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Klaus Willbrand ist tot: Eigenwilliger TikTok-Star mit 83 Jahren gestorben

Wie ein typischer TikTok-Star sah Klaus Willbrand beileibe nicht aus, trotzdem wurde der Antiquar und Literaturkenner über Nacht zum Social-Media-Hit. Nun ist der ungewöhnliche Influencer im Alter von 83 Jahren gestorben.

Klaus Willbrand in seinem Antiquariat in Köln-Sülz. Dank seines TikTok-Kanals wurde der literaturverrückte Senior quasi über Nacht zum Social-Media-Star. (Foto) Suche
Klaus Willbrand in seinem Antiquariat in Köln-Sülz. Dank seines TikTok-Kanals wurde der literaturverrückte Senior quasi über Nacht zum Social-Media-Star. Bild: picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd
  • Klaus Willbrand ist tot
  • Literatur-Enthusiast wurde mit 82 Jahren zum TikTok-Star
  • Beliebter Bookfluencer und Antiquar nach gesundheitlichen Problemen gestorben

Influencer bei Instagram, TikTok und Co. gleichen sich als überschminkte Püppchen wie ein Ei dem anderen und haben nichts im Kopf außer Make-up-Tipps, Outfits und ausgelassene Tanz-Choreographien? Weit gefehlt! Klaus Willbrand trat den Gegenbeweis an und wurde mit über 80 Jahren zu einem echten Hit in den sozialen Netzwerken. Nun muss Klaus Willbrands Fangemeinde jedoch Abschied nehmen: Der weißhaarige Antiquar und Literaturexperte ist im Alter von 83 Jahren gestorben.

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Der 83-jährige Bookfluencer sei am 29. Januar 2025 in einem Krankenhaus in seiner Heimatstadt Köln "friedlich eingeschlafen", sagte seine Digitalberaterin und Geschäftspartnerin Daria Razumovych der Deutschen Presse-Agentur. Es sei ihm schon längere Zeit gesundheitlich nicht mehr so gut gegangen. Zuvor hatte die "Tagesschau" über den Tod des Literatur-Enthusiasten berichtet.

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Mit Literatur-Leidenschaft zum TikTok-Star: Klaus Willbrand schaffte im hohen Alter den Durchbruch

Schulterlange weiße Haare, leicht brüchige Stimme und im Hintergrund Bücher, Bücher, Bücher - das war das Szenario, mit dem Klaus Willbrand zum Social-Media-Star wurde. In kurzen Videos auf Instagram und Tiktok sprach er über die Großen der Literatur: Franz Kafka, Thomas Mann, James Joyce. Will das die auf soziale Netzwerke fixierte Juend tatsächlich hören? Und ob! Der durch und durch analoge Antiquar aus Köln genoss besonders unter Schülerinnen und Schülern Kultstatus. Jetzt ist er weniger als ein Jahr nach Beginn seiner digitalen Karriere gestorben.

Klaus Willbrand gab letztes Update zu seinem Gesundheitszustand aus dem Krankenhaus

Dass es mit ihm gesundheitlich nicht mehr zum Besten stand, enthielt er seinen Followern nicht vor. Im Oktober 2024 meldete er sich statt wie gewohnt aus dem Antiquariat aus einem Krankenhaus zu Wort und berichtete denkbar nüchtern und ohne eine Spur von Selbstmitleid: "Ich habe die Wassersucht."

Das sei eine Krankheit, die bereits in der Bibel umschrieben werde und an der sowohl der Prophet Nostradamus als auch Friedrich der Große gestorben seien. 1787 sei das erste Buch über die Wassersucht erschienen, "nach heutigen Maßstäben natürlich indiskutabel". Anschließend kam noch sein behandelnder Arzt zu Wort.

Befreundete Lektorin überredete Klaus Willbrand zu TikTok-Karriere

Willbrands Liebe galt dem Antiquariat, das er im bürgerlichen Kölner Stadtteil Sülz betrieb. Bücher vom Boden bis zur Decke, in der Luft ein süßlich-erdiger Geruch, wie er mitunter von vergilbtem Papier verströmt wird. Als zukunftsfähig gelten solche Geschäfte im Allgemeinen nicht mehr. Und so stand auch Willbrand Anfang vergangenen Jahres kurz davor, seinen Laden schweren Herzens zu schließen.

Es kam "nahezu niemand mehr", wie er sich eingestehen musste. Dann aber griff die befreundete Lektorin Daria Razumovych ein. Sie hatte Willbrand einige Jahre zuvor kennengelernt und war beeindruckt von seinem enormen literarischen Wissen. Das dürfe nicht verloren gehen, fand sie.

Lange hatte Willbrand Bedenken, doch nun, da es nichts mehr zu verlieren gab, stimmte er zu. An Karfreitag 2024 wurde das erste Video aufgenommen. Das Echo übertraf alle Erwartungen - Willbrand wurde binnen kürzester Zeit zum Social Media-Star. Nach wenigen Monaten hatte er 100.000 Follower auf Instagram und mehr als 40.000 auf Tiktok. "Der alte Mann, der über Literatur spricht? Kenn ich! Der ist so süß!" Das war in etwa die gängige Reaktion, wenn er irgendwo zur Sprache kam.

Als alter Mann mit weißen Haaren wurde Klaus Willbrand zum Internet-Phänomen

Der gewaltige Erfolg hatte wohl viel damit zu tun, dass Klaus Willbrand ein Gegenentwurf zum typischen Influencer war. Er sprach über ein denkbar anspruchsvolles Thema und er biederte sich dabei weder an noch setzte er sich in Szene. Man spürte: Dieser Mann war das Gegenteil eines Blenders. Er wusste unendlich viel, aber er wollte damit nicht angeben.

Gleichzeitig war er sich seiner Sache so sicher, dass er nicht davor zurückschreckte, die Fragen von Daria Razumovych klar zu beantworten. Welcher Schriftsteller wird überschätzt? Hermann Hesse. Welche drei Bücher sollte man gelesen haben? "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" von Marcel Proust, "Ulysses" von James Joyce und "Der Prozess" von Franz Kafka.

Er erkenne die Qualität eines Buches sehr schnell, sagte Willbrand im August der Deutschen Presse-Agentur. "Je mehr man gelesen hat, desto mehr Vergleichsmöglichkeiten hat man. Ich würde auch sagen, dass mindestens 50 Prozent der Leute, die heute Literatur schreiben, gar keine Schriftsteller sind. Die können das gar nicht. Da wird dann sehr viel individueller Kram aufgeschrieben, der aber gesellschaftlich nicht relevant ist. Ich verstehe unter guter Literatur auch Literatur, die von der Sprache lebt. Ein Dichter, der keine eigene Sprache hat, der ist keiner."

Was wird nun aus seinem Lebenswerk, dem geliebten Antiquariat? "Ich werde, wenn alles klappt, das Antiquariat weiterführen", sagt Daria Razumovych. "Das war sein größter Wunsch."

 

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/news.de/dpa

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