Mit der Rückholung von Verteidigern der Stadt Mariupol in die Ukraine ist Selenskyj ein Coup gelungen. Kiews Botschafter in Berlin will derweil auf dem Nato-Gipfel diese Woche eine klare Beitrittszusage. Das sind alle aktuellen News zum Ukraine-Krieg.
Tag 501: Während Selenskyj holthochrangige Kommandeure zurück nach Kiew holt, kritisiert Russland die von den USA geplante Lieferung von Streumunition. Auch andere Länder positionieren sich klar gegen die umstrittenen Waffen. Zudem dringt die Ukraine auf eindeutige Beitrittszusage beim Nato-Gipfel.
Ukraine-Krieg im News-Ticker - alle aktuellen Geschehnisse am 09.07.2023 im Überblick
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+++ Behörden: Russische Flugabwehr schießt ukrainische Raketen ab +++
Die russische Flugabwehr hat in der Grenzregion Rostow und auf der von Moskau annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim laut Behörden ukrainische Raketen abgeschossen. Im Gebiet Rostow beschädigten die Trümmer einer abgeschossenen Rakete mehrere Gebäude, wie Gouverneur Wassili Golubew am Sonntag bei Telegram mitteilte. Es gebe keine Verletzten. Der Chef der Krim, Sergej Aksjonow, teilte mit, dass in der Region Kertsch ein Marschflugkörper abgeschossen worden sei. Es gebe weder Schäden noch Verletzte.
In russischen Grenzregionen beklagen die Behörden immer wieder Beschuss mit Drohnen und Artillerie von ukrainischer Seite. Angesichts der Waffenlieferungen des Westens hatten sie auch vor möglichen Raketenangriffen gewarnt.
Die Schäden gelten als gering im Vergleich zu den Verwüstungen ganzer Städte und Ortschaften durch den seit mehr als 500 Tagen andauernden russischen Angriffskrieg. Russland überzieht die Ukraine immer wieder mit Raketen- und Drohnenangriffen, bei denen auch viele Menschen sterben. Die Vereinten Nationen haben seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 bisher mehr als 9000 Todesfälle und rund 16 000 Verletzte unter Zivilisten erfasst. Die UN zählen nur Fälle, die sie unabhängig bestätigen konnten. Viele Fälle sind bisher nicht erfasst, weshalb die Zahl der Toten und Verletzten deutlich höher sein dürfte.
+++ Mindestens neun Tote nach russischem Beschuss ostukrainischer Stadt +++
Nach dem russischen Beschuss der ostukrainischen Stadt Lyman ist die Zahl der Toten dort auf mindestens neun gestiegen. Die Behörden meldeten am Sonntag, dass nach dem Beschuss am Vortag noch ein Mensch gestorben sei. Demnach lag die Zahl der Verletzten bei 12. «Gegen zehn Uhr morgens haben die Russen mit Raketenwerfern die Stadt beschossen», schrieb der Chef der ukrainischen Militärverwaltung von Donezk, Pawlo Kyrylenko, auf Telegram, am Samstag. Dabei seien gezielt Wohnhäuser unter Feuer genommen worden. Seinen Angaben nach werden die Verletzten medizinisch versorgt. Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen.
Die Stadt Lyman im Norden der Region Donezk wurde im Mai 2022, vier Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs, nach schweren Kämpfen von moskautreuen Truppen besetzt. Im Herbst gelang den Ukrainern im Zuge ihrer Gegenoffensive die Rückeroberung der Stadt. Allerdings verläuft die Front immer noch in unmittelbarer Nähe von Lyman. Derzeit trennen die Stadt nur etwas mehr als zehn Kilometer von den russischen Truppen. Sie ist daher von Artillerie und Raketenwerfern leicht zu erreichen.
