+++ Kreml: Putin fährt nicht zu G20 nach Indien +++
Putin habe gerade erst per Videoschaltung am Gipfeltreffen der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) teilgenommen, sagte Peskow russischen Agenturmeldungen zufolge. Die Form seiner Teilnahme am G20-Gipfel werde geklärt. Das Treffen findet am 9./10. September in Neu-Delhi statt. Putin war auch nicht zum Gipfel der Gruppe im vergangenen Jahr nach Indonesien geflogen.
+++ Kreml streitet Verantwortung für Tod von Prigoschin ab +++
Gegenüber der BBC hat Russland die Anschuldigungen, für den Tod von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin verantwortlich zu sein, als "komplette Lüge" zurückgewiesen. "Das ist eine absolute Lüge", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau. Rund um den Flugzeugabsturz gebe es viele Spekulationen, die "im Westen aus einer bestimmten Ecke befeuert" würden, wurde Peskow von russischen Nachrichtenagenturen zitiert.
Auch der Kreml habe noch keine Bestätigung für den Tod Prigoschins. Peskow riet, die Ergebnisse der Untersuchungen abzuwarten, wie es auch Putin am Vorabend gesagt habe. "Wenn die offiziellen Ergebnisse zur Veröffentlichung bereit sind, werden sie auch veröffentlicht."
Auf halbem Weg von Moskau nach St. Petersburg war am Mittwoch ein Flugzeug abgestürzt. Alle Menschen an Bord kamen ums Leben. Laut Passagierliste saß auch Prigoschin, Chef der Privatarmee Wagner, im Flugzeug. Er hatte mit seinen Bewaffneten zwei Monate zuvor gegen Putin und Militärführung gemeutert. Im russischen Internet werden Vorwürfe erhoben, der Flug sei aus Rache sabotiert worden. Westliche Regierungen gehen ebenfalls nicht von einer technischen Ursache aus.
Peskow sagte, er könne zur Zukunft der Wagner-Bewaffneten nichts sagen. Nach russischem Recht gebe es gar keine private Militärfirma Wagner. Trotzdem habe die Gruppe natürlich existiert. Die Schattenarmee war in Syrien und vielen afrikanischen Ländern im Einsatz, sie kämpfte offen auch in der Ukraine.
+++ Bundesregierung: Gewaltsamer Tod Prigoschins wäre nicht überraschend +++
Nach dem mutmaßliche Tod des russischen Söldnerführers Jewgeni Prigoschin hält es die Bundesregierung für denkbar, dass der Absturz seines Flugzeugs mutwillig herbeigeführt worden ist. "Besonders überraschend wäre ein gewaltsames Ende Prigoschins nicht", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Freitag in Berlin. Gleichzeitig betonte er, dass die Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse über die Umstände des Vorfalls habe. Der Chef der Privatarmee Wagner soll am Mittwochabend beim Absturz eines Flugzeugs in Russland ums Leben gekommen sein.
+++ US-Institut: Prigoschins Tod beendet Wagners Unabhängigkeit +++
Der mutmaßliche Tod des Söldnerführers Jewgeni Prigoschin bedeutet nach Einschätzung von US-Militärexperten wohl das Ende der Wagner-Gruppe als quasi-unabhängige Privatarmee. Der Verlust der zentralen Führungsfigur schwäche ihre Fähigkeit, der Kampagne des Kremls und des russischen Verteidigungsministeriums entgegenzutreten, die die Gruppe nach ihrer Rebellion am 24. Juni destabilisieren und zerstören wollten, schrieb das US-Institut für Kriegsstudien ISW in seiner Analyse am Donnerstag (Ortszeit).
Berichten zufolge habe das Ministerium bereits selbst private Militärgruppen eingerichtet, welche derzeitiges und früheres Wagner-Personal rekrutierten, hieß es weiter. Dabei gehe es um die Kontrolle von Wagner-Operationen im Ausland. Unklar sei, ob der Kreml Wagner komplett auflösen oder als kleinere, dem Verteidigungsministerium unterstehende Organisation neu aufstellen wolle. Dass Wagner als quasi-unabhängige Gruppe mit neuer, kremltreuer Führung erhalten bleibe, sei als dritte Option zwar möglich, aber nach ISW-Einschätzung unwahrscheinlich.
