Kurz vor Beginn des neuen Jahres wendet sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer traditionellen Neujahrsansprache an die Nation. So sehen Sie die Neujahrsrede von Angela Merkel in TV, Live-Stream und Wiederholung.
Seit 50 Jahren ist der Regierungschef nicht mehr Weihnachtsredner, sondern übernimmt den politischen Rück- und Ausblick am Silvesterabend - genannt Neujahrsansprache. Seit 15 Jahren ist es eine Regierungschefin, nämlich Bundeskanzlerin Angela Merkel. Durch den Tonfall und das Umfeld wirkt die Ansprache wie eine persönliche Botschaft, die von einem Wohn- oder Arbeitszimmer in Millionen andere Zimmer geschickt wird.
Auch zum Jahreswechsel 2020/21 wird sich Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache an die Bundesbevölkerung richten, um das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und einen Ausblick auf das kommende Jahr 2021 zu geben.
Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin Angela Merkel 2020/21 im Live-Stream und TV - Alle Sendetermine
Die Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel steht am Donnerstag, dem 31.12.2020 im TV-Programm. Um 20.10 Uhr wird am Silvesterabend die aufgezeichnete Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin im Ersten in der ARD ausgestrahlt. Parallel dazu haben Sie nicht nur im Live-Stream der ARD-Mediathek, sondern auch im NDR (Norddeutscher Rundfunk), WDR (Westdeutscher Rundfunk), SR/SWR (Südwestrundfunk), HR (Hessischer Rundfunk), RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg) und bei Tagesschau24 die Möglichkeit, die Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin 2020/2021 zu verfolgen.
Neujahrsansprache 2020/21 verpasst? Rede von Angela Merkel als Wiederholung
Sollten Sie am Silvesterabend keine Möglichkeit haben, die Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel in TV oder Live-Stream zu sehen und zu hören, lohnt sich ein Blick in die Online-Angebote der Öffentlich-Rechtlichen. Die Neujahrsansprache 2020/2021 wird nach der TV-Ausstrahlung in den Mediatheken abrufbar sein. Außerdem finden Sie die aufgezeichnete Ansprache zum neuen Jahr 2021 auch auf deroffiziellen Internetseite der Bundeskanzlerin.
Neujahrsansprache zu Bundeskanzlerin Merkel zu Corona: "Es wird noch eine ganze Zeit an uns allen liegen"
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer Neujahrsansprache weiter zu Zusammenhalt im Kampf gegen das Coronavirus aufgerufen und den Menschen gedankt. "Es wird noch eine ganze Zeit an uns allen liegen, wie wir durch diese Pandemie kommen", sagte die CDU-Politikerin laut vorab verbreitetem Text in ihrer voraussichtlich letzten Neujahrsansprache als Regierungschefin. "Die neben dem Impfstoff wirksamsten Mittel haben wir selbst in der Hand, indem wir uns an die Regeln halten, jeder und jede von uns." Sie sei immer wieder dankbar, wie diszipliniert die allermeisten Menschen Masken trügen und sich um Abstand bemühten.
Die Kanzlerin betonte, am Ende eines "atemlosen Jahres" gelte es auch, innezuhalten und zu trauern. "Wir dürfen als Gesellschaft nicht vergessen, wie viele einen geliebten Menschen verloren haben, ohne ihm in den letzten Stunden nah sein zu können." Sie könne nur ahnen, wie bitter es sich für diese Menschen anfühlen müsse, wenn von einigen Unverbesserlichen das Virus bestritten und geleugnet werde. "Verschwörungstheorien sind nicht nur unwahr und gefährlich, sie sind auch zynisch und grausam diesen Menschen gegenüber."
Hoffen ließen sie die nun angelaufenen Impfungen zunächst bei alten Menschen, ihren Pflegekräften und bei Personal auf Intensivstationen. "Tagtäglich werden es mehr, schrittweise werden andere Alters- und Berufsgruppen dazukommen - und dann alle, die es möchten", sagte Merkel.
Der Impfstart am vergangenen Wochenende hatte auch eine Debatte losgetreten, inwieweit Geimpfte anders behandelt werden dürften, als Nicht-Geimpfte. "Eine Vorzugsbehandlung für Geimpfte birgt die Gefahr der Spaltung der Gesellschaft. Zwischen bereits Geimpfte und nicht Geimpfte dürfen wir keinen Keil treiben", sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag).
