«Das ist Sex mit einem Menschen, den ich liebe», sagte Woody Allen über Masturbation. Recht hat er. Denn das Lustspiel mit sich selbst steckt voller verlockender Vorzüge. Dennoch ist es oft mit Tabus belegt. Besonders in der Partnerschaft.
«Das macht man nicht», finden auch heute noch viele Menschen, wenn das Thema Masturbation zur Sprache kommt. Selbst bei Jugendlichen ist die selbstbefriedigende Praxis häufig verpönt. Während Sex immer noch mit der Grundfunktion der Kindeszeugung entschuldigt werden kann, steht bei der Masturbation der sexuelle Trieb im Vordergrund.
Deshalb gilt das lustvolle Selbst-Hand-Anlegen trotz aller Aufgeklärtheit als unsittlich. Und das nicht nur in konservativen Kreisen oder bei religiösen Menschen. «Es gibt auch heute noch eine große Anzahl, auch an sehr jungen Menschen, die Masturbation prinzipiell ablehnen», sagt Sexualtherapeutin Dr. Carla Thiele. Grund: Der sexuelle Trieb an sich ist negativ belegt. Dabei stecke das selbstbefriedigende Lustspiel voller Vorteile. Das ist eine spezielle körperliche Zuwendung, findet Thiele, die jedem zu empfehlen wäre.
In ihrer Therapie gehe sie vorerst davon aus, dass jeder Mensch Masturbation betreibt. Zwar zeigen Statistiken immer wieder, dass zwischen 80 und 95 Prozent aller erwachsenen Frauen und Männer mindestens einmal in ihrem Leben Erfahrungen mit der Selbstbefriedigung gesammelt haben. Doch tatsächlich steht fast jeder Zweite dem negativ oder zumindest reserviert gegenüber. Das gelte besonders bei Frauen. «Da kommt dann oft die Begründung ‹Ich brauche das nicht, ich habe doch einen Mann›», hat Thiele die Erfahrung gemacht.
Die Sexualtherapeutin, die Vorstandsmitglied bei der Gesellschaft für Sexualwissenschaft (GSW) ist, vermutet, dass es daran liegt, dass Frauen viel bewusster den Schritt zur Masturbation machen müssen als Männer, sodass es kein Zufallsprodukt ist. «Männer gehen schon als kleine Jungs viel unbefangener mit ihrem Penis um und sehen sich genau an, welche Veränderungen sich da abspielen», so Thiele. Sie hätten zudem Gruppenerlebnisse. Bei Frauen kommt das fast nie vor. «Wie auch», so Thiele, «es gibt ja nichts zu zeigen oder zu vergleichen. Mädchen oder Frauen können schlecht sagen, meiner ist größer oder ich kann weiter spritzen als du.»
Frauen können viel über sich lernen
Thiele hat viele Patientinnen, die entweder noch gar keine Masturbationserfahrungen haben oder nur in der Pubertät ganz scheu die Selbstbefriedigung ausprobiert haben. Tendenziell seien dies auch die Frauen, die später Probleme mit dem Orgasmus haben. Dabei würden gerade Frauen durch die Selbstbefriedigung viel über sich lernen. «Wo bin ich erregbar, wie kann ich meine Erregbarkeit steuern, wie kann ich mich besser fallen lassen, was kann ich vielleicht meinem Partner zeigen - all das kann man beim Masturbieren herausfinden», rät Thiele.
Frauen können durch das autoerotische Spiel ihre Lust steigern und wie beim Beckenbodentraining die Muskulatur so trainieren, dass es ihnen leichter fällt, zum Orgasmus zu kommen. Thiele: «Die Frau legt selbst Hand an, weil die die beste Rückmeldung für sich hat. Sie kann ihren Erregungszyklus steuern. Es hat einfach etwas damit zu tun, sich selbst und seine Körperreaktionen zu kennen.»
Abgesehen davon, dass die Selbstbefriedigung Spaß macht, hilft sie Spannungen abzubauen. Auch funktioniert der selbst geschaffene Orgasmus sehr effektiv als Schlafmittel. Denn: Das ist anstrengend und der Körper will sich danach erschöpft ausruhen. Aber am wichtigsten sei, so Thiele, dass das Lustspiel zu einer positiven Einstellung zum eigenen Körper führt. Schließlich sei eine entspannte orgasmische Situation nur möglich, wenn man mit sich selbst im Reinen ist. «Wenn man aber denkt, mein Busen ist ganz hässlich oder meine Schamlippen sind fürchterlich abstoßend, dann ist man blockiert.» Deshalb sei die Masturbation eine ganz positive Beschäftigung mit dem eigenen Körper auf intime Art und Weise. «Das ist das Wichtigste», findet Thiele. «Stress abbauen kann ich auch beim Yoga.»
Aber nicht die Hemmungen vor der eigenen Sexualität und Triebhaftigkeit oder das kollektive schlechte Gewissen der Gesellschaft legen den schweigenden Tabumantel über die Masturbation. Es ist meist der Partner, der mögliche Unbefangenheit zunichte macht. «Masturbation wird in einer Partnerschaft oft schon als Betrug gewertet», sagt Thiele. Dahinter stehe die Angst zum einen nicht zu genügen und zu befriedigen. Dabei handle es sich lediglich um zwei verschiedene Arten der Lust. «Manchmal hat man halt Lust auf den Partner und manchmal auf sich selbst», so Thiele. Das Wissen um den eigenen Körper und die eigene Erregbarkeit könne den Sex zu zweit zudem erweitern und verbessern.
Fantasien drehen sich fast nie um den Partner
Aber auch die Angst davor, was sich jemand vorstellt, wenn es sich jemand selbst macht, steht lähmend im Raum. Dabei: «Masturbationsfantasien drehen sich fast nie um den Partner», sagt Thiele. Das sei bei Frauen und Männern gleich.
«Dieses Kopfkino wird schon in der Kindheit und der Jugend festgelegt und bezieht sich nur darauf, auf wen man steht, welche Stellungen man vielleicht mag und ob man lieber eine passive oder aktive Rolle übernimmt.» Diese Aspekte lassen sich auch auf die tatsächlichen Vorlieben übertragen. Auch, ob sich jemand bei Sex lieber zeigt oder es vorzieht zuzusehen oder vielleicht Objekte ins Liebesspiel mit einbezieht, sind in den Fantasien tendenziell festgelegt.
Allerdings: Die Heftigkeit der Bilder hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun. So seien Vergewaltigungsfantasien bei Frauen keine Seltenheit, würden aber bei Weitem nicht bedeuten, dass tatsächlich Sehnsucht danach besteht. «Daraus lässt sich nur ablesen, dass eine Frau auf einen Mann steht, lieber passiv ist und sich vielleicht gerne mal völlig fallen lassen würde», erklärt Thiele.
Das große Missverständnis vieler Männer, dass die Spermareserven durch ständiges Masturbieren austrocknen könnten, ist völlig unbegründet. Es muss sich niemand, der ein Kind zeugen will, im Vorfeld lange aufsparen. «Selbst bei Männern mit eingeschränkter Spermafunktion ist das nicht der Fall.» Nur bei extrem niedriger Samendichte würde man höchsten mal empfehlen drei Tage lang ohne Samenerguss auszukommen.
Stattdessen sei es medizinisch sogar ein großer Vorteil, wenn ein Mann mindestens zwei- bis dreimal in der Woche sein Sperma los wird. Denn: Dann ist die Prostata immer mit der Neuproduktion beschäftigt und die Wahrscheinlichkeit, von Krebs befallen zu werden, sinkt.
ham/news.de