+++ US-Institut sieht Wagner-Armee weiter als Gefahr für Putin +++
Die Wagner-Armee des russischen Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin stellt aus Sicht von US-Experten weiter eine potenzielle Gefahr für Kremlchef Wladimir Putin und seinen Machtapparat dar. "Putin erlaubt Wagner und Prigoschin weiter, in Russland zu operieren und potenziell eine Gefahr für sein Regime zu sein", hieß es in einer Analyse des US-Instituts für Kriegsstudien ISW vom Samstagabend (Ortszeit) in Washington. Auch zwei Wochen nach dem kurzzeitigen Wagner-Aufstand mit wohl 25 000 Söldnern gegen die russische Militärführung könnten sich Prigoschin und die Kommandeure frei in Russland bewegen.
Putin habe entweder ein bemerkenswertes Vertrauen in die beteuerte Loyalität Prigoschins, oder er sei unfähig, gegen die Wagner-Truppen vorzugehen, meinten die ISW-Experten. Der Kremlchef hatte Prigoschin und seinen Wagner-Söldnern Straffreiheit zugesichert, nachdem sie den Aufstand überraschend beendet hatten. Der Präsident bot den Söldnern an, einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium zu unterschreiben, sich nach Hause oder ins benachbarte Belarus zurückzuziehen.
In Minsk hatte Machthaber Alexander Lukaschenko das Ende des Aufstandes vermittelt und Prigoschins Armee Stützpunkte angeboten. Nach Lukaschenkos jüngsten Angaben haben sich weder Prigoschin noch die Truppen dort bisher niedergelassen. Die ISW-Experten verwiesen auch auf Aussagen eines Wagner-Kommandeurs, nach denen die Truppen derzeit bis August im Urlaub seien. Nach Aussagen des Kommandeurs Anton Jelisarow, Kampfname Lotos, könnte der Kreml auch versuchen, die in Afrika und im Nahen Osten agierenden Söldner unter seine Kontrolle zu bringen.
Die ISW-Experten meinten, dass die Neuorganisation der Wagner-Armee und ihre Verlegung nach Belarus noch bis zum Herbst nicht klar sein könnten. Auch die genauen Abmachungen zwischen Putin und seinem frühere Vertrauten Prigoschin sowie weitere Folgen des schnell wieder beendeten Wagner-Aufstandes blieben weiter unklar. "Aber die Ukraine hat schon Nutzen aus der Rebellion gezogen und kann weiter davon profitieren", hieß es in der ISW-Analyse. Wagner sei in der Ukraine einst Russlands effektivste Kampfeinheit gewesen, werde aber wohl in der laufenden Gegenoffensive Kiews keine Rolle spielen. Auch könnten Moskaus Fähigkeiten zur Kriegsführung dauerhaft geschwächt werden.
+++ London: Russische Staatsmedien wurden von Wagner-Aufstand überrascht +++
Die staatlich kontrollierten russischen Medien wurden nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten vom Aufstand der Söldnertruppe Wagner überrascht. Das geht aus dem täglichen Geheimdienstbericht des Verteidigungsministeriums in London am Sonntag hervor. Demnach lief das normale Programm im russischen TV einfach weiter.
Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hatte in einem Aufstand gegen die russische Militärführung am 24. Juni mit seinen Söldnern die südrussische Stadt Rostow am Don besetzt. Seine Kämpfer rückten dann Richtung Moskau vor. Stunden später rief Prigoschin sie zurück und stimmte einer Ausreise nach Belarus im Gegenzug für eine Amnestie zu.
Nachdem der Aufstand beendet war, versuchten die russischen Kanäle zunächst der Behauptung entgegenzutreten, Sicherheitskräfte hätten sich passiv verhalten, so die Briten. Stattdessen hätten sie versucht, das Narrativ zu bedienen, Präsident Wladimir Putin habe triumphiert, indem er die Revolte ohne Blutvergießen erfolgreich zu Ende gebracht habe. Eine Woche später sei dann die Bedeutung Prigoschins heruntergespielt und dessen Charakter infrage gestellt worden. Kanäle Wagners im sozialen Netzwerk Telegram hingegen seien wohl auf staatliche Intervention hin verstummt. Putin habe versucht, mit öffentlichen Auftritten Stärke zu zeigen.
