Bei Kämpfen um die ostukrainische Stadt Bachmut sind nach Schätzung von US-Geheimdiensten auf russischer Seite seit Dezember mehr als 20.000 Soldaten getötet worden. Bei etwa der Hälfte von ihnen handle es sich um Söldner der Wagner-Truppe, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am 1. Mai 2023 in Washington. Nach unbestätigten Angaben aus Kiew hat Russland seit Kriegsbeginn im Februar des Vorjahres gar Gesamtverluste von 200.000 Mann in der Ukraine erlitten, wie es im täglich aktualisierten Lagebericht hieß. Dennoch setzt das russische Militär seine Angriffe fort - und die ukrainischen Truppen bereiten ihre Offensive zur Rückeroberung der besetzten Gebiete vor.
+++ Washington: Söldnertruppe Wagner mit hohen Verlusten +++
Die meisten der in Bachmut gefallenen Wagner-Söldner seien russische Strafgefangene gewesen, die ohne ausreichende Kampf- oder Gefechtsausbildung in den Krieg geschickt worden seien, sagte Kirby. Die Gesamtzahl der seit Dezember infolge der Kämpfe um die - inzwischen weitgehend zerstörte - Stadt getöteten und verletzten Soldaten auf russischer Seite werde von den Geheimdiensten auf mehr als 100.000 geschätzt. Angaben zu den Opferzahlen der ukrainischen Streitkräfte machte Kirby nicht.
US-Generalstabschef Mark Milley hatte im November von weit mehr als 100.000 getöteten oder verwundeten russischen Soldaten in den ersten acht Kriegsmonaten berichtet. Das Gleiche gelte wahrscheinlich für die ukrainische Seite, sagte er damals in New York. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Zahlen nicht.
Russland kontrolliert nach seinem Einmarsch vor über 14 Monaten fast ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets, einschließlich der bereits 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Bachmut ist seit Monaten Angriffen der russischen Armee und der Wagner-Truppe ausgesetzt. Inzwischen kontrollieren die Angreifer eigenen Angaben nach rund 85 Prozent des Stadtgebietes.
+++ Artillerieduelle und Raketenangriffe zum 1. Mai in der Ukraine +++
Bei russischen Raketenangriffen und Artillerieduellen kamen am Montag in der Ukraine mehrere Menschen ums Leben. Nach Angaben des Generalstabs in Kiew setzten die russischen Streitkräfte Marschflugkörper und Kampfflugzeuge ein. Bei Angriffen im Osten des Landes und in der Zentralukraine seien mehrere Zivilisten getötet oder verletzt worden. Zudem seien zahlreiche Gebäude beschädigt oder zerstört worden.
In der Region Saporischschja in der Zentralukraine lieferten sich russische und ukrainische Truppen im Tagesverlauf intensive Artillerieduelle. Dabei seien im russisch besetzten Michailowka mindestens zwei Zivilisten getötet und 14 weitere verletzt worden, berichtete die russische Staatsagentur Tass unter Berufung auf örtliche Behörden. Die Angaben der Kriegsparteien ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Neue Explosionen über der besetzten Schwarzmeer-Halbinsel Krim sorgten am Montag für Unruhe unter der dortigen Bevölkerung. Nach Darstellung russischer Medien wurde im Westen der Halbinsel eine ukrainische Drohne von der Flugabwehr abgeschossen. Erst am Wochenende war ein Treibstofflager in der Hafenstadt Sewastopol durch eine Drohnenattacke in Brand geraten.
+++ Selenskyj: Flugabwehr muss effektiver werden +++
Nach den neuesten russischen Raketenangriffen auf ukrainische Städte kündigte Präsident Wolodymyr Selenskyj eine effektivere Flugabwehr an. "Wir arbeiten mit unseren Partnern so aktiv wie möglich daran, den Schutz unseres Luftraums noch zuverlässiger zu gestalten", sagte Selenskyj am Montag in seiner allabendlichen Videoansprache. "Allein in der letzten Nacht, von Mitternacht bis sieben Uhr am Morgen, ist es uns gelungen, 15 russische Raketen abzuschießen", sagte Selenskyj - "aber leider nicht alle".
Anlass für seine Äußerungen waren russische Angriffe mit Marschflugkörpern und Raketen in der Nacht zum Montag sowie im Tagesverlauf. In Pawlohrad in der Zentralukraine schlugen mehrere Projektile ein und verletzten mindestens 34 Menschen. Zahlreiche Gebäude wurden zerstört oder zumindest beschädigt. Selenskyj kündigte Vergeltung für die Attacken an. "Auf jeden solchen Angriff werden die russischen Besatzer unsere Antwort erhalten", sagte er.
