+++ Selenskyj betrauert Tote in Slowjansk: "Keine Stunde ohne Terror" +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach dem Tod mehrerer Zivilisten durch eine russische Rakete in der Stadt Slowjansk den Angehörigen sein Beileid ausgesprochen. In dieser Woche habe es "keine einzige Stunde ohne russische Morde und Terror" gegeben, sagte Selenskyj am Freitagabend in einer Videoansprache. "Das ist ein böser Staat. Und er wird verlieren. Zu siegen ist unsere Pflicht gegenüber der Menschheit. Und wir werden siegen!"
Am Nachmittag war ukrainischen Angaben zufolge eine russische Rakete in Slowjansk im schwer umkämpften Gebiet Donezk eingeschlagen und hatte mehrere Hochhäuser beschädigt. Am Abend war von mindestens acht Toten und mehr als 20 Verletzten die Rede. Von unabhängiger Seite ließen sich die Angaben zunächst nicht überprüfen. Der russische Angriffskrieg gegen das Nachbarland dauert seit bald 14 Monaten.
Angesichts der Lage in Donezk dankte Selenskyj allen ukrainischen Soldaten, die das Land verteidigten. Der Schlüssel zum Erfolg sei "die kontinuierliche Zerstörung der Besatzer". Insbesondere in der südöstlich von Slowjansk gelegenen Stadt Bachmut steht die ukrainische Armee nach monatelangen Kämpfen unter großem Druck.
+++Putin setzt Gesetz über erleichterte Einberufung in Kraft +++
In Russland können Männer mit sofortiger Wirkung leichter zum Militär eingezogen werden. Präsident Wladimir Putin unterschrieb dazu am Freitag die erforderlichen Gesetzesänderungen. Damit traten die Regelungen, die in der Bevölkerung für große Verunsicherung sorgen, in Kraft. Künftig müssen Einberufungsbescheide nicht mehr persönlich überreicht werden, sondern können auf elektronischem Weg zugestellt werden. Online erfasste Wehrpflichtige dürfen Russland bis zur Vorstellung bei der Armee nicht mehr verlassen.
Das Parlament in Moskau hatte das Gesetz am Mittwoch in einer Blitzabstimmung verabschiedet. Einige Abgeordnete beklagten, sie hätten gar keine Zeit gehabt, die mehr als 50 Seiten Gesetzestext richtig zu lesen. Viele Russen fürchten, dass nun erneut massenhaft Männer für den bald 14 Monate dauernden Krieg gegen die Ukraine eingezogen werden sollen. Der Kreml dementierte solche Pläne.
Im Herbst waren bei einer teils chaotisch organisierten ersten Mobilisierungswelle Hunderttausende Männer ins Ausland geflohen. Andere Russen entgingen der Einberufung dadurch, dass sie nicht an ihrer Meldeanschrift wohnten, so dass der nur in Briefform gültige Einberufungsbescheid nicht zugestellt werden konnte. Dieses Schlupfloch will Russlands Führung nun schließen.
Wer sich nicht innerhalb von 20 Tagen nach der Vorladung beim Militärkommissariat meldet, muss auch im Alltag mit drastischen Einschränkungen rechnen: So dürfen Wehrdienstverweigerer nicht mehr Auto fahren oder Immobilien kaufen. Auch eine Registrierung als Selbstständiger sowie die Gewährung von Krediten sollen nicht mehr möglich sein.
+++Rakete in Wohnviertel: Ukraine meldet Tote in Slowjansk +++
Beim Einschlag einer russischen Rakete in einem Wohnviertel der Stadt Slowjansk im Osten der Ukraine sind offiziellen Angaben zufolge mindestens sechs Menschen getötet worden. Zudem gebe es 18 Verwundete, teilte die Polizei des Gebiets Donezk am Freitagabend mit. Unter den Opfern seien auch Kinder. Die Zahl der Todesopfer könne noch steigen. Die Rettungsarbeiten seien noch nicht abgeschlossen. Auch Militärgouverneur Pawlo Kyrylenko berichtete von der Zerstörung mehrerer Hochhäuser. Die Angaben waren von unabhängiger Seite zunächst nicht zu überprüfen.
In Donezk toben mehr als ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf das Nachbarland die heftigsten Kämpfe. Besonders schwer sind die Gefechte derzeit in der Stadt Bachmut, südöstlich von Slowjansk. Seit Monaten versuchen die russischen Truppen in äußerst verlustreichen Kämpfen, die Stadt mit ihren einst 70 000 Einwohnern einzunehmen. Heute leben dort nur noch wenige Tausend Menschen.
