Anders als bei den anderen Kandidaten fiel ein weiteres Detail in der Wahlsitzung auf: Die Rundfunkratsmitglieder hatten am Ende offenbar keine offenen Fragen mehr an Vernau - denn die vorgegebenen 20 Minuten Fragezeit, die auf einem großen Screen runterzählten, wurden bei der Managerin nicht ausgeschöpft.
Auf die Frage aus dem Rundfunkrat, warum man darauf vertrauen könne, dass sie die Richtige sei, antwortete sie: "Weil ich es schon einmal gemacht habe." 2022 war sie in einer Krisensituation für ein Jahr befristet zur Interimsintendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) gewählt worden. Ihre Mission galt als erfolgreich, danach wurde sie gleichwohl wieder nach Köln zurückgeschickt. Letztlich eine glückliche Fügung, weil der WDR viel größer ist als der RBB? Sie sei absolut nicht karrieregetrieben, und deshalb spiele die Größe des Senders keine ausschlaggebende Rolle, antwortete Buhrow für sie.
Die Interims-Chefin hatte beim RBB in beachtlichem Tempo wieder Struktur zurückgebracht. Sie klärte intern auf, beendete das kostenexplodierende Bauprojekt Digitales Medienhaus, stärkte die Innenrevision, legte die drohende Millionenlücke offen und schob einen 49-Millionen-Euro-Sparplan samt Stellenabbau an. Sie legte in den Landtagen von Brandenburg und Berlin Rechenschaft ab. Sie kündigte Geschäftsleitungsmitgliedern. All das brachte ihr Respekt ein. Als Buhrow am Donnerstag den Gürzenich verließ, versicherte er der Deutschen Presse-Agentur: "Ein großer Tag für den WDR."
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