Der Bundestag hat mit einer Mehrheit für die von CDU und CSU geforderten Verschärfungen in der Migrationspolitik gestimmt. Ein Triumph für Friedrich Merz, der mit Unterstützung durch AfD-Stimmen das Ende der Brandmauer gegen Rechts bedeutet.
![CDU-Chef Friedrich Merz hat sich durchgesetzt: Der von der Union vorgebrachte Antrag für eine Verschärfung der Migrationspolitik fand im Bundestag eine Mehrheit, an der AfD-Stimmen maßgeblichen Anteil gehabt haben dürften. CDU-Chef Friedrich Merz hat sich durchgesetzt: Der von der Union vorgebrachte Antrag für eine Verschärfung der Migrationspolitik fand im Bundestag eine Mehrheit, an der AfD-Stimmen maßgeblichen Anteil gehabt haben dürften. (Foto)](https://media.news.de/images/858031046/images/f8/74/7943bf1050ff1999d9c74e87cb5d/nopic/no_pic/1200/675/1/1/-/15/1024/576/-/-/cdu-chef-friedrich-merz-der-union-antrag-fuer-verschaerfung-_858031046_1200x675_9d35ed41cb8609291410c327b7da94a9.jpg)
- Friedrich Merz triumphiert: Antrag auf strengere Migrationspolitik findet Mehrheit im Bundestag
- Union setzt sich mit AfD-Unterstützung durch: Vielbeschworene Brandmauer ist gefallen
- SPD und Grüne reagieren empört auf AfD-Gekuschel der Union
Der Bundestag hat sich für mehr Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen ausgesprochen. Ein entsprechender Antrag der CDU/CSU-Fraktion fand eine Mehrheit, wie die Sitzungsleiterin Katrin Göring-Eckardt am 29. Januar 2025 mitteilte. Ein zweiter Antrag der Union mit umfassenden Reformvorschlägen für eine restriktive Migrationspolitik und zusätzliche Befugnisse der Sicherheitsbehörden wurde mehrheitlich abgelehnt.
Lesen Sie auch:
- "Sie widern mich an" - Entsetzen über Merz-Attacke an Holocaust-Gedenktag
- So sehen die Asyl-Pläne der Kanzlerkandidaten im Detail aus
- CDU-Chef sieht Deutschland am Abgrund - Wirbel um neues Video
Bundestag stimmt für schärfere Asylpolitik - Union bekommt Schützenhilfe von AfD
Der erste Antrag für mehr Zurückweisungen erhielt 348 Ja-Stimmen, 345 Nein-Stimmen, 10 Abgeordnete enthielten sich. In der Debatte hatten sich Abgeordnete von Union, FDP und AfD sowie einige fraktionslose Abgeordnete für den Vorschlag ausgesprochen. Das BSW kündigte an, man werde sich enthalten. SPD, Grüne und Linke positionierten sich dagegen.Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung, das die Bundestagsverwaltung zur Verfügung stellte, legt die Stimmenverteilung offen. Demnach stimmten 187 Abgeordnete von CDU/CSU, 75 AfD-Abgeordnete, 80 Angehörige der FDP-Fraktion sowie 6 fraktionslose Abgeordnete dafür, was die nötige Mehrheit von 348 Stimmen ergab.
Der zweite Antrag für weitreichende Reformen bekam 190 Ja-Stimmen, 509 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen. In der Debatte hatten sich Abgeordnete von SPD, Grünen, Linke, BSW, AfD und FDP gegen den Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion ausgesprochen.
Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an und verpassen Sie keine Schlagzeile mehr – bleiben Sie mit news.de immer auf dem neuesten Stand!
Die Sitzung wurde nach der Abstimmung unterbrochen. Nach einem solchen Votum dürfe man "nicht so einfach zur Tagesordnung" übergehen, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Die Union sei "aus der politischen Mitte dieses Hauses ausgebrochen".
Der Antrag der Union sieht die Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen vor, ist anders als ein Gesetz rechtlich aber nicht bindend. Ein weiterer Antrag der Union zur Sicherheitspolitik wurde mehrheitlich zurückgewiesen. Vor der Abstimmung hatten sich Kanzler Olaf Scholz und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz einen heftigen Schlagabtausch, vor allem über den Umgang mit der AfD, geliefert.