Der für den CDU-Vorsitz kandidierende Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz will Corona-Geimpften hingegen mehr Freiheitsrechte einräumen. Man könne einer immer größer werdenden Bevölkerungsgruppe von Geimpften, Gesunden und Genesenen nicht pauschal die Grundrechte vorenthalten, weil eine immer kleinere Gruppe nach wie vor durch das Virus gefährdet sei, sagte Merz den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag). Norbert Röttgen, der ebenfalls für den CDU-Vorsitz kandidiert, sagte der "Welt" (Donnerstag): "Natürlich muss man Schlüsse daraus ziehen, wenn jemand andere nicht mehr gefährden kann. Wenn die praktischen Fragen gelöst sind und es für die Einschränkungen keinen sachlichen Grund mehr gibt, dann müssen sie aufgehoben werden."
Derzeit ist noch unklar, inwieweit eine Corona-Impfung nicht nur vor der Krankheit selbst, sondern mangels Infektionsgefahr durch Geimpfte auch andere Personen vor einer Ansteckung schützt. Der Impfstoffhersteller Biontech erwartet dazu erst im Februar Forschungsergebnisse.
Die Zahl der gemeldeten Todesfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus in Deutschland hatte am Mittwoch zum ersten Mal die Marke von 1.000 überschritten und damit einen Höchststand erreicht. Binnen einen Tages übermittelten die deutschen Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) 1.129 neue Todesfälle. Außerdem wurden 22.459 Neuinfektionen gemeldet. Der Tageshöchststand ist aus Sicht des RKI wohl auch durch Nachmeldungen bedingt. "Die plausibelste Erklärung ist die, dass es eben verzögerte Meldungen sind von Todesfällen", sagte RKI-Chef Lothar Wieler am Mittwoch in Berlin.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat mit Blick auf die Corona-Zahlen an die Vernunft der Bürger zu Silvester appelliert. "Je schneller die Infektionszahlen sinken, desto schneller geht es für unsere Wirtschaft wieder bergauf", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag). "Wir müssen daher auch in den nächsten Tagen und vor allem auch über Silvester und Neujahr sehr vorsichtig sein und nur im engsten Kreis feiern, denn sonst gefährden wir nicht nur die Gesundheit unserer Mitmenschen, sondern auch unsere Wirtschaft."
Positive Ergebnisse von Corona-Tests müssen mit Beginn des neuen Jahres digital von den Laboren an die Gesundheitsämter gemeldet werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte der dpa: "So lassen sich Infektionsketten schneller nachvollziehen und unterbrechen." Die Zeit, in der Nachweise über Neuinfektionen per Fax geschickt und dann per Hand in die Systeme der Ämter übertragen wurden, sei damit endgültig vorbei.
Die vollständige Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Wortlaut
Nach der TV-Ausstrahlung der Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Silvesterabend 2020 können Sie die gesamte Rede an dieser Stelle im Wortlaut nachlesen.
Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Angela Merkel, am 31. Dezember 2020
Liebe Mitbürgerinnen und liebe Mitbürger, was für ein Jahr liegt hinter uns!
2020 ist etwas über uns gekommen, womit die Welt nicht gerechnet hatte. Ein bis dahin unbekanntes Virus dringt in unsere Körper und unsere Leben ein. Es trifft uns da, wo wir am allermenschlichsten sind: im engen Kontakt, in der Umarmung, im Gespräch, beim Feiern. Das Virus macht normales Verhalten zu einem Risiko - und ganz ungewohnte Schutzmaßnahmen normal.
2020, dieses Jahr der Pandemie, war ein Jahr des Lernens. Wir mussten im Frühjahr auf ein Virus reagieren, über das es kaum gesichertes Wissen und Informationen gab. Wir mussten Entscheidungen treffen, von denen wir zunächst nur hoffen konnten, dass sie sich als richtig erweisen würden.
Die Coronavirus-Pandemie war und ist eine politische, soziale, ökonomische Jahrhundertaufgabe. Sie ist eine historische Krise, die allen viel und manchen zu viel auferlegt hat. Ich weiß, dass es ungeheures Vertrauen und Geduld von Ihnen verlangt hat und weiter verlangt, sich auf diesen historischen Kraftakt einzulassen. Dafür danke ich Ihnen von ganzem Herzen.
