Wladimir Putin: Warnung vor Russen-Angriff auf Nato-Staaten - Geht es in dieser Stadt los?

Militärexperten warnen, dass es bereits im Jahr 2027 einen möglichen Konflikt zwischen Russland und der Nato kommen könnte. Besonders die Grenzstadt Narwa gilt als potenzielles Ziel eines russischen Angriffs.

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Greift Wladimir Putin die Stadt Narwa an, um die Nato herauszufordern? (Foto) Suche
Greift Wladimir Putin die Stadt Narwa an, um die Nato herauszufordern? Bild: picture alliance/dpa/Pool Sputnik Kremlin | Vyacheslav Prokofyev
  • Geheimdienste warnen vor Putin-Angriff 2027 auf Nato
  • Militärexperten befürchten Narwa-Szenario
  • Schnelle Aufrüstung in Europa gefordert

Militärexperten warnen zunehmend vor einer möglichen Konfrontation zwischen Russland und der Nato in naher Zukunft. Nach einem Sieg in der Ukraine könnte Wladimir Putin das westliche Bündnis herausfordern. Bereits in zwei Jahren sei ein Konflikt mit Russland möglich.

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"Wladimir Putin denkt in Opportunitäten und wird uns vorher testen. Deshalb sollten wir so handeln, als könnte dies unser letzter Sommer in Frieden sein", warnt Militärhistoriker Sönke Neitzel in einem Interview mit n-tv. Politikwissenschaftler Carlo Masala verweist darauf, dass "seit einem Dreivierteljahr so gut wie jeder Geheimdienst in Europa" vor einer wachsenden russischen Bedrohung warne. Russland stelle seine Armee wieder her und wolle bald stärker sein als 2022. Die Experten befürchten, dass der Westen erneut überrascht werden könnte, wenn Putin mit seinen Truppen eine Grenze überquert.

Das "Narwa-Szenario" als Kriegsauslöser? Experten warnen vor Nato-Russland-Konflikt

Im Zentrum der Besorgnis steht das sogenannte "Narwa-Szenario", ein Gedankenspiel, das Carlo Masala in seinem neuesten Buch durchspielt. Es beschreibt einen möglichen russischen Angriff auf die estnische Grenzstadt Narwa, die direkt an der Grenze zu Russland liegt und etwa 56.000 Einwohner hat. In diesem Szenario würden russische Truppen Narwa besetzen, um die Nato zu einer Reaktion gemäß Artikel 5 des Nordatlantikvertrags zu provozieren. Dieser sieht vor, dass ein Angriff auf ein Mitgliedsland als Angriff auf alle Bündnispartner gilt und eine gemeinsame Verteidigung auslöst.

Die Nato stünde dann vor einem Dilemma: Reagieren und eine mögliche Eskalation bis hin zum Atomkrieg riskieren oder nicht reagieren und damit ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Der Philosoph Wolfgang Templin warnt in einem Essay für die Bundeszentrale für politische Bildung, dass "eine Stadt wie Narwa zum Danzig unseres Jahrhunderts werden" könnte.

Die aktuelle Lage in Narwa: Russische Provokationen an der Grenze

Narwa spielt eine strategisch wichtige Rolle, vergleichbar mit der "Fulda-Gap" während des Kalten Krieges. Die drittgrößte Stadt Estlands liegt direkt an der Grenze zur Russischen Föderation, wo in der Mitte des Flusses Narwa die EU-Grenze verläuft. Die Bevölkerungsstruktur macht die Stadt besonders anfällig für russische Einflussnahme. Von den rund 56.000 Einwohnern sprechen laut Focus 96 Prozent Russisch, ein Drittel besitzt einen russischen Pass. Putin hatte bereits 2022 mit Bezug auf Zar Peter I. angedeutet, dass Narwa historisch zu Russland gehöre.

Wie die "Welt" berichtet, finden bereits jetzt ständige Provokationen und Sabotageakte statt: Störungen bei der Satellitennavigation, gestohlene Grenzmarkierungsbojen, laut schallende Propaganda, Überwachungsdrohnen und mit dem "Z" der russischen Armee markierte Zeppeline werden beobachtet.

