Beim Besuch von Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj hat US-Staatsoberhaupt Joe Biden die Lieferung eines Patriot-Systems zur Luftverteidigung in Aussicht gestellt. Der Kreml warnte vor einer weiteren Eskalation des Konflikts. Droht bald sogar ein direkter Konflikt zwischen der Nato und Russland?
Nach knapp zehn Monaten Ukraine-Krieg kann Russland immer noch keinen großen Sieg verkünden. Denn der Widerstand der Truppen aus Kiew ist groß. Der Westen unterstützt die Ukraine zudem mit immer neuen Waffenlieferungen. Nach dem Besuch von Präsident Wolodymyr Selenskyj in Washington versprechen die USA jetzt sogar ein Patriot-Flugabwehrsystem. Der Kreml warnt deshalb vor einer weiteren Eskalation des Konflikts. Kommt es nach der Entscheidung von US-Staatsoberhaupt Joe Biden sogar doch noch zu einer Flugverbotszone?
Wladimir Putin entsetzt: USA liefern Patriot-System in die Ukraine
Zumindest hat US-Präsident Biden seinem ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj bei dessen erster bekannter Auslandsreise seit Kriegsbeginn weitere Unterstützung zugesagt. "Präsident Selenskyj, die Vereinigten Staaten stehen hinter den tapferen Menschen in der Ukraine", sagte Biden bei einem Treffen der beiden Staatschefs im Weißen Haus. Selenskyj bedankte sich für die Hilfe der USA von "ganzem Herzen". Bereits vor dem Treffen hatten die USA die Lieferung des Patriot-Flugabwehrsystems für den Abwehrkampf gegen Russland freigegeben.
Anlässlich des Besuchs von Selenskyj kündigten die USA ein weiteres Militärhilfe-Paket in Höhe von 1,85 Milliarden US-Dollar (rund 1,7 Milliarden Euro) an.
Flugabwehrsystem soll russische Angriffe erschweren
Das Patriot-Luftverteidigungssystem dürfte Russlands Angriffe mit Raketen und Drohnen auf die zivile Infrastruktur in der Ukraine erschweren. Wie die "Bild" berichtet, kann Patriot, was für Phased Array Tracking Radar to Intercept on Target steht (deutsch: Phasengesteuertes Verfolgungsradar zum Abfangen von Zielobjekten) Flugzeuge, (Kamikaze)-Drohnen, Raketen und Marschflugkörper aus größerer Entfernung abschießen, dabei bis zu 50 Ziele gleichzeitig "kontrollieren".
Die Ukraine hatte wegen der russischen Raketenangriffe auf ihre Städte und die Infrastruktur der Energieversorgung um weitere Flugabwehrsysteme gebeten. Das Luftverteidigungssystem Patriot dürfte die Karten in dem Krieg neu mischen. Ein US-Regierungsvertreter sagte, die ukrainischen Truppen würden in einem Drittland ausgebildet. Weitere Angaben dazu machte er nicht. Naheliegend wäre, dass ukrainische Soldaten - wie auch bei anderen Waffensystemen schon praktiziert - in Deutschland ausgebildet werden, beispielsweise auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr in Bayern.
Kommt es bald zu einer Flugverbotszone?
Ob die Lieferung eines Patriot-Systems für die Ukraine genug ist und ob nach den USA weitere Staaten Hilfe bei der Luftverteidigung in Aussicht stellen, ist noch unklar. Sollte es keine größeren Erfolge geben und Russland tatsächlich wie befürchtet eine neue Großoffensive im kommenden Jahr starten, könnte Wolodymyr Selenskyj womöglich seine Forderung nach einer Flugverbotszone über der Ukraine erneuern. Diese stellte er bereits kurz nach Kriegsbeginn. Das westliche Verteidigungsbündnis Nato lehnte jedoch ab, da dieser Schritt wohl eine direkte Konfrontation mit Russland bedeuten würde und zum Dritten Weltkrieg führen könnte. Aktuell ist es unwahrscheinlich, dass sich an dieser Haltung etwas ändert. Sollte Wladimir Putin aber doch noch zu Nuklearwaffen greifen, würde darüber vermutlich neu nachgedacht werden.
Kreml warnte vor Besuch von Wolodymyr Selenskyj in Washington
Die Drohungen aus Moskau werden schließlich nicht weniger. Russland hatte die USA-Reise Selenskyjs und die angekündigten neuen Waffenlieferungen bereits vor dem Treffen im Weißen Haus kritisiert. "Das alles führt zweifellos zu einer Verschärfung des Konflikts und verheißt an sich nichts Gutes für die Ukraine", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Er erwarte nicht, dass Selenskyj nach seiner Reise verhandlungsbereiter gegenüber Moskau sein werde.
Wladimir Putin droht erneut mit Aufrüstung und seinen Atomwaffen
Parallel zu Selenskyjs Flug in die USA sprach Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau bei einer erweiterten Sitzung des Verteidigungsministeriums. Dort verlangte er ein höheres Tempo bei der Aufrüstung und Modernisierung der Streitkräfte. Als Beispiel nannte der Kremlchef den Einsatz von Drohnen - bisher ein Schwachpunkt der russischen Streitkräfte. Außerdem werde die mit Atomsprengköpfen bestückbare neue Interkontinentalrakete vom Typ Sarmat bald einsatzbereit sein. Für die weitere Aufrüstung der Armee gebe es "keine finanziellen Beschränkungen", sagte Putin weiter.
Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu schlug vor, die Truppe um rund 350 000 Soldaten auf 1,5 Millionen Mann zu verstärken. Außerdem forderte er die Aufstellung neuer Einheiten im Nordwesten Russlands an der Grenze zu den potenziellen neuen Nato-Staaten Schweden und Finnland.
Aus Moskau hieß es zudem, dass das Patriot-System wie andere schwere Waffen auch für die russischen Streitkräfte zu "rechtmäßigen vorrangigen Zielen" werden. Die USA liefern bereits Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars und das Flugabwehrsystem Nasams in die Ukraine.
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gom/sba/news.de/dpa
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