Friedrich Merz nennt Olaf Scholz' schwarz-blaue Spekulationen "niederträchtig"
Der SPD-Kanzlerkandidat Scholz warf Merz vor, die klare Abgrenzung zu extrem rechten Parteien aufzugeben. "Sie nehmen die Unterstützung der AfD für Ihre rechtswidrigen Vorschläge offen in Kauf", sagte er an die Adresse des Oppositionsführers in seiner Regierungserklärung.
Scholz mutmaßte auch, die Union könne nach der Wahl eine Koalition mit der AfD eingehen. Merz wies das in seiner Antwort auf den Kanzler als "niederträchtig" und "infam" zurück. "Ich werde alles tun, das zu verhindern." Der CDU-Chef bekräftigte dennoch, dass er für die Durchsetzung seiner Vorschläge zur Migration die Zustimmung der AfD in Kauf nimmt. Das sei ihm lieber, als "weiter ohnmächtig zuzusehen, wie die Menschen in unserem Land weiter bedroht, verletzt und ermordet" werden.
Mahnende Worte von Scholz: "Ein Bundeskanzler darf kein Zocker sein"
Scholz sprach Merz die Regierungsfähigkeit ab, weil er Pläne vorlege, die dem Grundgesetz und dem EU-Recht widersprächen. "Es gibt Grenzen, die darf man als Staatsmann nicht überschreiten", sagte er. "Politik in unserem Land ist doch kein Pokerspiel. Der Zusammenhalt Europas ist kein Spieleinsatz. Und ein deutscher Bundeskanzler darf kein Zocker sein. Denn er entscheidet im schlimmsten Fall über Krieg oder Frieden."
Merz wies den Vorwurf der Rechtswidrigkeit klar zurück. Der EU-Vertragsartikel 72 eröffne dem nationalen Recht den Vorrang bei einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sagte er. "Wie viele Kinder müssen noch Opfer solcher Gewalttaten werden, bevor sie auch der Meinung sind, dass es sich hier um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung handelt?", fragte er. Zudem sei im Artikel 16a des Grundgesetzes ausdrücklich geregelt, dass sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen könne, wer aus einem EU-Mitgliedstaat oder einem Land einreise, in dem die Europäische Menschenrechtskonvention gelte.
Olaf Scholz attackiert Merz: CDU-Chef hat Grundkonsens der Demokraten aufgekündigt
Noch schärfer wurde der Schlagabtausch beim Thema AfD. Die Union toleriere die Unterstützung derer, "die unsere Demokratie bekämpfen, die unser vereintes Europa verachten, die das Klima in unserem Land seit Jahren immer weiter vergiften", sagte Scholz. Dies sei ein "unverzeihlicher Fehler". Seit Gründung der Bundesrepublik vor über 75 Jahren habe es immer einen klaren Konsens aller Demokraten gegeben, mit extremen Rechten nicht gemeinsame Sache zu machen, sagte Scholz. "Sie haben diesen Grundkonsens unserer Republik im Affekt aufgekündigt", warf der Kanzler seinem Herausforderer vor.
Merz verwies darauf, dass alle Versuche, mit SPD und Grünen zu einem Konsens in der Migrationspolitik zu kommen, in den letzten drei Jahren gescheitert seien. Nun wolle er "aufrechten Ganges das tun, was unabweisbar in der Sache notwendig ist". Dafür nehme er auch Bilder von jubelnden AfD-Abgeordneten in Kauf, auch wenn diese "unerträglich" sein werden.
CDU und CSU fordern schärfere Asyl-Politik - das steht im Antrag der Union
In dem ersten Antrag heißt es: "Es gilt ein faktisches Einreiseverbot für Personen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen und die nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen." Dies soll ausdrücklich auch für Menschen gelten, die in Deutschland einen Asylantrag stellen wollen. Wer vollziehbar ausreisepflichtig ist, soll in Haft genommen werden. Vorgesehen ist zudem eine größere Rolle der Bundespolizei bei Rückführungen.
Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen unbefristet so lange in Arrest kommen bis sie freiwillig ausreisen oder die Abschiebung vollzogen werden kann. Gefordert werden auch dauerhafte Grenzkontrollen. Allerdings gibt es seit einigen Monaten auf Anordnung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ohnehin stationäre Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen.
Unions-Antrag für restriktive Migrationspolitik scheitert im Bundestag
In dem Unionsantrag heißt es: "Wenn Menschen, die bei uns zu Gast sind und Hilfe in Anspruch nehmen, straffällig werden oder Konflikte auf deutschem Boden austragen, muss ihr Aufenthalt beendet werden." Die Befugnisse zur elektronischen Gesichtserkennung sollen ausgeweitet werden - auch an Bahnhöfen und Flughäfen. Telekommunikationsunternehmen sollen zur Speicherung von IP-Adressen verpflichtet werden, mit denen sich Geräte im Internet identifizieren lassen. Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten, häufig Bürgerkriegsflüchtlinge, sowie alle freiwilligen Aufnahmeprogramme sollen gestoppt werden. Die Einsatzkräfte an den deutschen Grenzen sollen personell verstärkt werden.
Die FDP hatte bereits im Vorfeld erklärt, sie werde dem Antrag wegen der darin enthaltenen Vorschläge zur Vorratsdatenspeicherung nicht zustimmen. Bei der Vorratsdatenspeicherung würden Anbieter gesetzlich verpflichtet, die Telefon- und Internetverbindungsdaten der Nutzer zu sichern, so dass Ermittler später darauf zugreifen können.
Friedrich Merz reißt die Brandmauer gegen Rechts ein - Empörung bei SPD und Grünen
Die CDU/CSU hatte mit ihrer Initiative Empörung bei SPD und Grünen ausgelöst, weil absehbar war, dass die Pläne nur mit Stimmen der AfD eine Mehrheit finden könnten. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hatte über die Vorhaben gesagt: "Und wir werden sie einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt", hatte der Unionsfraktionschef betont.
AfD-Chefin Weidel feiert: "Großartiger Tag für die Demokratie"
AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel hat das Bundestagsvotum für mehr Zurückweisungen an den deutschen Grenzen als "großartigen Tag für die Demokratie" gefeiert. "Wir sehen, dass bürgerliche Mehrheiten da sind und vernünftige Anträge beschlossen werden können", sagte sie. Weidel rief die Union zum Nachdenken darüber auf, "ob man die Brandmauer, die aus unserer Sicht undemokratisch ist, weiter aufrechterhält."
Heute ist ein historischer Tag! Zum ersten Mal in der 7-jährigen Parlamentsgeschichte der AfD-Fraktion passiert ein Antrag durch unsere Zustimmung den #Bundestag. Die #Brandmauer bröckelt. Ein erster Schritt zur dringend nötigen #Migrationswende ist getan! pic.twitter.com/EAeAcbbHJp
— AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag ???????? (@AfDimBundestag) January 29, 2025
Die Union habe die Begrenzung der Migration selbst lange abgelehnt, sagte Weidel. Nun habe sie Forderungen der AfD übernommen. Sie gehe davon aus, dass sich die Mehrheiten weiter zugunsten von "bürgerlichen Mehrheiten von Blau-Schwarz" verschieben würden.
Fraktions- und Parteichef Tino Chrupalla sprach von einer "Zeitenwende in der Migrationspolitik". Er hoffe darauf, dass Friedrich Merz am 31. Januar den angekündigten Gesetzentwurf zur Migration auch wirklich zur Abstimmung stelle.
Entsetzen bei Social Media: So reagiert Deutschland auf den Kuschelkurs der Union mit der AfD
In den sozialen Netzwerken wie X (vormals Twitter) wurde die Abstimmung im Bundestag mehrheitlich mit Entsetzen zur Kenntnis genommen, wie folgende Reaktionen exemplarisch zeigen:
#Bundestag
— Ele O Nore ???????? ???? (@ReckNelle) January 29, 2025
Antrag #Merz durch #AfD angenommen.#AfD applaudiert.
Ergebnis ist eine Katastrophe ????????
