Chaos im Thüringer Landtag. Die Wahl zum Landtagspräsidenten wurde überschattet von Unterbrechungen durch die AfD, Zwischenrufen und weiteren Vorfällen. Die Sitzung empörte Politiker und Bürger.
- Wahl des Landtagspräsidenten in Thüringen eskaliert
- Jürgen Treutler empört mit Unterbrechungen im Thüringer Landtag
- Antidemokratisch: AfD sorgt für Eklat
Nach der Landtagswahl krachte es im Thüringer Landtag. Am Mittwoch stand die Wahl des neuen Landespräsidenten an. Doch die Sitzung artete aus: Ordnungsrufe, Zwischenrufe und Unterbrechungen prägten die Zusammenkunft. Dazwischen polarisierte Alterspräsident Jürgen Treutler von der AfD. Das Verhalten der AfD und das verursachte Chaos sorgte für Empörung.
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Zoff im Thüringer Landtag bei Wahl zum Landtagspräsidenten
"Schwer erträglich", "beschämend", "skandalös", "destruktiv": Die erste Sitzung des Thüringer Landtags ist im Chaos mit Ordnungsrufen, Unterbrechungen, rhythmischen Klatschen von Abgeordneten, lautem Lachen und Zwischenrufen wie "Rechtsbruch!" versunken. Sie geriet zur Dauerkonfrontation zwischen einer erstarkten AfD mit ihrem Rechtsaußen Björn Höcke an der Spitze und den vier anderen Fraktionen CDU, BSW, Linke, und SPD - und endete mit der Anrufung des Verfassungsgerichts durch die CDU-Fraktion.
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Alterspräsident Jürgen Treutler will Politikern das Wort entziehen - CDU-Mann spricht von "Machtergreifung"
Über mehrere Stunden redete der Alterspräsident der AfD, Jürgen Treutler. Er reagierte auf Anträge der anderen Fraktionen, zumindest die Beschlussfähigkeit festzustellen, mit immer neuen, langen Unterbrechungen. Treutler weigerte sich, Abgeordneten das Wort zu erteilen. "Ich entziehe Ihnen das Wort", ging er etwa den parlamentarischen Geschäftsführer der CDU, Andreas Bühl, an. Dieser sprach daraufhin von einer "Machtergreifung". Die erste Sitzung des Thüringer Landtags knapp vier Wochen nach der Wahl wurde damit zum erwarteten Politikspektakel und einem Tauziehen zwischen einer AfD, die erstmals in Deutschland die stärkste Fraktion stellt, sowie CDU, BSW, Linke und SPD auf der anderen Seite.
Der Moment in #Thüringen, wenn du @CDU viel zu spät merkst, dass @Die_Gruenen nicht dein Hauptgegner sind sondern die AfD und du dann „Machtergreifung!” rufst. pic.twitter.com/ftcywo1QhT
— Peter Colymore ???????? (@IsarJesus) September 26, 2024
AfD-Mann nicht unparteiisch: Ist Teutler eine "Höcke-Puppe"?
Nach vielen Stunden hatte es der Landtag immer noch nicht geschafft, seine Beschlussfähigkeit zumindest festzustellen. Eigentlich sollte ein Landtagspräsident gewählt werden - darum ging es letztlich bei dem Kräftemessen. Die AfD pochte als stärkste Fraktion mit 32 von 88 Abgeordneten auf ihr Vorschlagsrecht. CDU und BSW wollten eine Regeländerung erreichen, dass alle Fraktionen Kandidaten für das zweithöchste Staatsamt vorschlagen können. Sie wollten der AfD, die in Thüringen vom Landesverfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft ist, das Spitzenamt im Parlament nicht überlassen. Doch so weit kam es nicht. "Es zeigt, dass der Alterspräsident nicht unparteiisch agiert, sondern im Prinzip als Höcke-Puppe und er tritt die Demokratie im hohen Haus mit Füßen", sagte CDU-Fraktionschef Mario Voigt.
Janine Merz, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, warf Treutler vor, Abgeordnetenrechte nicht nur einzuschränken, sondern wegzunehmen. "Sie haben dem Landtag großen Schaden zugefügt", sagte der CDU-Abgeordnete Bühl in Richtung Treutler. "Sie haben ihre Rolle als Alterspräsident überhöht." Der parlamentarische Geschäftsführer des BSW, Tilo Kummer, wurde noch deutlicher: "Sie erklären dieses Parlament für unmündig." Treutler verstoße mit seinem Verhalten "gegen die freie Ausübung des Mandats aller 88 Abgeordneten hier im Haus".
