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Ukraine-Krieg im News-Ticker: Tschetscheniens Machthaber Kadyrow beschimpft Kriegsdienstverweigerer

Eine UN-Untersuchungskommission hat eigenen Angaben zufolge verschiedene russische Kriegsverbrechen in der Ukraine festgestellt. Demnach wurden auch etliche Kinder Opfer von Putins Brutalität. Alle aktuellen News zum Ukraine-Krieg lesen Sie hier.

Putin Ukraine-Kriegs wütet bereits seit 212 Tagen. (Foto) Suche
Putin Ukraine-Kriegs wütet bereits seit 212 Tagen. Bild: picture alliance/dpa/AP | Kostiantyn Liberov

In vier von Russland besetzten ukrainischen Gebieten laufen die letzten Vorbereitungen für Scheinreferenden über einen Beitritt zu Russland. Die Abstimmungen unter Kriegsrecht in Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja sollen am Freitag beginnen und sind ohne Chance auf breite internationale Anerkennung. Mit der von ihr initiierten Teilmobilisierung stößt die Führung in Moskau derweil auch im eigenen Land auf Widerstand, den die Ukraine zusätzlich zu schüren versucht: Präsident Wolodymyr Selenskyj rief die Russen in seiner täglichen Videobotschaft am Donnerstag dazu auf, gegen die Mobilisierung zu protestieren und sich der Einberufung zu entziehen.

An die eigenen Landsleute gerichtet erklärte Selenskyj, die Mobilisierung in Russland sei ein Zeichen der Stärke der Ukraine. Mit der Entscheidung werde der Krieg für die Russen nicht mehr nur ein Ereignis aus dem Fernsehen sein, sondern ins reale Leben einziehen. Für die Ukrainer hingegen ändere sich dadurch nichts, sie würden weiter für die Befreiung ihres Landes kämpfen, gab er sich überzeugt. Mit Blick auf die UN-Vollversammlung erklärte der ukrainische Präsident, dass die Ukraine nun von einem noch größeren Kreis an Staaten der internationalen Gemeinschaft unterstützt werde.

Ukraine-Krieg im News-Ticker - Alle aktuellen Geschehnisse am 23.09.2022 im Ãœberblick

+++ Tschetscheniens Machthaber Kadyrow beschimpft Kriegsdienstverweigerer +++

Tschetscheniens Machthaber Ramsan Kadyrow hat Russen, die nicht am Krieg gegen die Ukraine teilnehmen wollen, als Feiglinge beschimpft. "Weißt Du, Du bist nichts weiter als ein Feigling, Verräter und Mensch zweiter Klasse", wandte er sich am Freitag auf seinem Telegram-Kanal an Kriegsdienstverweigerer. Verweigerungsgründe wie Ablehnung von Krieg, Gewalt oder der politischen Führung Russlands seien nur Ausreden, meinte Kadyrow. Am Mittwoch hatte Kremlchef Wladimir Putin eine Teilmobilmachung verkündet. Viele Russen im wehrfähigen Alter verließen daraufhin das Land.

Insgesamt sollen 300 000 Reservisten für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine eingezogen werden. Kadyrow selbst hatte erst am Donnerstag betont, dass sich Tschetschenien nicht an der Mobilmachung beteiligen werde. Aus der russischen Teilrepublik seien schon zuvor mehrere Freiwilligen-Einheiten an die Front gegangen.

Putin hatte am 24. Februar den Angriff auf das Nachbarland befohlen. Während die russischen Streitkräfte zunächst größere Gebietsabschnitte eroberten, kam der Vormarsch in den letzten Monaten immer mehr ins Stocken. Zuletzt konnten Kiewer Truppen die russische Armee mit einer größeren Offensive fast ganz aus dem nordostukrainischen Gebiet Charkiw vertreiben. Die Teilmobilmachung und die Scheinreferenden in den besetzten Gebieten über den Beitritt zu Russland gelten als Antwort des Kremls auf diesen Misserfolg.