+++ Kiew drängt auf Beitrittszusage bei Nato-Gipfel +++
Kurz vor dem Nato-Gipfel dringt die Ukraine weiter auf eine eindeutige Zusage, dass sie in das Bündnis aufgenommen wird. "Auf dem Gipfel in Vilnius erwarten wir eine klare und deutliche Einladung und Wegweisung zum Nato-Beitritt", sagte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, der Deutschen Presse-Agentur. Auch wenn der Beitritt nicht von heute auf morgen passieren werde, erwarte man, dass die Nato keine Zweideutigkeit mehr zulässt.
Am Dienstag und Mittwoch kommen die Staats- und Regierungschefs der 31 Nato-Staaten im litauischen Vilnius zusammen, um unter anderem über die Nato-Beitrittsperspektive für die Ukraine zu beraten. Makeiev mahnte, dass die Fehler vom Nato-Gipfel in Bukarest 2008 nicht wiederholt werden dürften. Damals hatte sich vor allem Deutschland unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen eine schnelle Aufnahme der Ukraine in das Bündnis gestemmt. "Wäre die Ukraine 2014 bereits Nato-Mitglied gewesen, hätte es die Krim-Annexion, den Krieg im Donbass und jetzt den russischen großangelegten Angriffskrieg sicherlich nicht gegeben", sagte der Botschafter. Russland hatte die Ukraine Ende Februar 2022 überfallen.
Inzwischen hat Präsident Wolodymyr Selenskyj Verteidiger der Hafenstadt Mariupol aus der Türkei nach Hause zurückgebracht. Den 500. Tag der Gegenwehr seines Landes gegen Russland beging Selenskyj mit einer Gedenkveranstaltung.
+++ 500 Tage Ukraine-Krieg: Beten für den Sieg +++
Mit einem großen Gottesdienst in der westukrainischen Stadt Lwiw ließ die politische Führung der Ukraine den 500. Tag der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg ausklingen. Tausende Ukrainer hätten seit Kriegsbeginn Mut und Kraft in den Kämpfen für die Heimat bewiesen, sagte Selenskyj bei der Gedenkveranstaltung. Fast 50 000 seien in der Zeit ausgezeichnet worden, davon 298 mit dem höchsten Orden des Landes als "Held der Ukraine".
Einen davon, Olexandr Piwnenko, ernannte der Präsident am Abend zum neuen Chef der Nationalgarde. Er wünsche ihm den Sieg, die Befreiung des ganzen Landes und die Rückkehr aller Ukrainer in die Heimat, gab Selenskyj dem neuen Nationalgarde-Chef mit auf den Weg.
+++ Selenskyj bringt Verteidiger von Azovstal in die Ukraine zurück +++
Zumindest fünf an der Verteidigung des Stahlwerks Azovstal in Mariupol beteiligte hochrangige Offiziere brachte der Präsident selbst von seinem Besuch in der Türkei nach Lwiw zurück. "Nach Hause", unterschrieb Selenskyj am Samstag ein Foto auf seinem Telegram-Kanal, das ihn im Flugzeug zusammen mit drei Kommandeuren des Regiments "Asow", dem Chef der Marineinfanteriebrigade 36, Serhij Wolynskyj und dem Kommandeur der 12. Brigade der Nationalgarde, Denys Schlehu, zeigt. Die Männer waren nach der Eroberung von Azovstal in russische Gefangenschaft geraten, wurden dann aber an die Türkei ausgeliefert. Sie seien nun "nach Verhandlungen mit der türkischen Seite" wieder in ihre Heimat zurückgebracht worden, heißt es auf der Seite der ukrainischen Präsidialadministration.
Kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wurde die Hafenstadt Mariupol zum Epizentrum erbitterter Kämpfe. Mehrere Monate dauerten die Gefechte um die von russischen Truppen eingeschlossene Stadt. Am Ende hatten sich noch mehrere tausend ukrainische Soldaten, darunter auch Kämpfer des nationalistischen Asow-Regiments im Stahlwerk Azovstal verschanzt. Erst im Mai ergaben sich die letzten Verteidiger.