+++Ukraine verbietet Sportlern Teilnahme an Wettkämpfen mit Russen +++
In der Ukraine hat das Sportministerium offiziellen Delegationen die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen mit Russen und Belarussen verboten. Die Ministeriumsverordnung wurde in der Nacht zum Freitag veröffentlicht. Bei Zuwiderhandlungen droht den nationalen Sportverbänden der Entzug des offiziellen Status. Beteiligungen von Russen und Belarussen an internationalen Wettbewerben sollen von den Verbänden selbst überwacht werden.
Ende März ging der Verordnung ein Kabinettsbeschluss voraus. Zuvor hatte Kiew bereits einen Boykott der Olympischen Sommerspiele in Paris im kommenden Jahr diskutiert, sollten russische oder belarussische Sportler zu diesen zugelassen werden. Das Internationale Olympische Komitee IOC hatte vor wenigen Wochen empfohlen, dass Sportler aus Russland und Belarus unter bestimmten Voraussetzungen als neutrale Athleten wieder zu internationalen Wettkämpfen zugelassen werden sollen. An der Entscheidung hatte es viel Kritik gegeben.
Russland war vor fast 14 Monaten in die Ukraine einmarschiert. Das mit Moskau verbündete Belarus gestattet russische Angriffe von seinem Staatsgebiet aus.
+++ Ukraine ermittelt umfassend zu Enthauptungsvideo +++
Die Ukraine untersucht nach Angaben von Generalstaatsanwalt Andriy Kostin umfassend ein Video, das mutmaßlich die Enthauptung eines ukrainischen Kriegsgefangenen durch russische Kämpfer zeigt. "Im Moment arbeiten alle Ermittlungsbehörden der Ukraine, unser gesamter Geheimdienst hart daran, den Täter und das Opfer genau zu identifizieren", sagte Kostin am Freitag bei einem Besuch in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Er könne die Authentizität der Aufnahme noch nicht bestätigen. "Sobald wir das endgültig klären können, werden wir diese Informationen umgehend veröffentlichen", sagte er der Agentur BNS zufolge.
In der Nacht zum Mittwoch war in sozialen Netzwerken ein Video aufgetaucht, das zeigt, wie ein uniformierter Mann von einem anderen enthauptet wird. Der Täter trägt dabei eine für russische Soldaten typische weiße Kennzeichnung an der Kleidung. Die gezeigten Szenen sorgten international für Entsetzen. Die Echtheit des Videos sowie der Zeitpunkt der Aufnahme ließen sich bislang noch nicht unabhängig überprüfen.
Ukrainische und internationale Beobachter gehen davon aus, dass es sich um einen weiteren Beleg russischer Kriegsverbrechen in der vor mehr als einem Jahr angegriffenen Ukraine handelt. Nach Angaben von Kostin untersuchen die ukrainischen Strafverfolgungsbehörden rund 77 000 Fälle von mutmaßlichen russischen Kriegsverbrechen im Land. "Gerichte haben bereits 30 Urteile gefällt", sagte er. Darüber hinaus gebe es auch in 20 weiteren Ländern eigene nationale Ermittlungen zu russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine.
+++ Geplante Mega-Gegenoffensive nach Daten-Leak in Gefahr? +++
Die Veröffentlichung geheimer Dokumente in den USA hat nach Einschätzung des ukrainischen Militärgeheimdienstes keinen Einfluss auf Kiews geplante Offensive im Abwehrkrieg gegen Russland. Moskau sei zwar der einzige Profiteur des Datenlecks, räumte der Chef des Militärgeheimdienstes in Kiew, Kyrylo Budanow, in einem in der Nacht zum Freitag erschienenen Interview mit dem Fernsehsender ABC News ein. "Das wird aber nicht in der Lage sein, die tatsächlichen Ergebnisse der Offensivoperation zu beeinflussen", sagte er. Auf das Verhältnis zwischen Washington und Kiew werde sich die Affäre nicht nachhaltig negativ auswirken, sagte der 37-Jährige.
