Annalena Baerbock reiste einen Monat nach dem Sturz des Assad-Regimes nach Syrien. In Damaskus traf sie auf den neuen Machthaber. Bei der Begrüßung verweigerte ihr der Islamist den Handschlag. Der Vorfall sorgte im netz für Diskussionen.
- Al-Scharaa verweigert Annalena Baerbock den Handschlag in Syrien
- Experte wertet Vorfall als schlechtes Zeichen
- Baerbock-Video erzürnt das Netz
- Debatte um Handschlag im Islam wieder entbrannt
Etwa einen Monat nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad reiste Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) zusammen mit dem französischenAußenminister Jean-Noël Barrot nach Syrien. Mit ihrer Reise will sie ein klares Signal setzen: "Ein politischer Neuanfang zwischen Europa und Syrien, zwischen Deutschland und Syrien ist möglich", schreibt sie bei X, ehemals Twitter. Dieser Neuanfang wird durch einen vermeintlichen Fauxpas überschattet. Bei ihrem Besuch in Damaskus gab ihr derDe-facto-Herrscher Ahmed al-Scharaa nicht die Hand. Das sorgte im Netz für heftige Diskussionen.
Lesen Sie auch:
- Rauswurf-Kritik und Co. - die turbulentesten Momente des Bundeskanzlers
- Weihnachtsbotschaft von Außenministerin spaltet das Netz
- Liste aufgedeckt: Diese Minister wollen Beförderungen durchsetzen
Islamist verweigert Annalena Baerbock den Handschlag
Al-Scharaa, Anführer der islamistischen Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), hatte Baerbock und Barrot im früheren Palast des vor rund vier Wochen gestürzten Langzeit-Machthabers Baschar al-Assad in der Hauptstadt Damaskus empfangen. Während der Islamist Baerbock nicht per Handschlag begrüßte, streckte er Barrot die Hand entgegen. Nachdem der Franzose zunächst zur Begrüßung seine rechte Hand auf die Herzgegend gelegt hatte, ergriff er dann doch kurz die Hand al-Scharaas.
So reagiert die Grünen-Politikerin auf den Vorfall in Damaskus
Dass ihr der Handschlag verweigert wird, damit hatte sie bereits gerechnet. "Schon als ich angereist war, war mir jedenfalls klar, dass es hier offensichtlich nicht gewöhnliche Handschläge geben wird", sagte die Grünen-Politikerin auf die Frage einer Journalistin. Aber ebenso klar habe man den islamistischen Gastgebern gemacht, dass man diese Praxis missbillige, so Baerbock. Der französische Außenminister Jean-Noël Barrot, mit dem sie im Auftrag der EU nach Damaskus gereist war, habe seine Hand ebenfalls nicht zum Handschlag ausgestreckt.
Vor allem habe man im Gespräch klargemacht, dass Frauenrechte ein Gradmesser dafür seien, wie frei eine Gesellschaft ist, sagte Baerbock. Ganz so schwierig habe da am Ende des Gesprächs ein Handschlag nicht mehr gewirkt. Aus Delegationskreisen war zu hören, dass al-Scharaa am Ende des Gesprächs noch mal die Hand ausgestreckt habe, es dann aber nicht mehr zu einem Handschlag gekommen sei.
Annalena Baerbock in Syrien: Demütigungsvorwurf erzürnt das Netz
Das Video von dem Vorfall verbreitete sich schnell in den sozialen Medien. Einige Menschen nutzen die Aufnahmen als Vorlage um gegen die Politikerin zu sticheln. Ihr wurden unter anderem "Inkompetenz" und "Fremdscham" vorgeworfen. Außerdem solle sie gedemütigt worden sein. Andere bedienten rechte Denkweisen. Dieses Verhalten erzürnte wiederum andere Nutzer:innen, die das in den Kommentaren ansprachen:
- "Die Menschen, die Frau #Baerbock heute vorwerfen gedemütigt worden zu sein, weil ihr die Hand zum Gruße verweigert wurde, sind übrigens die selben Menschen, die sich sonst immer über eine Werte geleitete Außenpolitik aufregen", heißt es in einem Beitrag.
- "Warum ist die Frau Schuld, wenn ein Mann ihr nicht die Hand gibt? Sollten dann im Umkehrschluss in solchen Fällen nur Männer reisen & über Frauenrechte sprechen? Die hier mit Schaum vorm Mund ausrasten, sind nicht ganz so blitzgescheit wie sie selbst meinen #baerbock", heißt es in einem weiteren Kommentar.
Debatte um Handschlag im Islam: Experte sieht Baerbock-Begrüßung als schlechtes Zeichen
Der Vorfall warf auch wieder die Debatte um die Begrüßung im Islam auf. Darf ein muslimischer Mann einer Frau die Hand schütteln? Die Berührung durch Hände ist verboten. Das geht aus islamischen Schriften hervor, erklärte Scheich Abdul-Aziz Ibn Baz gegenüber dem Institut für Islamfragen. Klar ist, fremde Personen, egal wie alt sie sind, dürfen sich nicht die Hände schütteln. Der Grund: Es könnte die intime Anziehung verstärken. Über das Händeschütteln wird sich weiter gestritten. Während es viele als sittsames Verhalten ansehen, den Handschlag gegenüber einer Frau zu verweigern, sehen es andere als respektlos an. Auch aus politischer Sicht hat diese Art der Begrüßung eine bestimmte Symbolkraft. "Ein verweigerter Handschlag hat oft eine starke politische Symbolik. Es kann Ablehnung, Missachtung oder sogar einen bestehenden Konflikt ausdrücken. Gerade in der Diplomatie sagt eine Geste manchmal mehr als Worte", schreibt ein Nutzer bei Instagram.
Der frühere Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, bewertete den verweigerten Handschlag als schlechtes Zeichen. "Das ist nicht gut, auch wenn wir das aus anderen Ländern kennen, wo extrem konservativ-islamische Männer an der Macht sind: Iran etwa und bis vor einiger Zeit auch Saudi-Arabien", sagte Perthes dem "Stern". Er fügte hinzu: "In Syrien gehört das nicht zur Tradition. Ich hoffe, dass al-Scharaa dafür auch in Syrien kritisiert werden wird."
Folgen Sie News.de schon bei WhatsApp, Facebook, Twitter, Pinterest und YouTube? Hier finden Sie brandheiße News, aktuelle Videos und den direkten Draht zur Redaktion.
bos/news.de/dpa
Erfahren Sie hier mehr über die journalistischen Standards und die Redaktion von news.de.