+++ Moskau sieht Rückholung als Verstoß gegen Vereinbarung +++
Russland wollte eigentlich den ukrainischen Kämpfern den Prozess machen. Gerade das nationalistische Asow-Regiment diente Moskau immer wieder als Rechtfertigung für den bereits mehr als 16 Monaten dauernden Angriffskrieg und für die Behauptung, die Ukraine angeblich von "Faschisten" zu "befreien". Trotzdem schob sie später mehrere Kommandeure des Regiments in die Türkei ab.
Kremlsprecher Dmitri Peskow kritisierte die Rückholung der ukrainischen Soldaten nun als "direkten Verstoß gegen bestehende Vereinbarungen" sowohl von türkischer als auch von ukrainischer Seite. Die Befreiung der Asow-Kommandeure aus russischer Gefangenschaft sei an die Bedingung ihres Verbleibs in der Türkei bis Kriegsende geknüpft gewesen, sagte er. Offenbar habe die Nato großen Druck auf Ankara ausgeübt, damit Selenskyj vor dem Nato-Gipfel und angesichts der "Niederlagen bei der Gegenoffensive" einen Erfolg vorweisen könne, spekulierte der Kremlsprecher.
+++ Russland kritisiert Lieferung von Streumunition an Ukraine +++
Das russische Außenministerium kritisierte zugleich die USA scharf für die Lieferung von Streumunition an die Ukraine. Dies sei eine weitere "eklatante Offenbarung des aggressiven antirussischen Kurses der USA, der auf die maximale Verlängerung des Konflikts in der Ukraine und einen Krieg bis zum "letzten Ukrainer" zielt", heißt es in einem am Samstag verbreiteten Kommentar der Außenamtssprecherin Maria Sacharowa. Durch die Streumunition würden noch mehr Zivilisten getötet.
Das Versprechen der Kiewer Führung, die Munition nur gegen militärische Ziele anzuwenden, bezeichnete Sacharowa als wertlos. "Washington wird mit der Lieferung von Streumunition zum Mittäter bei der Verminung von Territorien und teilt damit auch in vollem Ausmaß die Verantwortung für Sprengungen, darunter von russischen und ukrainischen Kindern", sagte die Sprecherin weiter.
Die Streumunition ist Teil eines neuen US-Militärhilfe-Pakets in Höhe von 800 Millionen US-Dollar (rund 729 Mio Euro). Washington hatte die Entscheidung als schwer, aber trotz der erhöhten Gefahren für die Zivilbevölkerung als notwendig verteidigt. Russland hat in seinem Krieg gegen die Ukraine selbst Streubomben eingesetzt.
Kritik an der Entscheidung in Washington kam auch von westlichen Partnern wie Großbritannien, Spanien und auch aus Deutschland.
+++ Russische Paramilitärs: Planen weitere Operationen im Grenzgebiet +++
Das paramilitärische russische Freiwilligenbataillon "Legion Freiheit Russlands" plant nach Angaben eines Sprechers weitere Aktionen im russischen Grenzgebiet. "Im kommenden Monat oder so wird es eine weitere Überraschung geben", sagte Maximillian Andronnikow, der sich Cäsar nennt, in einem Interview der britischen Sonntagszeitung "The Observer". "Das wird unser dritter Einsatz sein», sagte er. Danach werde es einen vierten und einen fünften geben. "Wir haben ehrgeizige Pläne. Wir wollen unser gesamtes Gebiet befreien", so der Sprecher weiter. Die "Legion Freiheit Russlands" besteht aus russischen Nationalisten, die aktuell aufseiten der Ukraine kämpfen.
Bereits im Mai und Juni waren Kämpfer der "Legion" zusammen mit dem "Russischen Freiwilligenkorps2 an Angriffen in der russischen Grenzregion Belgorod nahe der Ukraine beteiligt. Nach Angaben des ukrainischen Geheimdienstes sollen solche Operationen unter anderem der "Befreiung des Gebiets vom sogenannten Putin-Regime" dienen. Die Regierung in Kiew betont, nichts mit den Angriffen zu tun zu haben.
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