Männer stehen auf heiße Stewardessen, Frauen auf muskulöse Feuerwehrmänner. Sexualpsychologe Dr. Javorszky erklärt news.de, welche Fantasien dahinterstecken.
Schulmädchenuniformen, Krankenschwesterkostümchen, Feuerwehrmänner, Stewardessen: Damit verbinden sehr viele Menschen einen Hauch Sexyness.
Kann man dabei gleich von Fetischismus sprechen?
Javorszky: Nein, Fetischismus wäre es, wenn man die Krankenschwester aus ihrer Tracht herausschält und sich anschließend an der Schwesterntracht vergeht.
Was macht den Reiz der Uniform an sich aus?
Javorszky: Die Depersonalisation; dass es eigentlich unwesentlich ist, welches Individuum in der Tracht steckt. Damit verneint man die Prägung auf ein bestimmtes Individuum.
Dann machen Verkleidungen manchem also auch deshalb Spaß, weil man keine emotionale Bindung zu einer Person aufbaut, sondern mit einer Rolle spielt?
Javorszky: Genau. Den Schulmädchenlook an sich findet manch ein Mann aufreizend, in den Klamotten stecken könnte aber jede halbwegs herzeigbare Frau. Die Aufmachung reizt, das ist bewusst oberflächlich und darf es bei solchen Spielchen auch sein.
Was macht aber den Reiz aus, selbst Uniform zu tragen?
Javorszky: Es mag sein, dass ich als Einzelperson eine Null bin, aber in meiner Rolle als Feuerwehrkommandant, Polizist oder Pilot doch etwas gelte. Bei Frauen ist es häufig der devote Wunsch zu gefallen.
Stehen eher Männer auf Uniformen oder Frauen?
Javorszky: Schwer zu sagen. Ihr Eindruck wird davon abhängen, mit wem Sie reden. Mir sind keine seriösen soziologischen Untersuchungen bekannt, die eine subkulturabhängige Neigung der Deindividuation untersucht hätten. Das wird sich nicht viel nehmen.
Warum stehen Männer dem Klischee nach gerade auf Krankenschwestern?
Javorszky: Es geht um die Fantasie des Tabubruchs. Es ist etwas Befreiendes darin, dass Moralapostel wichsen, Kardinäle Ministranten vernaschen, Minister Schwarzgelder nehmen und eben auch Krankenschwestern vögeln, obwohl sie doch Hygiene, Sauberkeit und Reinlichkeit verkörpern.
Was macht den Marineoffizier anziehend?
Javorszky: Das Wasser wird in der Tiefenpsychologie als Repräsentant des eigenen Unbewussten interpretiert. Jemand, der sich den Unbilden des grenzenlosen, mächtigen, naturgewaltigen Ozeans entgegenzustellen traut, muss ein toller Hecht sein.
Und was den Piloten?
Javorszky: Loszukommen, abzuheben, sich auszukennen und hauptsächlich weit weg und woanders zu sein, wo das Über-Ich nicht herumkommandiert – das hat schon seine Reize.
Wer steht auf die strenge Lehrerin?
Javorszky: Das führt uns zum Thema der Domina. Es geht dabei wieder um den inneren Kontrast zwischen Schein und Sein, die Grundlage für erotische Spannung. Die Lehrerin gibt sich, als ob sie asexuell wäre, da sie ein Vorbild sein soll, rational und nicht instinktiv handelt. Sie ist aber auch nur ein hormongesteuerter Mensch wie wir alle. Diese fragliche Selbstbeherrschung und der brodelnde Vulkan regt die Fantasie an.
Was macht den Feuerwehrmann reizvoll?
Javorszky: Er steht für Gefahr, Hitze und Kameradschaft. Gerade die Kameradschaft ist hier ein wichtiger Punkt: Allgemein gilt, dass wenn das Männchen von seinesgleichen akzeptiert wird, also im Team mitmachen darf und kann, damit für das Weibchen ein Selektionskriterium erfüllt ist. Das Weibchen muss sich nicht mit latenten Befürchtungen abquälen, ob der mögliche Partner nicht maskulin genug sei.
Was ist es, das den Polizisten ausmacht?
Javorszky: Neben all dem, was bis jetzt gesagt wurde, mag hier auch die Kastration des Vaters mitspielen. Wenn ich den Mächtigen, der mich an und für sich kraft seiner Autorität einsperren und misshandeln könnte, selbst um die Finger wickeln kann, wiederhole ich die Verführung des Vaters, den man als Mädchen zu besänftigen wusste.
Wird Uniformsex lieber in der festen Beziehung ausgelebt oder fällt es leichter mit Unbekannten?
Javorszky: Sich einem bestimmten Partner bezüglich der eigenen Vorlieben anzuvertrauen, ist einfacher, wenn die Praktiken nur zum Verlernen dienen (also ein Ausgleich für frühere Kränkungen darstellen), weil das zugrunde liegende Bedürfnis in diesem Fall befriedigt werden kann. Wenn ich zum Beispiel wegen Armut in der Kindheit Sehnsucht habe, teure Delikatessen zu essen, wird dieses Bedürfnis auch irgendwann gesättigt. Wenn die Praktiken alternativlos sind (also eine Einengung vorliegt), kann die Wiederholung nicht zur Sättigung führen. Also wird die ewige Wiederholung dem Partner mit der Zeit auf die Nerven gehen. Das ist so, als wenn ich ein Selbstwertproblem zu lösen versuche, indem ich teuer essen gehe. Dann werde ich nie satt. Da liegt der Unterschied: Wenn ich nur Spaß daran habe und es mir Befriedigung verschafft, dann kann ich das problemlos in eine Partnerschaft integrieren. Wenn ich aber zwanghaft fixiert bin und keine Wahlmöglichkeiten habe, wird es schwierig.
Muss ich mir also Sorgen machen, wenn mein Partner auf Uniformen steht?
Javorszky: Nein, nicht Sorgen machen, sondern einen Partner suchen, der eine Individualität haben möchte, oder mitmachen, solang es Spaß macht und keiner nur Opfer bringt.
Warum sind Uniformen, die es im Sexshop gibt, oft überspitzt und unrealistisch? Steht dann noch die Uniform im Vordergrund oder das Zeigen nackter Haut?
Javorszky: Solche uniformähnlichen Kreationen sind «supranormale Stimuli», also solche Symbole, welche direkt auf den Wahrnehmungsapparat abzielen, zum Beispiel lachende Kindergesichter bei Urlaubsanbietern, dralle Blondinen beim Autokauf oder zufriedene Familien bei Hausratsversicherungen. Da geht es weniger um die Fantasie als um visuelle Stimuli.
brc/ham/reu/news.de