Vorwurf des Verfassungsbruchs - Landtagssitzung in Thüringen vertagt
CDU-Mann Bühl betonte, dass Treutler nicht nur die Abgeordnetenrechte, sondern auch das Demokratie-Prinzip eingeschränkt sieht, das Abstimmungen verhindert worden seien. Der Alterspräsidenten habe an mehreren Stellen die Verfassung gebrochen. Es gehen auch um den Schutz des demokratischen Handelns und das Ansehen der Institutionen. Bühl sagte, man wolle beim Verfassungsgerichtshof einen einstweiligen Erlass beantragen, mit dem Ziel, dass Treutler nach der von der bisherigen Landtagspräsidentin erstellten Tagesordnung verfährt und eine Abstimmung über die Änderung der Geschäftsordnung durchführt.
Der AfD-Abgeordnete und Co-Landesparteichef Stefan Möller warf den Abgeordneten von CDU, BSW, Linke und SPD vor, "sämtliche Anstandsregeln" über Bord geworfen zu haben. Die Sitzung sei eine Katastrophe, sagte Möller. Vorwürfe gegen das Agieren des Alterspräsidenten wies er zurück. Es gebe unterschiedliche Rechtsauffassungen zum Ablauf der Sitzung. "Notfalls müssen wir das eben vor Gericht klären." Am Ende sagte Bühl: "Wir greifen jetzt zum letzten Mittel und werden den Thüringer Verfassungsgerichtshof anrufen." Die Sitzung wurde auf Samstag, 28. September, vertagt.
Thüringens ehemalige Landtagspräsidentin Birgit Pommer (Linke) zeigte sich entsetzt über den Verlauf dieser Sitzung. "Das hat Thüringen nicht verdient", sagte sie. Die AfD habe Tatsachen und rechtlich eindeutige Feststellungen völlig verdreht. "Das ist wirklich eine Missachtung der Menschen in Thüringen und der Demokratie." BSW-Fraktionschefin Katja Wolf sagte, Treutler habe versucht, sich in die Rolle eines "gottgleichen Führers dieses Parlaments" begeben. Dieses Verhalten lasse sie nichts Gutes für die nächsten Monate erahnen.
"Sie will sie zerstören": Thüringer AfD entsetzt nach Landtag-Eklat
Der Zoff im Thüringer Landtag schlug hohe Wellen. Viele zeigen sich auf dem sozialen Netzwerk X entsetzt über die AfD. Sie warnen vor dem antidemokratischen Verhalten der in Thüringen als gesichert rechtsextrem eingestuften Partei. Das wird anhand der Kommentare deutlich:
- "In #Thüringen verhindert der AfD-Alterspräsident seit Stunden die Abstimmung der aus dem Parlament gestellten Anträge. Die AfD probt die faschistische Machtergreifung und blockiert das Parlament. Falls noch irgendeiner Zweifel hatte: Die AfD ist absolut antidemokratisch", schreibt Philipp Türmer von den Jusos.
- "Alle Augen nach #Thüringen. Was die AfD dort gerade macht, ist eine Blaupause für ihren mittelfristigen Plan: Sabotage der parlamentarischen Prozesse, bis zur Lähmung. Danach führt sie die Demokratie dann zur Schlachtbank. Die Zeit für ein Verbotsverfahren läuft ab", heißt es in einem weiteren Kommentar.
- "Lehrstück, wie eine antidemokratische Partei, die Demokratie und ihre Institutionen von Innen heraus angreift. #Thüringen", schreibt Linken-Politikerin Clara Anne Bünger.
- "Fragt sich bei diesem AfD-Theater heute noch *irgendjemand* ernsthaft, warum sich demokratische Fraktionen in Parlamenten so vehement gegen AfD-Vizepräsidenten gewehrt haben? Diese Partei ist angetreten, unsere Demokratie von innen auszuhöhlen. Schaut nach #Thüringen", meint FDP-Politikerin Franziska Müller-Rech.
- "Die #noAfD hat heute bewiesen: Sie hat kein Interesse daran, dass der Landtag für #Thüringen arbeiten kann. Sie stiftet Chaos, instrumentalisiert die Funktion des Alterspräsidenten und schadet ganz bewusst der parlamentarischen Demokratie. Es wird klar: Sie will sie zerstören", schreibt Katrin Göring-Eckhardt.
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bos/news.de/dpa
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