Dieses Manöver wird ohne Zweifel in die MotoGP-Geschichte eingehen: Nachdem Valentino Rossi beim Malaysia-GP seinen Konkurrenten Marc Márquez zu Fall brachte, steht die WM auf der Kippe. Die Motorrad-Szene diskutiert indes, wie es so weit kommen konnte.
Die Situation war seit Donnerstag angespannt, doch DAS hatte mit Sicherheit keiner kommen sehen. Beim Großen Preis von Malaysia in Sepang passierte in Runde sieben das Unfassbare: Nach mehreren harten Überholmanövern im Kampf um Platz drei hatte Valentino Rossi, WM-Führender in der MotoGP 2015, die Nase voll, bremste seinen spanischen Rivalen Marc Márquez aus und beförderte ihn anschließend mit einem unglücklichen Kniekick ins Aus. Márquez musste das Rennen aufgeben. Rossi fuhr auf Platz drei und behielt sieben Punkte Vorsprung auf seinen Verfolger und Teamkollegen Jorge Lorenzo.
MotoGP 2015 in Malaysia: Rossi und Márquez kollidieren - Strafe für den Neunfach-Weltmeister
Doch für Rossi kam das dicke Ende erst noch. Die Rennleitung brummte dem Italiener für die Aktion mit Márquez eine Drei-Punkte-Strafe auf. Da er bereits einen Strafpunkt auf seinem Konto hatte, muss er beim Saisonfinale in Valencia am 8. November von ganz hinten starten – die wohl schlechteste Voraussetzung, seinen zehnten Titel in der Motorrad-WM perfekt zu machen. Das Yamaha-Team legte Einspruch ein, jedoch ohne Erfolg. Der lachende Dritte des eskalierten Kriegs zwischen Rossi und Márquez könnte demnach Lorenzo sein. Und wer ist schuld daran? Darüber diskutieren Fahrer, Experten und Fans seit dem Vorfall in Sepang mit durchaus unterschiedlichen Ansichten.
Wer ist schuld am "Sepang Clash"? Valentino Rossi weist jede Absicht von sich und attackiert Marc Márquez
Rossi selbst war sich in einem ersten Statement keiner Schuld bewusst: "Unglücklicherweise kam er an mich herangefahren und ich denke, dass er in diesem Moment gestürzt ist." Auch viele Fans und einige Experten sahen Márquez' harte Gangart als ursächlich für die Eskalation. Immer wieder war von einer Art Ehrenkodex zu hören, dem zufolge Piloten, die nicht (mehr) um den WM-Titel kämpfen, eben jene, die noch um entscheidende Punkte buhlen, nicht unnötig behindern sollten. Genau das habe Márquez getan, so der Tenor aus dem Rossi-Lager.
Ob das tatsächlich der Fall war und als Rechtfertigung für Rossis Manöver gelten kann, wird von Kritikern indes berichtigt in Zweifel gezogen. Fakt ist: Rossi und Márquez haben sich in den ersten Runden von Sepang einen packenden Zweikampf geliefert. Keiner der beiden wollte nachgeben oder zurückstecken. Ob Márquez damit seinen Rivalen – wie Rossi behauptet – willentlich behindern oder – was logischer erscheint – um einen Podiumsplatz oder gar den Sieg kämpfen wollte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Was die Videoaufnahmen aber zweifelsohne zeigen: Den anschließenden Sturz hatte Rossi provoziert.
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Rossi drängt Márquez ab, Kniekick führt zum Sturz - Kurzschlussreaktion des MotoGP-Stars?
In Kurve 14 drängte er den Spanier bewusst nach außen und verlangsamte. Márquez versuchte die Linie zu halten; es kam zur Berührung, die schließlich in einem Sturz gipfelte, als Rossi sein linkes Knie sichtbar Richtung Márquez ausscherte. Zuvor hatte der Italiener seinem Unmut bereits mit einem eindeutigen Handgruß Luft gemacht und sich mehrfach nach Márquez umgedreht. Scheinbar waren dem erfahrenen MotoGP-Star die Sicherungen durchgebrannt. Das bestätigte selbst Yamaha-Motorsportchef Lin Jarvis in einem öffentlichen Statement.
"Dieses Manöver war eine Explosion seines Frusts, nachdem ihn Marc immer wieder massiv gestört hatte. Ihm sind einfach die Sicherungen rausgeflogen. Es tut mir sehr leid, dass durch diese Aktion Marc zu Sturz gekommen ist", gab dieser bekannt. Zugleich holte Jarvis aber auch gegen Márquez aus: "Marcs Verhalten in den ersten Runden war sicherlich eine Revanche für die Anschuldigungen Valentinos nach Phillip Island." Auf der Pressekonferenz zum Malaysia-GP und in Interviews mit der italienischen Presse hatte Rossi den Honda-Piloten offensiv beschuldigt, seinen WM-Sieg bewusst zu sabotieren und stattdessen Lorenzo zu helfen.
Pressekonferenz zum Malaysia-GP 2015: Rossi startet Nervenkrieg mit Márquez - mit Folgen auf der Rennstrecke
Im Nachhinein war das wohl der Stein des Anstoßes für die Ereignisse vom Sonntag. Rossis Verbalschlag brachte den Zweifach-Weltmeister von 2013 und 2014 nicht etwa zur Räson, wie sich das die Nummer 46 vielleicht erhoffte, sondern stachelte ihn erst recht an, im Rennen gegenzuhalten. Nur allzu verständlich, nachdem Rossi sogar angezweifelt hatte, in Márquez' Jugend tatsächlich dessen Idol gewesen zu sein. Der Neunfach-Champion sieht sich in seinen Verschwörungstheorien jedenfalls bestätigt: "Marquez hat seinen Kampf gewonnen. Er hat dafür gesorgt, dass ich die Weltmeisterschaft verliere", sagte er in Sepang.
Márquez selbst hatte hingegen wiederholt beteuert, sein eigenes Rennen fahren und sich in die WM-Entscheidung nicht einmischen zu wollen. Doch was Rossi heraufbeschwor, ist schließlich eingetreten – er selbst hat seinen Anteil daran. Schwer zu glauben, dass es dabei nur um den Titel ging. So twitterte David Emmett, Motorsportblogger: "And the real problem for Rossi is that he has met someone who is his equal in racecraft, can pass him the way he passes other riders." Das hat er in Sepang einmal mehr zu spüren bekommen – und die Nerven verloren. Mit den Folgen dürfte Rossi noch lange hadern.
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