+++ Kiews Verteidigungsminister: Vorbereitung der Offensive in Endphase +++
Die Vorbereitungen der Ukraine für die erwartete Frühjahrsoffensive zur Rückeroberung russisch besetzter Gebiete sind nach Worten von Verteidigungsminister Olexij Resnikow "in der Endphase". "Ich glaube an sie", sagte er am Montag im Staatsfernsehen. "Es ist viel für ihren Erfolg getan worden."
"Ich glaube, dass wir ab heute auf die Zielgerade einbiegen und sagen können: Ja, alles ist bereit", betonte Resnikow. "Und dann werden der Generalstab, der Oberbefehlshaber und sein Team auf der Grundlage der Entscheidung und des Verständnisses der Lage auf dem Schlachtfeld entscheiden, wie, wo und wann", sagte der Minister. Er sei ebenso wie die internationalen Partner der Ukraine vom Erfolg der Offensive überzeugt. Schließlich verstünden die Partner Kiews, dass ein Erfolg "im Sicherheitsinteresse ihrer Länder und ihrer Völker liegt".
Nach der Rückeroberung der besetzten Gebiete durch seine Truppen setzt Resnikow auf eine Verurteilung der politischen und militärischen Führung Russlands. "Es muss ein Urteil eines internationalen Tribunals für die militärischen Verbrecher des Kreml und dieser Mafia-Bande geben", forderte er. Russlands Präsident Wladimir Putin "und sein Umfeld müssen sitzen". Eine Verurteilung würde allen Nachfolgern und Nachkommen in Russland das klare Signal geben: "Denkt nicht an Rache."
+++ Was wird am Dienstag (02. Mai 2023) wichtig? +++
Auf Vorschlag von Präsident Selenskyj will das ukrainische Parlament am Dienstag den Kriegszustand und die Dauer der Verpflichtung zum Wehrdienst verlängern. Beides läuft am 20. Mai aus.
+++ Dänemark liefert Ukraine Material für bevorstehende Offensive +++
Vor der erwarteten Frühjahrsoffensive der Ukraine stellt Dänemark dem von Russland angegriffenen Land weiteres militärisches Material zur Verfügung. Das Unterstützungspaket im Wert von 1,7 Milliarden dänischen Kronen (rund 228 Millionen Euro) ist das größte, das die Ukraine bislang von dem skandinavischen EU-Land erhalten hat. Das teilte das dänische Verteidigungsministerium am Dienstag mit. Es beinhaltet demnach unter anderem Minenräumungs- und gepanzerte Bergungsfahrzeuge, Munition sowie einen finanziellen Beitrag zur Beschaffung von Luftverteidigung. Es soll die Möglichkeiten der Ukraine stärken, in den kommenden Monaten eine Offensive durchzuführen.
Dänemark hat die Ukraine seit dem russischen Einmarsch im Februar 2022 immer wieder mit militärischer und finanzieller Hilfe unterstützt. Im anhaltenden Krieg wird mit einer baldigen ukrainischen Offensive zur Rückeroberung russisch besetzter Gebiete gerechnet. Die Vorbereitungen dafür sind nach Worten von Verteidigungsminister Olexij Resnikow "in der Endphase".
Darüber hinaus will Dänemark der Nato ab Mitte 2024 ein Bataillon mit 700 bis 1200 Soldaten zur Verteidigung des Baltikums anbieten. Das gaben der geschäftsführende dänische Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen und Außenminister Lars Løkke Rasmussen nach Angaben der Nachrichtenagentur Ritzau am Dienstag nach einem Treffen des parlamentarisches Außenausschusses in Kopenhagen bekannt.
+++ Kreml: US-Zahlen zu russischen Verlusten "aus der Luft gegriffen" +++
Der Kreml hat die Angaben des Weißen Hauses zu hohen russischen Verlusten in der Ukraine dementiert. "Absolut aus der Luft gegriffen", kommentierte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge eine auf US-Geheimdienstinformationen beruhende Schätzung. "Washington hat keine Möglichkeit, irgendwelche konkreten Zahlen zu nennen, sie verfügen nicht über diese Informationen."
Ein Vertreter des Weißen Hauses, John Kirby, hatte in einem Briefing am Montag die Zahl der in der Ukraine gefallenen und verletzten russischen Soldaten allein seit Dezember auf 100 000 taxiert. Peskow riet stattdessen dazu, "sich an den Zahlen zu orientieren, die das Verteidigungsministerium Russlands rechtzeitig veröffentlicht."
Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte zuletzte im vergangenen September von 5.937 Gefallenen auf russischer Seite gesprochen. Ein Sprecher der moskautreuen Verwaltung in Donezk bestätigte im November zudem noch den Tod von 3.930 Kämpfern aus dieser Region, die wohl nicht in die Statistik Schoigus eingeflossen sind.
Insgesamt gelten diese Angaben jedoch bei Experten als weit untertrieben. Auch die Ukraine veröffentlicht kaum belastbare Informationen zu den Opfern in den eigenen Reihen.