Militärexperten erwarten in den nächsten Wochen eine Gegenoffensive Kiews, um von Russen besetzte Gebiete zurückzuerobern. In den veröffentlichten Geheimdokumenten wurden allerdings Zweifel der USA deutlich: Ein solches Vorgehen könne zu deutlich kleineren Geländegewinnen führen als die beiden Offensiven im Herbst, als es der Ukraine gelang, große Gebiete im Norden bei Charkiw und im Süden bei Cherson zurückzuerobern. Zudem hieß es, dass die ukrainische Flugabwehr zunehmend geschwächt sei. Sollte Russland in dem Krieg die Lufthoheit erlangen, könnte es angesichts der massiven Übermacht seiner Luftwaffe der Ukraine schwer schaden.
Budanow räumte ein, dass Kiew dringend auf einen Erfolg der Offensive angewiesen sei. Es gebe zwar derzeit keinen Druck von westlichen Alliierten. "Aber ohne Siege werden früher oder später Fragen aufkommen, ob es Sinn macht, die Ukraine weiter zu unterstützen", sagte er. Eine ähnliche Einschätzung hatte zuvor die US-Denkfabrik ISW unter Berufung auf den ukrainischen Brigadegeneral Olexij Hromow veröffentlicht. Langfristig dürfe Moskaus Mobilisierungspotenzial im Krieg nicht unterschätzt werden. Russland habe größere Bevölkerungsreserven und könne auf eine Kriegswirtschaft umstellen, um die Kampfhandlungen weiterzuführen, falls sich der Krieg in die Länge ziehe.
+++ Ukrainische Verteidigung in Bachmut stark unter Beschuss +++
Die ukrainische Verteidigung hält nach Einschätzung britischer Geheimdienste noch immer die westlichen Bezirke der schwer umkämpften ostukrainischen Stadt Bachmut. Sie sei aber in den vergangenen 48 Stunden "besonders starkem russischen Artilleriebeschuss" ausgesetzt gewesen, wie das Verteidigungsministerium in London am Freitag mitteilte. Grund dafür sei, dass die Streitkräfte des russischen Verteidigungsministeriums und der russischen Söldnergruppe Wagner besser kooperierten.
Die ukrainischen Streitkräfte stehen den britischen Geheimdiensten zufolge vor erheblichen Nachschubproblemen. Sie hätten sich aber geordnet aus Positionen zurückgezogen, die sie aufgeben mussten. Im Zentrum der Stadt führten Wagner-Angriffsgruppen weiterhin den Hauptvormarsch durch, während russische Luftlandetruppen (VDV) einige Wagner-Einheiten abgelöst hätten, die die Nord- und Südflanke der Operation sicherten, hieß es weiter.
Die Lage um die seit Monaten schwer umkämpfte ostukrainische Stadt Bachmut hat sich nach Angaben beider Kriegsparteien in den vergangenen Tagen weiter zugespitzt. Nach den monatelangen und verlustreichen Kämpfen hatten die russischen Angreifer zuletzt eigenen Angaben zufolge Geländegewinne erzielt und rund 80 Prozent von Bachmut erobert. Kiew wiederum will die inzwischen fast völlig zerstörte Stadt trotz der Probleme nicht aufgeben. Die Ukraine will so die russischen Angreifer zu verlustreichen Angriffen zwingen und die Moskauer Truppen auf diese Weise abzunutzen.
+++ 21-Jähriger nach US-Leck zum Krieg festgenommen +++
Die US-Bundespolizei FBI nahm in North Dighton im US-Bundesstaat Massachusetts einen 21 Jahre alten Angehörigen des US-Militärs fest, der die Dokumente zum Krieg in der Ukraine im Internet veröffentlicht haben soll. Der Mann sei in Verbindung mit der "unbefugten Entfernung, Aufbewahrung und Übermittlung von Verschlusssachen" in Gewahrsam genommen worden, sagte US-Justizminister Merrick Garland am Donnerstag in Washington. Er sei Angehöriger der Nationalgarde und heiße Jack T. Er soll eine Chat-Gruppe auf der bei Videospielern beliebten Plattform Discord geleitet haben und dort die brisanten Unterlagen veröffentlicht haben.
Schon seit Wochen kursieren im Internet geheime Dokumente von US-Stellen - angeblich vom Nachrichtendienst CIA und vom Pentagon - zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Informationen zu Waffenlieferungen, Einschätzungen zum Kriegsgeschehen. Aber auch Details zu angeblichen Spähaktionen der USA gegen Partner. Unklar war, was davon authentisch ist und was möglicherweise bearbeitet worden sein könnte. Für die US-Regierung ist die Sache allerdings so oder so unangenehm. Es stellen sich Fragen dazu, wie verlässlich die Amerikaner sind, wie gut sie ihre Geheimnisse und die ihrer Partner schützen und wie loyal sie Verbündeten gegenüber sind.