Am Ende dieses atemlosen Jahres heißt es auch, einmal innezuhalten - und zu trauern. Wir dürfen als Gesellschaft nicht vergessen, wie viele einen geliebten Menschen verloren haben, ohne ihm in den letzten Stunden nah sein zu können. Ich kann ihren Schmerz nicht lindern. Aber ich denke an sie, gerade auch heute Abend.
Ich kann nur ahnen, wie bitter es sich anfühlen muss für die, die wegen Corona um einen geliebten Menschen trauern oder mit den Nachwirkungen einer Erkrankung sehr zu kämpfen haben, wenn von einigen Unverbesserlichen das Virus bestritten und geleugnet wird. Verschwörungstheorien sind nicht nur unwahr und gefährlich, sie sind auch zynisch und grausam diesen Menschen gegenüber.
2020 war bestimmt von Sorge und Ungewissheit. Zugleich war es aber auch ein Jahr, in dem so viele über sich hinausgewachsen sind, ohne das an die große Glocke zu hängen. Das beweisen uns die Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte in Krankenhäusern, Pflegeheimen und anderen Einrichtungen. Das zeigt sich bei den Mitarbeitern der Gesundheitsämter, die so plötzlich ins Zentrum des Kampfes gegen das Virus gerückt sind. Das sehen wir an der Einsatzfreude unserer Bundeswehr, die an allen Ecken und Enden Unterstützung leistet.
Unzählige Menschen haben dazu beigetragen, dass unser Leben trotz Pandemie weiter möglich war: in den Supermärkten und im Gütertransport, in den Postfilialen, in Bussen und Bahnen, auf den Polizeiwachen, in den Schulen und Kitas, in den Kirchen, in den Redaktionen.
Ich bin auch immer wieder dankbar dafür, wie diszipliniert die allermeisten Menschen ihre Masken tragen, wie sie sich um Abstand bemühen. Darin drückt sich für mich aus, was ein Leben in einer menschenfreundlichen Gesellschaft erst möglich macht: Rücksichtnahme auf andere, die Einsicht, sich selbst auch einmal zurückzunehmen, das Bewusstsein von Gemeinsinn.
Diese Haltung von Millionen von Mitbürgern hat uns auf unserem bisherigen Weg durch die Pandemie manches erspart. Sie wird auch im kommenden Jahr nötig sein.
Was lässt mich hoffen?
Seit wenigen Tagen hat die Hoffnung Gesichter: Es sind die Gesichter der ersten Geimpften, der ganz Alten und ihrer Pfleger und Pflegerinnen, des medizinischen Personals auf den Intensivstationen - nicht nur bei uns, sondern in allen europäischen und vielen anderen Ländern. Tagtäglich werden es mehr, schritt-weise werden andere Alters- und Berufsgruppen dazukommen – und dann alle, die es möchten. Auch ich werde mich impfen lassen, wenn ich an der Reihe bin.
Hoffen lassen mich auch die Wissenschaftler - weltweit, aber gerade auch bei uns in Deutschland. Der erste verlässliche Coronatest wurde hier entwickelt - und nun auch der erste in Europa und vielen Ländern der Welt zugelassene Impfstoff. Er ist aus der Forschungsarbeit eines deutschen Unternehmens hervorgegangen und wird jetzt als deutsch-amerikanische Koproduktion hergestellt.
Die Gründer Ugur Sahin und Özlem Türeci aus Mainz haben mir erzählt, dass Menschen aus 60 Nationen in ihrem Unternehmen arbeiten. Nichts könnte besser zeigen, dass es die europäische und internationale Zusammenarbeit, dass es die Kraft der Vielfalt ist, die den Fortschritt bringt.
Die Aufgaben, vor die die Pandemie uns stellt, bleiben gewaltig. Bei vielen Gewerbetreibenden, Arbeitnehmern, Solo-Selbstständigen und Künstlern herrschen Unsicherheit, ja Existenzangst. Die Bundesregierung hat sie in dieser ganz unverschuldeten Notlage nicht allein gelassen. Staatliche Unterstützung in nie dagewesener Höhe hilft. Verbesserte Kurzarbeitsregeln greifen. Arbeitsplätze können so bewahrt werden.