Die US-Experten verwiesen darauf, dass sich Wagners Kommandantenrat seit Prigoschins mutmaßlichem tödlichen Flugzeugabsturz noch nicht öffentlich zur Zukunft der Gruppe geäußert hat. Dies könne für ein allgemeines Chaos innerhalb der Befehlsränge sprechen oder für eine explizite Schweige-Anweisung russischer Autoritäten, schrieb das ISW. Wladimir "Putins fast sichere Ermordung von Wagners Führung hat sehr deutlich gemacht, dass der Kreml nach außen hin feindselig gegenüber denen sein wird, die versuchen, die Unabhängigkeit ihrer eigenen parallelen Militärstrukturen zu sichern", hieß es in der Analyse.
Ein von Putin persönlich ausgewählter Prigoschin-Nachfolger liefe wiederum Gefahr, sich den Zorn der Wagner-Basis zuzuziehen. Nach dem Wagner-Aufstand werde der Kreml wahrscheinlich jegliche künftige Gründungen militärischer Gruppen anhand seiner Erfahrungen mit Wagner und Prigoschin beurteilen, so die Einschätzung aus Washington. Der mutmaßliche Mord an dem Söldnerführer werde damit zur stehenden Drohung an alle, die versuchten, ähnliche Parallelstrukturen zu errichten.
+++ Tschetschenen-Führer Kadyrow trauert öffentlich um Prigoschin +++
Der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow hat den mutmaßlichen Tod des russischen Söldnerführers Jewgeni Prigoschin öffentlich betrauert. "Sein Tod ist ein großer Verlust für den ganzen Staat", schrieb er in der Nacht zum Freitag auf seinem Telegram-Kanal, kurz nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin von einer Tragödie gesprochen hatte. Den Angehörigen sprach er sein Beileid aus. Kadyrow und Prigoschin waren beide mit ihnen unterstellten Truppen an Russlands Angriffskrieg in der Ukraine beteiligt. Dabei waren sie eine Zeit lang in ihrer Kritik gegen die russische Militärführung vereint, zerstritten sich am Ende aber schwer.
"Wir waren seit langer Zeit befreundet", behauptete Kadyrow nun, zwei Tage nachdem Prigoschin mutmaßlich bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Auf Telegram postete er ein Foto, das ihn bei der Entgegennahme eines Ordens der Söldnertruppe Wagner aus den Händen Prigoschins zeigt. Auf den Konflikt ging er nur am Rande ein. Prigoschin habe in den letzten Monaten das große Gesamtbild aus den Augen verloren. "Ich habe ihn gebeten, seine persönlichen Ambitionen hintenan zu stellen zugunsten von Angelegenheiten höchster Wichtigkeit für den Staat", schrieb er.
Tatsächlich galten Kadyrow und Prigoschin beide als Hardliner und forderten ein noch härteres Vorgehen Moskaus in der Ukraine. Viele Beobachter bezeichneten die Allianz der beiden allerdings als befristet, gehe es bei ihrer Kritik an der Militärführung doch vor allem darum, Vorteile für die eigenen Truppenteile herauszuschlagen. Tatsächlich endete das Bündnis, als Prigoschin Kadyrows Achmat-Truppen dafür kritisierte, nie an vorderster Front zu kämpfen. Daraufhin drohten die tschetschenischen Einheiten dem Wagner-Chef unter anderem Gewalt an.
Die von Prigoschin im Juni initiierte Meuterei versprach Kadyrow "mit harten Methoden" niederzuschlagen. Zu einer Auseinandersetzung zwischen Wagner- und Achmat-Einheiten kam es aber nicht; Prigoschin blies den Aufstand selbst ab.
+++ London: Prigoschin ist "sehr wahrscheinlich" tot +++
Der russische Söldnerführer Jewgeni Prigoschin ist nach Einschätzung britischer Geheimdienste "sehr wahrscheinlich" tot. Zwar gebe es noch keinen endgültigen Beweis, dass Prigoschin an Bord des abgestürzten Flugzeugs gewesen sei, zumal er stets außergewöhnliche Sicherheitsmaßnahmen ergreife, betonte das britische Verteidigungsministerium am Freitag. Doch Prigoschins Tod würde die Privatarmee Wagner zutiefst destabilisieren, hieß es in London weiter.
