Sie sieht aus wie ein Schmetterling, eine Steinformation oder ein Baumloch - jetzt ist der Vulva eine Fotoausstellung gewidmet. Die Fotografin Grit Scholz blickt mit ihren Abbildungen der weiblichen Geschlechtsteile auf ein Tabuthema.
Schon als Teenager hätte sie gern gewusst, wie andere Frauen «da unten» aussehen, sagt Grit Scholz. Als die pubertäre Scham überwunden ist, reicht es immerhin für scheue Blicke auf das Untenrum der Freundinnen. «Bin ich normal oder stimmt bei mir irgendwas nicht?» lautete dennoch weiterhin ihre Frage, die sich viele andere Mädchen und Frauen bis heute stellen.
Es fehle das schöne positive Bild in der Gesellschaft für Yonis, findet die 44-Jährige. Yoni nennt sie die Vulva, also das gesamte weibliche Geschlechtsorgan mit inneren und äußeren Schamlippen. Der Begriff stamme aus dem Sanskrit. «Mir gefällt dieses Wort sehr gut, genau wie Lingam für Penis. Die Wörter drücken eine große Verehrung und Gleichwertigkeit aus.» Laut einer Studie der Ärztezeitung, an der 9441 Frauen aus 13 Ländern teilgenommen haben, haben 61 Prozent der Frauen «Bedenken, was das Aussehen ihrer Vagina betrifft», und 28 Prozent seien mit den Ermahnungen groß geworden, dass das Berühren der Geschlechtsteile etwas «Schmutziges, Unsauberes oder Böses» sei.
In der westlichen Kultur sei im Gegensatz zur Vulva der Penis ein Zeichen für Stärke und Männlichkeit. «Weiblichkeit wird meist mit Jungfräulichkeit und Reinheit in Verbindung gebracht», prangert die 44-Jährige an. Das «schleichende Ideal» von den rosigen Schamlippen, bei denen die inneren natürlich kürzer sind als das äußere Pendant und dem möglichst gut rasiertem Venushügel hält Scholz für «fast pädophil». Es habe bereits einen Trend zu Schönheitsoperationen im Schambereich hervorgebracht: zur «Designer-Vagina». «Die Männer scheinen eine Angst vor der behaarten, weiblichen Yoni entwickelt zu haben», sagt die Künstlerin. «Es gab Zeiten, da waren die Frauen so kraftvoll, dass sie Feinde vertrieben, indem sie ihre Röcke hochgehoben haben.»
In Vorträgen und Diaschauen besonders vor Frauen-Seminargruppen versucht sie bereits seit Jahren ein Bewusstsein für die Schönheit und Vielfalt der weiblichen primären Geschlechtsorgane weiterzugeben. Jetzt wendet sie sich erstmals an eine breitere Öffentlichkeit und stellt ihr Werk in einem Café in der Leipziger Innenstadt aus. Für ihr Buch und die Ausstellung Tor ins Leben hat Grit Scholz die Vulvas von 65 Frauen fotografiert und den meisten ein Bild aus der Natur entgegengestellt.
Da zeugt die Yoni einer über 70-Jährigen von Erfahrung und deutet die Form eines Blütenblattes an. Eine andere, rosafarbene breitet die Schamlippen aus, wie ein Schmetterling seine Flügel. «Ich habe eine Frau fotografiert, die ihre Yoni auf- und zuklappen konnte», erzählt Grit Scholz. «Das wusste sie vorher selbst nicht.» Mit den meisten Frauen, denen es eine Aufklärungs- und Herzensangelegenheit war, am Buch zu partizipieren, ist Grit Scholz befreundet. Mit ihnen und ihren Männern hat die Künstlerin in einer Gemeinschaft im Brandenburgischen gelebt. Dort sei auch die Idee zum Buch gereift.
Die Reaktionen auf die Ausstellung sind geteilt. Dass die 44-Jährige auch die intimsten Körperstellen ihrer 21-jährigen Tochter und der Mutter auf Fotos zeigt, gereichte einer Boulevardzeitung zur erfolgreichen Suche nach etwas Anstößigem. Grit Scholz selbst sieht darin einen Ausdruck des «generationsübergreifenden tiefen Verstehens». Einige Männer kämen aus Neugierde und mit erotischen Erwartungen. «Die sind meist enttäuscht oder fürchten sich, sie überkommt ein Unbehagen», sagt Grit Scholz. Aber es gibt auch Männer, die sich für ihre Arbeit bedanken, weil sie die gleiche Schönheit nicht nur in den Fotos sehen - wie die Künstlerin selbst. Doch auch Frauen könnten dem ungewohnten Anblick oft nicht standhalten und wendeten sich ab, hat Scholz beobachtet.
Um jedem Anflug von Erotik zu vermeiden, sind auf den Bildern nur Yonis zu sehen. «Ohne Finger wie bei den meisten Fotos in Aufklärungsbüchern und ohne Pobacken», erklärt Grit Scholz. Dann werde die Yoni zu einem Objekt, das aus Form und Farbe bestehe, wie das Bild einer Blume. «Und keiner würde auf die Idee kommen zu sagen: Diese Blume ist aber eklig.»
Ausstellung Das Tor ins Leben, Kontakt: www.das-tor-ins-leben.de
iwi/reu/news.de