Ist also auch im neuen Jahr alles Corona? Nein, und das war es auch im alten nicht. Nicht erst seit Beginn der Pandemie verändert sich die Welt, in der wir leben, rasant und grundlegend.
Umso wichtiger ist es, dass Deutschland mit all seiner Kraft und seiner Kreativität mutige Ideen für die Zukunft entwickelt. Dass unser Wirtschaften, unsere Mobilität, unser Leben klimaschonend wird. Dass alle Menschen in Deutschland von gleichwertigen Lebensverhältnissen und echter Bildungsgerechtigkeit profitieren können. Dass wir uns auch mit Europa besser behaupten in der globalisierten, digitalisierten Welt.
Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger, diese Tage und Wochen, da gibt es nichts zu beschönigen, sind schwere Zeiten für unser Land. Und so wird es auch noch eine ganze Weile bleiben. Es wird noch eine ganze Zeit an uns allen liegen, wie wir durch diese Pandemie kommen. Der Winter ist und bleibt hart.
Wir wissen ja, was wir dem Virus entgegensetzen können. Die neben dem Impfstoff wirksamsten Mittel haben wir selbst in der Hand, indem wir uns an die Regeln halten, jeder und jede von uns. Wir alle zusammen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas Persönliches sagen: In neun Monaten ist Bundestagswahl, zu der ich ja nicht wieder antreten werde. Dies ist deshalb heute aller Voraussicht nach das letzte Mal, dass ich mich als Bundeskanzlerin mit einer Neujahrsansprache an Sie wenden darf. Ich denke, ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Nie in den letzten 15 Jahren haben wir alle das alte Jahr als so schwer empfunden – und nie haben wir trotz aller Sorgen und mancher Skepsis mit so viel Hoffnung dem neuen Jahr entgegengesehen.
Und so wünsche ich Ihnen und Ihren Familien von Herzen Gesundheit, Zuversicht und Gottes Segen für das neue Jahr 2021.
Merkels wohl letzte Neujahrsansprache sehen fast neun Millionen
Etwa neun Millionen TV-Zuschauer haben Angela Merkels wohl letzte und 16. Neujahrsansprache am Donnerstagabend in ARD und ZDF eingeschaltet. 4,49 Millionen verfolgten die Ausstrahlung im Ersten nach der 20-Uhr-"Tagesschau" (17,5 Prozent Marktanteil ab 20.10 Uhr), 4,33 Millionen (18,0 Prozent ab 19.15 Uhr) waren es im ZDF. Merkel sagte darin gegen Ende: "In neun Monaten ist Bundestagswahl, zu der ich ja nicht wieder antreten werde. Dies ist deshalb heute aller Voraussicht nach das letzte Mal, dass ich mich als Bundeskanzlerin mit einer Neujahrsansprache an Sie wenden darf."
2017 hatte Merkel nach dem von Stimmenverlusten der Union begleiteten Sieg bei der Bundestagswahl und den gescheiterten Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition aus CDU/CSU/FDP/Grünen ihre Rede als nur geschäftsführende Kanzlerin gehalten. Dies könnte eventuell auch 2021 noch passieren.
Jahresrückblick mit Angela Merkel: Davon sprach die Bundeskanzlerin in der Neujahrsansprache 2019
In der Rede zum 31. Dezember 2019 sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Die 20er Jahre können gute Jahre werden." An das Coronavirus dachte noch niemand in Europa. Zum Klimawandel bekannte Merkel: "Ich bin mit meinen 65 Jahren in einem Alter, in dem ich persönlich nicht mehr alle Folgen des Klimawandels erleben werde, die sich einstellen würden, wenn die Politik nicht handelte."
So änderten sich die Neujahrsansprachen der Bundeskanzler im Laufe der Zeit
Von 1949 bis 1969 hat der Bundeskanzler an Weihnachten und der Bundespräsident an Silvester geredet. Gustav Heinemann und Kanzler Willy Brandt einigten sich ab 1970 darauf, die Rollen zu tauschen.