+++ Russland beziffert ukrainische Verluste im April auf 15.000 Soldaten +++
Das ukrainische Militär hat nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums im April hohe Verluste erlitten. "Allein im vergangenen Monat haben sie mehr als 15.000 Mann verloren", sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Dienstag dem Telegram-Kanal der Behörde zufolge. Zudem sei es der russischen Armee im gleichen Zeitraum gelungen, 8 feindliche Flugzeuge, 277 Drohnen und 430 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge sowie 225 Artilleriegeschütze abzuschießen. Unabhängig lassen sich die Aussagen nicht überprüfen. Zu eigenen Verlusten machte Schoigu keine Angaben.
In der Vergangenheit ist das russische Verteidigungsministerium immer wieder mit überhöhten Angaben zu feindlichen Verlusten aufgefallen. So hat Russland offiziellen Angaben nach bis Anfang Mai 413 feindliche Flugzeuge abgeschossen. Zu Beginn des Kriegs hatte die Ukraine Medien zufolge dabei gerade einmal 124 Kampf- und Trainingsflugzeuge sowie 63 Transportmaschinen. Aus dem Westen hat das Land seither nur vereinzelt Restbestände sowjetischer Flugtechnik erhalten.
Schoigu erklärte zudem, dass die russischen Truppen entlang der gesamten Front aktiv seien. "Insgesamt erfüllt die Rüstungsindustrie die Bedürfnisse der Armee und Flotte", sagte er weiter. Die Aussage dürfte als Antwort auf die jüngsten Klagen vom Chef der Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, über mangelnde Versorgung mit Artilleriemunition gedacht sein. Das Verhältnis zwischen Prigoschin und Schoigu gilt als gespannt. Der Söldnerchef erlaubt sich als kremlnaher Oligarch scharfe Kritik am Verteidigungsministerium.
+++ Ukraine wirft Russland gezielte Angriffe auf Wohngebiete vor +++
Die Ukraine hat Russland eine veränderte Taktik mit gezielten Raketenangriffen auf Wohngebiete vorgeworfen. "Es gibt keinen Zweifel daran, dass sie direkte Angriffe eben auf zivile Mehrfamilienhäuser oder Orte ausführen, an denen es viele Häuser der Zivilbevölkerung gibt", sagte der Berater des Präsidentenbüros Mychajlo Podoljak in der Nacht zum Dienstag im ukrainischen Fernsehen. Moskau wolle dadurch unter anderem eine verfrühte Gegenoffensive Kiews provozieren. Dazu wolle der Kreml testen, ob die Ukraine in der Lage sei, den eigenen Luftraum zu schützen.
In den vergangenen Tagen hatte es mehrere russische Raketenangriffe mit zivilen Opfern gegeben. Insbesondere in Uman forderte ein Raketeneinschlag in einem Wohnhaus am Freitag viele Todesopfer. Auch in der Stadt Pawlohrad im Gebiet Dnipropetrowsk haben russische Marschflugkörper schwere Schäden verursacht und mindestens zwei Menschen getötet. Kiew bestreitet, dass dabei militärische Ziele getroffen wurden.
Die Ukraine wehrt seit über 14 Monaten eine russische Invasion ab. Seit vergangenem Herbst attackiert Russland dabei verstärkt mit Raketen Ziele im Hinterland - während der kalten Monate richteten sich die Angriffe vor allem gegen Objekte der Strom- und Wärmeversorgung.
+++ London: Russische Rüstungsindustrie kommt Kriegsbedarf nicht nach +++
Nach Einschätzung britischer Geheimdienste verfügt Russland nicht über genügend Munition, um bei Offensiven in der Ukraine entscheidende Fortschritte zu erzielen. Moskau räume der Stärkung der Rüstungsindustrie zwar oberste Priorität ein, hieß es am Dienstag im Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums - die Branche werde dem hohen Kriegsbedarf jedoch weiterhin nicht gerecht.
Russlands politische Führung verlange Erfolge auf dem Schlachtfeld, während die für die Logistik verantwortlichen Führungskräfte auf der Strecke blieben, hieß es. Als Beispiel dafür nennen die Briten die kürzliche Entlassung des Vize-Verteidigungsministers Michail Misinzew, der acht Monate lang für die materielle und technische Versorgung der Armee zuständig war. In der vergangenen Woche wurde seine Auswechslung bestätigt, seine Aufgabe hat nun Generaloberst Alexej Kusmenkow übernommen, bislang stellvertretender Direktor der Nationalgarde.
Die Munitionsknappheit führe außerdem zu internen Streitigkeiten, vor allem zwischen der Armee und dem Chef der berüchtigten russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin.
Das Verteidigungsministerium in London veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.
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loc/news.de/dpa
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