Endlich sollte der Knoten platzen - doch am Ende kommt man nicht zu Potte. Statt Durchbrüchen nach langem Streit hat das Ampel-Bündnis nach nächtlichen Gesprächen nichts vorzuweisen. Ist die Ampel überhaupt regierungsfähig?
Krisen-Marathon bei SPD, Grünen und FDP: 20 Stunden haben der Ampel-Koalition nicht gereicht. Die Koalitionsspitzen wollten im Berliner Kanzleramt eine lange Liste von Streitpunkten abarbeiten. Am Dienstagmorgen sollen die Gespräche fortgesetzt werden. Ausgang ungewiss. Ist die Bundesregierung überhaupt noch regierungsfähig?
Nach 20-stündigem Krisenmarathon! Ampel-Koalition unterbricht Gespräche
Nach Debatten bis zur letzten Minute verließ ein Teil der Beteiligten am Montagnachmittag hastig das Bundeskanzleramt. Ein Helikopter wurde zum Minister-Taxi, damit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Kabinettsmitglieder noch rechtzeitig zu den deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen in Rotterdam kamen. Nur Finanzminister Christian Lindner (FDP) eilte im Auto zum Flughafen. Kurz zuvor twitterte der FDP-Chef noch: "Ideenreichtum, Schlafmangel - Koalitionsausschuss." Für Ergebnisse reichte es dann aber zumindest am Montag nicht. CDU, CSU und Linke aus der Opposition werteten die Unterbrechung als Blamage und spotteten, die Bundesregierung sei "stehend k.o.".
Nach der Landung in den Niederlanden betonte Scholz dagegen, man habe "sehr, sehr gute Fortschritte erzielt" und "viele, viele Verständigungen gewonnen". Es gehe im Koalitionsausschuss um wichtige Festlegungen für die Modernisierung des Landes, die Jahrzehnte zu langsam vorangekommen sei. Die bisherigen Gespräche seien sehr vertraulich und freundlich verlaufen. Ansonsten drang wenig nach außen während der endlosen Runde. 2021 hatte die Ampel versprochen, dass es keine Nacht-Runden mehr gebe."Das gehört dazu", sagte Kanzler Scholz im Anschluss. "Ich habe nicht schlafen können und es geht mir ganz gut. Es ist eine gemeinsame Erfahrung, wo man eng miteinander zusammen ist und davon erzählt man sich noch lange."
Erschwertes Regieren nach 2 Jahren! Politexperte nimmt Ampel unter die Lupe
Der ergebnislose Krisen-Marathon sorgt für heftige Kritik an der Ampel-Koalition. "Ist die Regierung etwa zu müde zum Regieren?", fragt sich beispielsweise die "Bild"-Zeitung. "Es gehört bei Koalitionen dazu, dass das Regieren nach anderthalb bis zwei Jahren schwieriger wird", erklärt Politikexperte Uwe Jun gegenüber dem Blatt. Inhaltliche Probleme und Unterschiede treten nun offen zutage."Die Ampel-Regierung bezeichnet sich selbst als 'Fortschritts-Koalition'. Die damit verbundenen hohen Erwartungen fallen ihr jetzt vor die Füße", befindet Jun.
Heizungsverbot, Autobahnen und Kindergrundsicherung! Diese Themen sorgen für Zoff in der Ampel
Als größtes Konfliktthema deutete sich im Vorfeld bereits der Klimaschutz im Verkehr an. Denn hier muss die Bundesregierung eine Trendwende schaffen. Laut Umweltbundesamt stiegen die Treibhausgasemissionen in diesem Bereich zuletzt, statt zu sinken. Vor allem die Grünen verlangen von Verkehrsminister Volker Wissing mehr Anstrengung. Dessen FDP lehnt aber zum Beispiel ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen strikt ab, ebenso wie eine Reform der Dienstwagenbesteuerung.
Doch das sind nicht die einzigen Maßnahmen, die infrage kämen. Das Umweltbundesamt und Umweltverbände fordern ein Bonus-Malus-System für neuzugelassene Pkw: Der Kauf klimaschonender Pkw mit geringen CO2-Emissionen soll gefördert, der Kauf besonders hoch emittierender Pkw verteuert werden. Ob die FDP einem solchen Schritt zustimmen kann, ist fraglich - ebenso wie einer Reform der Pendlerpauschale. Ohne konkrete Maßnahmen für mehr Klimaschutz im Verkehr dürften aber die Grünen einem schnelleren Bau von Autobahnstrecken nicht zustimmen.
Auch bei anderen Fragen war der Ton in der Koalition zuletzt rau geworden: So wollen SPD und FDP das geplante Verbot von Öl- und Gasheizungen aufweichen. Details sind bislang jedoch nicht durchgesickert. Auch die Finanzierung der Kindergrundsicherung ist ein Streitthema. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) will eine Aufstockung hat dafür einen Bedarf von 12 Milliarden Euro angemeldet. Lindner hält Aufstocken nicht für zwingend, weil die Koalition gerade das Kindergeld angehoben hat.
"Das Bild, das die Bundesregierung abgibt, ist erbärmlich!" Opposition rechnet mit Ampel-Koalition ab
Linken-Chefin Janine Wissler bezeichnete das Ampel-Bündnis nach der Vertagung der Beratungen als "Blockadekoalition". "Die Anzahl der auf Eis gelegten Projekte machen die Regierung handlungsunfähig, was gerade in der derzeitigen Situation unverantwortlich ist", sagte Wissler dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Wahlversprechen wie die Kindergrundsicherung werden zerredet und enden in Flickschusterei auf Kosten der Ärmsten."Wissler rief Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu mehr Durchsetzungskraft auf. Insbesondere Finanzminister Christian Lindner und Verkehrsminister Volker Wissing (beide FDP) seien Bremsklötze beim Klimaschutz, bei sozialer Gerechtigkeit und bei Investitionen in die Zukunft. "Von der selbst ernannten Fortschrittskoalition zur Enttäuschungskoalition: Es ist fraglich, ob sich die Ampel von dieser Blamage gegenüber den Bürgern erholen kann", wettert Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. "Das Bild, das die Bundesregierung abgibt, ist erbärmlich. Die Ampel ist nicht regierungsfähig, das schadet dem Land", sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber.
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bua/fka/news.de/dpa
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