Brandt war es dann, der erstmals auch gleichberechtigt die Frauen mit ansprach: "Liebe Mitbürgerinnen." Bis heute gilt einigen das "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger" als SPD-Sprech, während konservative Politiker eher "Liebe Landsleute" sagten. Angela Merkel wäre nach dieser ungeschriebenen Regel eine Sozialdemokratin. SPD-Kanzler Helmut Schmidt sagte übrigens lieber: "Meine Damen und Herren."
Das Medium Fernsehen wurde für die Neujahrsansprache zum ersten Mal 1952 genutzt. Damals hielt Bundespräsident Theodor Heuss am Silvesterabend nach einer Rundfunkansprache auch eine kurze TV-Rede.
2020 war ein Jahr der Neuerungen: Angela Merkel sprach wiederholt per TV zur Bundesbevölkerung
Jenseits der Neujahrsansprache wenden sich Kanzler selten per Fernsehen direkt ans Volk. 2020 war es aber wieder soweit, als Angela Merkel am 18. März wegen der Corona-Pandemie eine Ansprache hielt: "Es ist ernst. Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt."
Ein anderes Beispiel ist Helmut Schmidts Anti-RAF-Rede zur Entführung von Hanns Martin Schleyer im Oktober 1977. Darin nannte der Kanzler die Attentäter "blindwütige Terroristen, die noch nicht am Ende ihrer kriminellen Energie" seien. "Während ich hier spreche, hören irgendwo sicher auch die schuldigen Täter zu. Sie mögen in diesem Augenblick ein triumphierendes Machtgefühl empfinden. Aber sie sollen sich nicht täuschen: Der Terrorismus hat auf die Dauer keine Chance. Denn gegen den Terrorismus steht nicht nur der Wille der staatlichen Organe, gegen den Terrorismus steht der Wille des ganzen Volkes."
Diese TV-Pannen bei der Neujahrsansprache gingen in die Fernsehgeschichte ein
Seit vielen Jahrzehnten strahlen die Sender die Ansprachen, sei es zu Weihnachten oder zum Jahreswechsel, als Aufzeichnungen aus. Bei Bundeskanzler Helmut Kohl kam es zu berühmten Pannen. Das Bayerische Fernsehen kündigte 1987 die vorproduzierten Kanzlerworte am Silvesterabend als "Weihnachtsansprache" an. Dann blieben die Bildschirme für zwei Minuten schwarz, bevor auch noch ein "Dinner for One"-Hinweis eingeblendet wurde. Der Jahr für Jahr wiederholte Sketch mit dem überforderten britischen Butler stand für den späteren Abend im Programm. Dann wurde es erneut schwarz, bis schließlich der Kanzler im Bild erschien und seine Rede hielt.
Zum Jahreswechsel 1986/'87 hatte der bei der ARD verantwortliche Norddeutsche Rundfunk (NDR) die Bänder verwechselt und statt der aktuellen Rede Kohls die von 1985 nach der 20-Uhr-"Tagesschau" im Ersten Programm gesendet.
Im Laufe des Abends blendete das Erste dann noch in seinem laufenden Programm - beim "ARD Wunschkonzert" mit Dagmar Berghoff und Max Schautzer - einen Text ein: "Durch ein Versehen ist die Neujahrsansprache des Bundeskanzlers heute Abend verwechselt worden. Die ARD entschuldigt sich dafür! Die korrekte Fassung wird morgen, am Neujahrstag, um 20.05 Uhr, nach der "Tagesschau" ausgestrahlt!"
Die Empörung in CDU und CSU war groß, die Suche nach etwaigen politischen Hintergründen - die Bundestagswahl stand Ende Januar 1987 bevor - blieb jedoch erfolglos.
Neujahrsansprachen gibt es nicht erst seit der Bundesrepublik. Ein Tiefpunkt dieser Tradition in Deutschland ist natürlich mit der Nazi-Zeit verbunden. Die Ansprache von Adolf Hitler am 31. Dezember 1944 hatte kein Wort des Bedauerns oder Mitgefühls für das Leiden der Ausgebombten. In seiner vorletzten öffentlichen Rede überhaupt nuschelte Hitler nur irgendwas vom Sieg Deutschlands, der einmal als "Wunder des 20. Jahrhunderts" gelten werde.
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loc/news.de/dpa