Die Entlassung des Generalmajors Iwan Popow könnte dem Kreml-Regime das Genick brechen. Zahlreiche hochrangige Militärmitglieder kritisieren offen die Entscheidung. Droht Wladimir Putin nun die nächste Rebellion?
Erst vor knapp drei Wochen scheiterte der Putsch-Versuch der Söldner-Armee und nun beschwört die russische Führung möglicherweise die nächste Rebellion herauf. Der Grund: Die Absetzung von Generalmajor Iwan Popow.
Wladimir Putin vor drohender Militär-Rebellion: Entlassung von Iwan Popow könnte fatale Folgen haben
Popow befehligte die 58. Armee in der besetzten ukrainischen Region Saporischschja und äußerte intern zuletzt heftige Kritik an der Kriegsführung des Kreml-Regimes. Generalstabschef Waleri Gerassimow und Verteidigungsminister Sergeij Schoigu ignorierten die Warnungen jedoch. Popow wollte daher persönlich bei Wladimir Putin vorsprechen und die "schwierige Lage" erläutern. Am Mittwoch wurde Popow schließlich von seinen Aufgaben entbunden.
"Ich wies auf die wichtigste Tragödie des modernen Krieges hin – das Fehlen von Gegenfeuer, das Fehlen von Artillerie-Aufklärung und die massenhaften Verluste und Verletzungen unserer Brüder durch die feindliche Artillerie", sagte Popow in einer Sprachnachricht auf Telegram. Er habe die desaströse Lage der russischen Armee in der Südukraine beschrieben und ein sofortiges Umdenken gefordert. "Aus diesem Grund spürten die Vorgesetzten wahrscheinlich eine gewisse Gefahr in mir und stellten sofort, an einem Tag, einen Befehl an den Verteidigungsminister aus und wurden mich los."
Nach der Entlassung herrscht Wut und Empörung im russischen Militär. Kriegsreporter Roman Sapankow spricht sogar von einem "monströsen Terrorakt gegen die Moral der Armee". Andrey Guruljow, Duma-Abgeordneter der Putin-Partei "Einiges Russland" fordert sogar, die Entlassung rückgängig zu machen. Und damit ist er nicht allein:Generaloberst Andrej Kartapolow, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses der Duma, forderte die Militärführung auf, die Entscheidung zu überdenken. Die "wichtigste Fähigkeit eines Chefs ist die Fähigkeit, Probleme zu erkennen und seinen Untergebenen zuzuhören", sagte er. "In der Führung der Armee finden einige unvorstellbare Prozesse statt, die nur schwer mit Vernunft zu vereinbaren sind. Die jüngsten Entscheidungen des Generalstabs schwächen die Moral und Kampfkraft der Armee erheblich – genau der Armee, die Saporischschja unter den Bedingungen des Mangels an allem auf der Welt verteidigte", wetterte General Guruljow bei Telegram.
"Armee heimtückisch enthauptet!" Heftige Kritik an russischer Militärführung
Die Absetzung des Generalmajors könnte fatale Folgen haben. "Die nächste bewaffnete Rebellion gegen Putin könnte sehr wohl von der russischen Armee selbst angeführt werden", warnte Ukraine-Aktivist Igor Sushko auf Twitter. Popow machte deutlich, dass er mit seiner Kritik an der russischen Führung nicht alleine sei. "Wie viele Regiments- und Divisionskommandeure heute sagten, ist unsere Armee nicht an der Front geschlagen worden, sondern unser oberster Befehlshaber ist uns in den Rücken gefallen und hat damit die Armee in der schwierigsten Stunde heimtückisch enthauptet", sagte Popow.
US-Institut sieht fragile Kommandostrukturen in Moskaus Ukraine-Krieg
Auch westliche Experten sehen schwere Probleme in den russischen Kommandostrukturen. Popows Absetzung bestätige, dass Moskaus Verteidigungsstellungen in der Ukraine "wahrscheinlich brüchig" seien, hieß es in einer Analyse des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW). Die Experten verwiesen auf ihre früheren Einschätzungen, nach denen die russischen Streitkräfte keine Reserven etwa für Rotationen hätten.
Im Falle eines Durchbruchs ukrainischer Kräfte bei deren Gegenoffensive blieben die russischen Stellungen ohne Unterstützung, meinten die ISW-Experten. Sie erwarten zwar, dass Popows Abgang unmittelbar allenfalls "marginale" Auswirkungen habe. Sie betonen aber: "Die immer fragilere russische Befehlskette könnte in Zukunft zu einer kritischen Kommando- und Kontrollkrise führen, in der die Unterstützung der Feldkommandeure für das russische Militärkommando immer schwächer werden könnte."
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bua/bos/news.de/dpa