"Seine persönlichen Eigenschaften wie Hyperaktivität, außergewöhnliche Kühnheit, Ergebnisorientierung und extreme Brutalität haben Wagner geprägt und dürften von keinem Nachfolger erreicht werden", teilte das britische Ministerium weiter mit. Das Führungsvakuum bei Wagner würde sich noch verschärfen, wenn Berichte zuträfen, dass Gründer und Feldkommandant Dmitri Utkin und Logistikchef Waleri Tschekalow tot sind.
+++ Prigoschins Tod gibt weiter Rätsel auf +++
Zwei Tage nach dem mutmaßlichen Tod des russischen Söldnerführers Jewgeni Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz herrscht noch immer keine Klarheit über die Umstände. Russlands Präsident Wladimir Putin bestätigte am Donnerstagabend nur indirekt den Tod seines einstigen Günstlings, der als Chef der Privatarmee Wagner zwei Monate zuvor gegen ihn gemeutert hatte. Allerdings geht auch die US-Regierung nach Medienberichten davon aus, dass Prigoschin bei dem Absturz am Mittwochabend ums Leben kam.
Die USA kündigten unterdessen an, im September mit der Ausbildung ukrainischer Piloten auf dem Kampfjet F-16 zu beginnen. Um dieses Flugzeug hatte Kiew lange gebeten, nun soll es die ukrainische Luftwaffe endlich bekommen - nach den Niederlanden und Dänemark kündigte am Donnerstag auch Norwegen an, F-16-Jets zur Verfügung zu stellen.
Präsident Wladimir Putin hatte seine Armee am 24. Februar 2022 in das Nachbarland einmarschieren lassen. Anderthalb Jahre später wurde am Donnerstag der Unabhängigkeitstag der Ukraine gefeiert, zu dem Präsident Wolodymyr Selenskyj einen Glückwunsch-Anruf seines wohl wichtigsten Unterstützers bekam. US-Präsident Joe Biden versprach ihm nach Angaben des Weißen Hauses, die Verteidigungsbemühungen der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland so lange wie nötig zu unterstützen. Derweil wurde über Odessa und der russisch besetzten Schwarzmeer-Halbinsel Krim in der Nacht zu Freitag Luftalarm ausgelöst.
+++ Putin spricht in Vergangenheitsform von Prigoschin +++
Eine offizielle Identifizierung der Leiche Prigoschins durch die russischen Behörden stand bis Freitag noch aus. Putin sprach indes schon in der Vergangenheitsform von dem "talentierten Geschäftsmann" und Söldnerführer. "Er war ein Mensch mit einem schwierigen Schicksal, und er hat ernsthafte Fehler gemacht", sagte er. Während der Meuterei der Wagner-Kämpfer gegen die russische Führung im Juni hatte Putin seinem langjährigen militärischen Handlanger Prigoschin Verrat vorgeworfen, ihm und seinen Gefolgsleuten dann aber die Ausreise nach Belarus ermöglicht.
Bei dem Flugzeugabsturz kamen zehn Menschen ums Leben. An Prigoschins Firmensitz in St. Petersburg und in anderen russischen Städten legten Trauernde Blumen nieder. Prigoschin und seine Wagner-Truppe hatten zwar wegen ihrer verdeckten Auslandseinsätze und wegen ihrer Brutalität auch im Inland keinen guten Ruf. Doch seine Kritik an Fehlern der russischen Militärführung machte ihn für viele Russen auch zu einem Helden. In sozialen Medien wurde der Vorwurf erhoben, das vermeintliche Flugzeugunglück sei in Wahrheit ein Attentat auf Prigoschin gewesen - eine Einschätzung, die auch viele westliche Politiker und Militärexperten vertreten.
+++ Auch USA vermuten Attentat +++
Die "New York Times" und andere US-Medien berichteten unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise, dass vermutlich eine Explosion an Bord des Flugzeugs den Absturz ausgelöst habe. Eine endgültige Schlussfolgerung sei noch nicht gezogen, eine Explosion aber derzeit die wahrscheinlichste Begründung, schrieb die "New York Times". Ein Sprecher des US-Verteidigungsministerium sagte, es gebe keine Hinweise, dass der Jet von einer Boden-Luft-Rakete getroffen worden sei. Dies hatten Prigoschin nahestehende Webseiten und Kanäle in sozialen Medien gemutmaßt.