In Kiew hatten offizielle Stellen zunächst behauptet, die Dokumente seien nicht echt, sondern eine typische Fälschung russischer Geheimdienste. Ziel Russlands sei es, mit Desinformation die geplante Frühjahrsoffensive zur Befreiung der von Moskau besetzten Gebiete zu torpedieren. Der Kreml in Moskau hingegen hatte die Informationen als interessant bezeichnet und darin einen neuen Beleg für die Verwicklung der USA und der Nato-Staaten in den Krieg gesehen. Beide Seiten hatten betont, dass die Veröffentlichung nichts an den jeweiligen Kriegszielen ändere.
Laut US-Medien dürfte der Nutzen für Moskau vor allem darin bestehen, dass die geheimen Dokumente auch Angaben zu Kommunikationswegen von Informanten in den russischen Reihen an die Geheimdienste enthielten. Demnach könnten nun diese Quellen selbst in Gefahr sein. Russland könne nun undichte Stellen schließen, hieß es.
+++ Selenskyj lobt Schlagkraft ukrainischer Waffen +++
In seiner abendlichen Videoansprache lobte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj indes zum Jahrestag des Beschusses und Untergangs des russischen Kriegsschiffs "Moskwa" die Schlagkraft eigener Raketen. Raketen vom Typ Neptun hätten vor einem Jahr am 13. April gezeigt, wie professionell der militärisch-industrielle Komplex der Ukraine arbeite, sagte Selenskyj. Er habe deshalb per Dekret festgelegt, das Datum künftig als Tag der Rüstungs- und Verteidigungsindustrie zu begehen. Die Ukraine hatte das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte vor einem Jahr versenkt und dies als großen Triumph im Krieg gefeiert.
Die Ukraine sei heute in der Lage, "alles von Granaten bis zu Raketen, von Artilleriegeschossen bis hin zu Drohnen zu produzieren", sagte Selenskyj. Man freue sich aber auch sehr auf die Lieferung von Waffen, die Partner versprochen hätten.
+++ Pistorius sieht keine Kursänderung bei westlichen Kampfflugzeugen +++
Von Polen etwa erhält die Ukraine MiG-29-Kampfflugzeuge aus früheren DDR-Beständen. Verteidigungsminister Boris Pistorius sieht nach dem grünen Licht der Bundesregierung für eine Weitergabe der Jets an die Ukraine keinen Kurswechsel mit Blick auf eine Lieferung westlicher Kampfflugzeuge. Von Bedeutung sei alles, was schnell helfe, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag in Bamako, der Hauptstadt Malis.
"Es geht um MiGs, weil die unmittelbar eingesetzt werden können bei den ukrainischen Streitkräften, weil sie bekannt sind, weil sie sofort geflogen werden können, weil sowohl Unterhaltung als auch Instandsetzung und Wartung quasi reibungslos und übergangslos möglich sind", sagte Pistorius. "Das gilt alles für westliche Flugzeuge, insbesondere solche, die wir in Deutschland haben, nicht. Von daher stellt sich diese Debatte für uns nicht."
Pistorius, der seine Reise in Westafrika fortsetzte, kündigte an, dass am Freitag die formale, schriftliche Bestätigung an die polnische Regierung für die Erlaubnis zum Reexport in die Ukraine rausgehe. Ein erst am Donnerstag in Berlin eingegangener Antrag war binnen weniger Stunden positiv beschieden worden. Es handelt sich um Flugzeuge, die Deutschland 2003 Polen überlassen hatte. Die Bundeswehr hatte sie aus früheren Beständen der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR übernommen.
+++ EU-Sanktionen gegen russische Söldnertruppe Wagner +++
Der Europäische Rat fügte die russische Söldnertruppe Wagner wegen ihrer "aktiven" Beteiligung am russischen Angriffskrieg in der Ukraine auf ihre Sanktionsliste hinzu. Begründet wurde die Maßnahme am Donnerstagabend in Brüssel damit, die Handlungen der Wagner-Gruppe untergrüben und bedrohten "die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine". Darüber hinaus verhängte der Europäische Rat Sanktionen gegen die russische Medienorganisation Ria Fan. Sie gehört zur Patriot Media Group, deren Verwaltungsrat vom Chef der Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, geleitet wird.
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