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Nach Eklat um Abstimmung im Bundestag: Ex-Kanzlerin Angela Merkel knöpft sich Friedrich Merz vor

Die Premiere der AfD als Mehrheitsbeschafferin im Bundestag hat Folgen: Überraschend platziert Ex-Kanzlerin Angela Merkel eine eindringliche Mahnung an die CDU und rechnet mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz ab.

Altbundeskanzlerin Angela Merkel fand nach dem Abstimmungs-Eklat im Bundestag scharfe Worte der Kritik gegen Friedrich Merz. (Foto) Suche
Altbundeskanzlerin Angela Merkel fand nach dem Abstimmungs-Eklat im Bundestag scharfe Worte der Kritik gegen Friedrich Merz. Bild: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
  • Aufschrei nach Abstimmung im Bundestag: Union nimmt Schützenhilfe von AfD in Kauf
  • Friedrich Merz Fünf-Punkte-Plan in Asylpolitik vor und bekommt Mehrheit
  • Ex-Kanzlerin Angela Merkel knöpft sich Merz in Statement vor

Es war eine Abstimmung im Bundestag, die in die deutsche Nachkriegsgeschichte eingehen dürfte: Am Mittwoch, dem 29. Januar 2025, wurde im Parlament einem von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz vorgelegten Fünf-Punkte-Plan für eine schärfere Migrationspolitik zugestimmt, der Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen vorsieht. Dafür stimmten 187 Abgeordnete der Union, 75 AfD-Abgeordnete sowie 80 Angehörige der FDP-Fraktion und 6 Fraktionslose. Zusammen sind das 348 Stimmen, 344 Abgeordnete stimmten dagegen. Erstmals beschaffte die AfD dabei im Plenum eine Mehrheit. Am Freitag (31.01.2025) stimmt das Parlament über einen Gesetzentwurf der Union ab, der konkrete Regelungen zur Eindämmung der Migration enthält.

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Dass CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz die Schützenhilfe aus den Reihen der rechtsextremen AfD in Kauf nahm, um seine Agenda durchzusetzen, und damit die stets als unerschütterlich betonte Brandmauer der Union zur Alternative für Deutschland einriss, rief lautstarke Empörung hervor. Auch Altbundeskanzlerin Angela Merkel meldete sich mit kritischen Worten aus der Politik-Rente zu Wort und ließ kein gutes Haar an ihrem CDU-Parteikollegen Friedrich Merz.

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Angela Merkel übt scharfe Kritik an Friedrich Merz' Kurs vor der Bundestagswahl

Die Ex-Kanzlerin kritisierte das Vorgehen der Union, die ihren Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik mit Stimmen der AfD durchgesetzt hat. In einer von ihrem Büro veröffentlichten Erklärung verweist sie auf eine frühere Aussage von Fraktionschef Friedrich Merz (CDU), nur mit SPD und Grünen zuvor vereinbarte Entscheidungen auf die Tagesordnung zu setzen, damit keine Mehrheit mit der AfD zustande kommt.

"Dieser Vorschlag und die mit ihm verbundene Haltung waren Ausdruck großer staatspolitischer Verantwortung, die ich vollumfänglich unterstütze." Merkel fügte hinzu: "Für falsch halte ich es, sich nicht mehr an diesen Vorschlag gebunden zu fühlen und dadurch am 29. Januar 2025 sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen."

Stattdessen sei es erforderlich, "dass alle demokratischen Parteien gemeinsam über parteipolitische Grenzen hinweg, nicht als taktische Manöver, sondern in der Sache redlich, im Ton maßvoll und auf der Grundlage geltenden europäischen Rechts, alles tun, um so schreckliche Attentate wie zuletzt kurz vor Weihnachten in Magdeburg und vor wenigen Tagen in Aschaffenburg in Zukunft verhindern zu können".

Angela Merkel übt offen Kritik an Friedrich Merz' AfD-Kurs: Statement der Ex-Kanzlerin im Wortlaut

Das Statement der früheren CDU-Parteichefin, die sich nach 16 Jahren als Bundeskanzlerin im Dezember 2021 aus der Politik zurückzog, lautet im kompletten Wortlaut wie folgt:

"In seiner Rede am 13. November 2024 im Deutschen Bundestag hat der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Kanzlerkandidat von CDU und CSU, Friedrich Merz, ausweislich des stenografischen Protokolls des Deutschen Bundestags unter anderem erklärt:

'Für die wenigen verbleibenden Entscheidungen, die ohne Bundeshaushalt möglich sein könnten, will ich Ihnen hier einen Vorschlag machen: Wir sollten mit Ihnen, den Sozialdemokraten, und Ihnen, die Grünen, vereinbaren, dass wir nur die Entscheidungen auf die Tagesordnung des Plenums setzen, über die wir uns zuvor mit Ihnen von der SPD und den Grünen in der Sache geeinigt haben, sodass weder bei der Bestimmung der Tagesordnung noch bei den Abstimmungen in der Sache hier im Haus auch nur ein einziges Mal eine zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheit mit denen da von der AfD zustande kommt. Diese Verabredung möchte ich Ihnen ausdrücklich vorschlagen, meine Damen und Herren. Denn das hätten diese Damen und Herren von rechts außen doch gerne, dass sie plötzlich die Mehrheiten besorgen, und sei es mit Ihnen von den beiden Minderheitsfraktionen bei der Bestimmung der Tagesordnung. Wir wollen das nicht. Ich hoffe, Sie sehen das auch so, liebe Kolleginnen und Kollegen.'

Dieser Vorschlag und die mit ihm verbundene Haltung waren Ausdruck großer staatspolitischer Verantwortung, die ich vollumfänglich unterstütze. Für falsch halte ich es, sich nicht mehr an diesen Vorschlag gebunden zu fühlen und dadurch am 29. Januar 2025 sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen.

Stattdessen ist es erforderlich, dass alle demokratischen Parteien gemeinsam über parteipolitische Grenzen hinweg, nicht als taktische Manöver, sondern in der Sache redlich, im Ton maßvoll und auf der Grundlage geltenden europäischen Rechts, alles tun, um so schreckliche Attentate wie zuletzt kurz vor Weihnachten in Magdeburg und vor wenigen Tagen in Aschaffenburg in Zukunft verhindern zu können."

Schweitzer: Kritik von Merkel "historisch einmalig"

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer hat die CDU im Bund aufgefordert, den Gesetzentwurf zur Eindämmung der Migration kurzfristig zurückzuziehen. "Diese Mahnung von Frau Merkel an Herrn Merz, das ist schon historisch einmalig und ein bemerkenswerter Vorgang", betonte Schweitzer. "Ich setzte darauf, dass viele Menschen - auch innerhalb der CDU - nun ins Nachdenken kommen."

Schweitzer sagte der Deutschen Presse-Agentur in Mainz, der für den 31. Januar im Bundestag auf der Tagesordnung stehende Gesetzentwurf könne erneut nur mit der Zustimmung einer rechtsradikalen Partei eine Mehrheit bekommen. "Mein klarer Rat und meine dringende Empfehlung an die CDU ist es, die Stunden bis morgen zu nutzen, in sich zu gehen, sich genau anzuschauen, was sie für eine verheerende Wirkung erreicht haben durch die faktische Zusammenarbeit mit der AfD."

SPD-Politikerin Saskia Esken dankt Merkel für Distanzierung von Merz

SPD-Chefin Saskia Esken hat die Distanzierung der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vom Vorgehen des Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz bei der Migrationsabstimmung im Bundestag begrüßt. "Ich bin ihr sehr dankbar dafür", sagte Esken vor Journalisten in Berlin. "Sie hat offensichtlich den Eindruck gewonnen, sie müsse ihren Nachfolger Friedrich Merz an seine staatspolitische Verantwortung erinnern."

AfD-Chefin Alice Weidel meldet sich nach Merkel-Kritik an Merz zu Wort

Eine Reaktion auf Angela Merkels warnende Worte ließ auch aus den Reihen der AfD nicht lange auf sich warten. Alice Weidel, die Kanzlerkandidatin der Alternative für Deutschland, sieht Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz durch den Eingriff von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in die Debatte nach der umstrittenen Bundestagsabstimmung über die Migrationspolitik beschädigt. "Es überrascht mich nicht, dass Frau Merkel ihrem Nachfolger die Hacke ins Kreuz haut", sagte Parteichefin Alice Weidel der Deutschen Presse-Agentur.

Merkel habe "den Kontrollverlust an den Grenzen 2015 eingeleitet und möchte, dass sich an diesem Zustand nichts ändert", fügte sie hinzu. Die Altkanzlerin leiste einen weiteren bedeutsamen Beitrag "zur Auflösung der einst stolzen konservativen Volkspartei". Der Europa-Abgeordnete Maximilian Krah hatte zuvor auf der Plattform X geschrieben: "Angela Merkel stößt Merz den Dolch in den Rücken."

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/news.de/dpa

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