Bravo #Merz - jetzt können Sie mit der #AfD heute Abend noch einen trinken gehen.#CDU schämt euch ???????????????????????????? pic.twitter.com/xNpVjWWTzE
Der 5 Punkte-Plan der CDU erhält die Mehrheit im #Bundestag. Deutschland wird wieder menschenverachtendes Naziland. Ich schäme mich zutiefst und möchte mich bei allen Flüchtlingen in D. entschuldigen und ihnen zurufen: WIR SIND NICHT ALLE SO!
— Hannah H. (@Tweetenti) January 29, 2025
Was #Merz heute im #Bundestag gemacht hat, wird in die Geschichtsbücher eingehen. Als Verrat an der Demokratie.
— Ursula Saatweber (@SaatweberUrsula) January 29, 2025
Die Partei von Adenauer, Kohl und Merkel ist zur Steigbügelhalter der (Neo-)Nazis geworden! Was für eine Schande! #Merz #Bundestag #NieWiederCDUCSU
— Mugendi Nyaga (@Nyagacm) January 29, 2025
Merz bedauert mögliche Mehrheit gemeinsam mit der AfD
Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat SPD und Grünen nach der mutmaßlich mit AfD-Stimmen zustande gekommenen Mehrheit für Verschärfungen im Migrationsrecht neue Verhandlungen angeboten. Er suche "keine anderen Mehrheiten als die in der demokratischen Mitte unseres Parlaments", sagte der Unionskanzlerkandidat in einem emotional aufgeheizten verbalen Schlagabtausch, nachdem im Parlament die Ergebnisse von zwei Abstimmungen über Unionsanträge bekanntgegeben wurden. "Wenn es hier heute eine solche Mehrheit gegeben hat, dann bedaure ich das."
Abstimmung über "Zustrombegrenzungsgesetz" im Bundestag
Der Bundestag soll am 31. Januar über ein sogenanntes Zustrombegrenzungsgesetz abstimmen, mit dem die Union unter anderem den Familiennachzug zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus beenden will. Merz forderte SPD und Grüne auf, bis Freitag mit der Union "darüber zu sprechen, wie wir mit Ihnen zusammen eine Mehrheit zu dem von uns eingebrachten Gesetzentwurf hier im Deutschen Bundestag erzielen". Er ergänzte: "Wenn Sie sich dieser Verantwortung entziehen, dann bleibt es Ihre Verantwortung, dass darüber keine Mehrheit zustande gekommen ist."
Zugleich verteidigte Merz das Vorgehen der Unionsfraktion. Frei gewählten Abgeordneten und auch der Unionsfraktion könne das Recht nicht abgesprochen werden, "dass wir hier Anträge zur Abstimmung stellen, die wir in der Sache für richtig halten. Auch wenn es Ihnen mit Ihrer Minderheit von SPD und Grünen im Deutschen Bundestag nicht gefällt." Dabei werde es auch bis Freitag bleiben, "es sei denn, Sie kommen zur Vernunft".
Unmittelbarer Auslöser der Unions-Vorstöße war eine Bluttat in Aschaffenburg. Ein offenbar psychisch kranker Mann aus Afghanistan soll am Mittwoch vergangener Woche einen zweijährigen Jungen mit marokkanischen Wurzeln aus einer Kindergartengruppe mit einem Messer getötet. Ein 41 Jahre alter Familienvater, der sich zwischen Angreifer und Kinder stellte, starb ebenfalls. Weitere Menschen wurden schwer verletzt, darunter ein zwei Jahre altes Mädchen syrischer Abstammung. Der 28 Jahre alte mutmaßliche Angreifer war ausreisepflichtig, er befindet sich in einer psychiatrischen Einrichtung. Der Tat ging eine Reihe anderer Attacken voraus, bei denen ebenfalls Ausländer unter Tatverdacht stehen.
Folgen Sie News.de schon bei WhatsApp, Facebook, Twitter, Pinterest und YouTube? Hier finden Sie brandheiße News, aktuelle Videos und den direkten Draht zur Redaktion.
loc/news.de/dpa
Erfahren Sie hier mehr über die journalistischen Standards und die Redaktion von news.de.