Nato-Verteidigungsbereitschaft im Baltikum

Aktuell sind etwas mehr als 2.000 Nato-Kräfte in Estland stationiert, wobei britische Truppen den Großteil bilden. Die britische Regierung hat Ende 2024 mit Estland vereinbart, ihr Engagement Mitte 2025 noch auszubauen. Im Krisenfall verpflichtet sich das Vereinigte Königreich, das 4th Light Brigade Combat Team ("Black Rats") innerhalb von zehn Tagen nach Estland zu verlegen.

Diese Einheit mit 3.000 bis 5.000 Soldaten soll im Angriffsfall als "Stolperdraht" für russische Verbände dienen. Zudem sollen moderne Challenger-3-Kampf- und Boxer-Infanterie-Panzer stationiert werden. Die deutsche Brigade in Litauen hingegen soll erst 2027 einsatzfähig sein.

US-Oberst Thomas H. Melton bezweifelt in seiner Dissertation am US Army War College jedoch, dass die Nato Russland mit konventionellen Streitkräften wirksam bestrafen könnte, "bevor sie vor vollendete Tatsachen gestellt wird" - angesichts von Herausforderungen bei militärischer Mobilität und unzureichender Infrastruktur.

Experten fordern schnelle Aufrüstung mit bewährten Waffensystemen

Angesichts der wachsenden Bedrohung rät der britische Militärexperte Ed Arnold Deutschland, die geplanten Rüstungsinvestitionen zu beschleunigen. Die Bundesregierung habe keine Zeit, diese über zehn Jahre zu verteilen. Stattdessen sollte sich die Bundeswehr auf den raschen Ausbau bewährter Waffensysteme und Munitionsbestände konzentrieren. Arnold empfiehlt konkret den Marschflugkörper Taurus, den Kampfpanzer Leopard 2 A8 und das gepanzerte Transport-Kraftfahrzeug Boxer. Die Produktion könne "massiv erhöht" werden, um sowohl die eigenen Einheiten auszustatten als auch Verbündete zu versorgen.

Auch deutsche Luftabwehrsysteme wie IRIS-T und der Flakpanzer Gepard hätten sich im Ukraine-Krieg als "bemerkenswert effektiv" erwiesen. Europa müsse sich von der Vorstellung verabschieden, immer nur technologisch hochwertigste Waffen anzustreben. "Was die Ukraine zeigt, ist, dass man nicht immer das Beste haben muss. Man muss nur ein bisschen besser sein als der Gegner", so der Experte.

Das Nato-Dilemma: Beistandspflicht versus Eskalationsrisiko

Die Nato steht bei einem möglichen Angriff auf Narwa vor einem schwerwiegenden Dilemma. Gemäß Artikel 5 des Nordatlantikvertrags müssten die Bündnispartner militärisch reagieren - was einen potenziellen Dritten Weltkrieg auslösen könnte. Militärexperte Carlo Masala betont, dass das Narwa-Szenario "auch als Anregung für ein breiteres Publikum gedacht ist". Viele Menschen hielten einen russischen Angriff für übertrieben oder Kriegstreiberei. "Ganz nüchtern betrachtet ist er aber im Bereich des Denkbaren."

Die Osteuropa-Expertin Sabine Adler warnt vor einer "echten Kriegsgefahr" für die EU und Nato. Putins Herrschaft sei komplett um den Krieg herum organisiert, weshalb Appelle an Friedensverhandlungen zwangsläufig fruchtlos blieben. "Putin geht erst dann an den Verhandlungstisch, wenn Kämpfen nicht mehr lohnt. Davon ist er weit entfernt." Militärhistoriker Neitzel bezeichnet die Hoffnung auf diplomatische Lösungen als "Unsinn" und verweist darauf, dass Verhandlungen historisch erst geführt wurden, wenn die militärische Lage ausgefochten war.

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