Alt-Bundespräsident Gauck ist angesichts der Wahlerfolge der AfD beunruhigt. Und hält es für einen schweren Fehler, die politische Auseinandersetzung auf die Nazifrage zu konzentrieren.
Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hält die AfD nicht für eine Nazi-Partei. Auf die Frage, ob Spitzenpolitiker wie NRW-Ministerpräsident Henrik Wüst (CDU) mit solchen Behauptungen recht hätten, antwortete der 84-Jährige in der ARD-Talksendung "Caren Miosga": "Nein, das haben sie nicht. Es sind Nazis in dieser Partei, Nazis gibt es in ganz Europa, besonders viele übrigens in Russland. Aber diese Leute werden wir nicht unbedingt los, weil wir aus unseren Gesellschaften das Destruktive nicht verbannen können."
Gauck sagte weiter, das Problem bestehe nicht darin, dass eine übergroße Zahl von Wählern in Europa ein Nazireich wie zu Adolf Hitlers Zeiten zurückhaben wollten. Vielmehr bestehe das Problem darin, "dass sie ihrer eigenen Kraft der Gestaltung unseres Gemeinwesens weniger zutrauen als bestimmten Führungskräften". Sie wollten offenbar "lieber Gefolgschaft sein" unter autoritär regierenden Führungsfiguren wie dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán "und ähnlichen Typen".
Eine selbstbestimmte und auf Debattenkultur beruhende offene Gesellschaft mache solchen Menschen Angst - und deshalb gebe es diese Anschlussform an die Nazi-Ideologie. "Aber wir würden einen schweren Fehler machen, wenn wir unsere politische Auseinandersetzung, die unbedingt sein muss, wenn wir die konzentrieren würden auf die Nazifrage", sagte Gauck am Abend nach der Brandenburg-Wahl. "Die sind da, aber das andere Problem der Sehnsucht nach autoritärer Führung und Unterordnung - das ist das gewichtigere und da müssen wir hin." Die Moderne verlange den Menschen viel ab. "Freiheit ist nicht nur: Ich fühle mich glücklich, sondern: Ich bin verantwortlich - und das überfordert viele Menschen."
Angesichts der jüngsten Wahlerfolge der AfD in den ostdeutschen Bundesländern könne er eine gewisse Beunruhigung nicht verbergen, sagte der langjährige Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR weiter. Aber er sei schon damals in alten Diktaturzeiten nicht für Untergangsstimmung zuständig gewesen, sondern habe Ausschau gehalten, wie man diese Zeit durchlebe und ob es Alternativen im Denken gebe. Die ostdeutsche Gesellschaft sei zutiefst von 56 Jahre währender Ohnmacht geprägt. Folglich sei Eigenverantwortung, die Rolle des Ichs in der Gesellschaft eine völlig andere als im Westen gewesen.
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+++ Redaktioneller Hinweis: Diese Meldung wurde basierend auf Material der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erstellt. Bei Anmerkungen oder Rückfragen wenden Sie sich bitte an hinweis@news.de. +++
kns/roj/news.de