In Deutschland sieht SPD-Chef Lars Klingbeil in dem mutmaßlichen Attentat ein Anzeichen für Putins schwindende Macht. "Wenn das am Ende alles so stimmt, wie wir gerade vermuten, ist das ein weiteres Indiz dafür, dass Putin nicht mehr alles im Griff hat, dass Putin nicht mehr in Russland alles steuern kann - nur noch mit Terror und mit Unterdrückung", sagte Klingbeil in Lüneburg bei "RND vor Ort", einer Veranstaltung des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Das ist erstmal auch ein Zeichen, das ein bisschen Optimismus gibt, dass dort langsam dieses System Putin auseinanderfällt."
+++ Selenskyj: Die Welt braucht unsere Offensive +++
Der Erfolg der ukrainischen Gegenoffensive sei bedeutend für die gesamte Welt, sagte Präsident Selenskyj bei einem Treffen mit dem norwegischen Ministerpräsidenten Jonas Gahr Støre in Kiew. "Denn die Ukraine kämpft für unsere gemeinsamen Werte. Ich wünsche mir, dass alle Welt das endlich begreift." Der Erfolg der Vorstöße im Süden hänge indes an vielen Faktoren, unter anderem an der hohen Minendichte in den russisch besetzten Gebieten. "Tausende von Minen, alles ist vermint, aber die Soldaten kommen voran."
Die Gegenoffensive der Ukrainer ist bislang hinter den hohen Erwartungen zurückgeblieben. Medien in den USA zitieren Kritik von Experten am Einsatz der ukrainischen Truppen. Der Oberkommandierende Walerij Saluschnyj wies dies laut einem Bericht des "Wall Street Journal"zurück. Seine Truppen stünden kurz vor einem Durchbruch, behauptete er demnach.
Ukrainische Truppen wehrten nach Militärangaben an mehreren Frontabschnitten russische Angriffe ab. Der abendliche Lagebericht des Generalstabs in Kiew nannte die Abschnitte Kupjansk im Osten des Landes und Awdijiwka nördlich der von Russland kontrollierten Stadt Donezk. Bei Marjinka südwestlich von Donezk seien die Russen in der Offensive; es sei aber gelungen, sie zurückzuhalten. Die eigene Gegenoffensive bei Robotyne im Gebiet Saporischschja laufe weiter, man baue die erreichten Positionen aus. Die Militärangaben waren nicht unabhängig überprüfbar.
Am Freitagmorgen hieß es dann aus Moskau, die ukrainische Luftwaffe habe in der Nacht einen großangelegten Drohnenangriff gewagt. Die Luftabwehr habe 42 Flugroboter über der Krim entdeckt, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Auf neun der unbemannten Flugkörper sei geschossen worden, bei 33 das Steuerungssystem gestört worden, so dass die Drohnen vor dem Erreichen ihres Ziels abgestürzt seien.
+++ USA steigen in Ausbildung der Ukraine auf F-16 ein +++
Das US-Militär will ukrainische Piloten in den USA an Kampfjets vom Typ F-16 ausbilden, wie Pentagon-Sprecher Pat Ryder ankündigte. Im September solle zunächst ein Englisch-Training beginnen, im Oktober dann das Flugtraining. Die US-Regierung will damit einen weiteren Trainingsort einrichten neben den Ausbildungsstätten bei europäischen Partnerländern. Die Ukraine hatte ihre internationalen Partner monatelang um westliche Kampfjets gebeten, um die russische Invasion besser abwehren zu können.
+++ Solidarität mit der angegriffenen Ukraine +++
Zum Unabhängigkeitstag der Ukraine bekundeten am Donnerstag in Berlin zahlreiche Menschen ihre Unterstützung für das angegriffene Land. Bei einer Demonstration vor dem Brandenburger Tor waren blau-gelbe Flaggen zu sehen. Ukrainerinnen und Ukrainer forderten weitere militärische und humanitäre Hilfe im Kampf gegen die russischen Angreifer. Mit mehreren Aktionen in Berlins Mitte - teils nicht weit entfernt von der russischen Botschaft - gedachten die Menschen der Opfer des Krieges.
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