+++ Ukraine: Behörden schließen Exhumierungen in Isjum ab - 436 Leichen +++

In der kürzlich von ukrainischen Truppen zurückeroberten östlichen Stadt Isjum stehen die Exhumierungen in einem Waldstück mit mehr als 400 neuen Gräbern vor dem Abschluss. "Insgesamt wurden 436 Leichen gefunden", teilte der Gouverneur des Gebiets Charkiw, Oleh Synjehubow, am Freitag im Nachrichtendienst Telegram mit. Von diesen sei die Mehrzahl eines gewaltsamen Todes gestorben. 30 Leichen wiesen Folterspuren auf, erklärte er weiter. Der Verkehrsknotenpunkt Isjum war ukrainischen Angaben nach vom 1. April bis zum 10. September von russischen Truppen besetzt gewesen.

Gouverneur Synjehubow erklärte, es habe Tote gegeben, die eine Schlinge um den Hals geschnürt hatten, es habe gefesselte Hände, gebrochene Gliedmaßen und Schusswunden gegeben. "Bei einigen Männern sind die Genitalien amputiert worden", schrieb Synjehubow. Die Mehrzahl der Toten seien Zivilisten gewesen, aber auch 21 Soldaten seien dort begraben worden. Die Angaben des Gouverneurs ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Synjehubow zufolge wurden in Isjum noch mindestens drei weitere Stellen mit Gräbern gefunden. Zudem sei dem Chef der ukrainischen Polizei, Ihor Klymenko, zufolge im Gebiet Charkiw im Ort Kosatscha Lopan ein Massengrab gefunden worden. Dieses werde demnächst von Spezialisten untersucht, erklärte er.

Nach der Rückeroberung Isjums waren in dem Waldstück an einem Friedhof über 440 mit Kreuzen gekennzeichnete Gräber gefunden worden. Russland begann seinen Angriffskrieg gegen die benachbarte Ukraine vor sieben Monaten.

+++ EU-Ratschef Michel fordert Suspendierung Russlands aus Sicherheitsrat +++

EU-Ratspräsident Charles Michel hat die Suspendierung Russlands aus dem UN-Sicherheitsrat gefordert. "Wenn ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates einen nicht provozierten und nicht zu rechtfertigenden Krieg auslöst, einen Krieg, der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verurteilt wurde, sollte seine Suspendierung vom Sicherheitsrat meiner Meinung nach automatisch erfolgen", sagte der Belgier am Freitag bei der UN-Generalversammlung in New York.

Faktisch ist es allerdings nicht möglich, Entscheidungsprozesse in dem mächtigsten UN-Gremium gegen den Willen einer Vetomacht wie Russland durchzusetzen.

Ein robustes multilaterales System setze gegenseitiges Vertrauen voraus, sagte Michel. Das aktuelle System sei jedoch nicht ausreichend integrativ und repräsentativ. "Der Gebrauch des Vetorechts sollte die Ausnahme sein, wird aber zur Regel. Eine Reform ist dringend erforderlich", sagte Michel. Der für 2024 geplante UN-Zukunftsgipfel sei eine "historische Gelegenheit", um solch radikale Änderungen vorzunehmen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte bereits mehrfach gefordert, dass Russland sein Vetorecht im UN-Sicherheitsrat verlieren solle, solange es Krieg führe.

+++ Selenskyj ernennt neuen ukrainischen Botschafter in Deutschland +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mit Olexij Makejew einen neuen Botschafter in Deutschland eingesetzt. Das entsprechende Dekret wurde am Freitag auf der Seite des Staatschefs veröffentlicht. Der 46-jährige Karrierediplomat folgt dem bisherigen Botschafter Andrij Melnyk. Makejew war seit 2020 im ukrainischen Außenministerium Sonderbeauftragter für die Verschärfung der Sanktionen gegen Russland.

+++ Kreml beklagt Hysterie nach Mobilmachung - Nachbesserungen +++

Nach dem Befehl von Kremlchef Wladimir Putin zur Teilmobilmachung für den Krieg in der Ukraine hat die Führung in Moskau «Hysterie» im Land beklagt. Zugleich schloss sie Reservisten mit bestimmten Berufen von der Zwangsrekrutierung aus. So würden etwa IT-Spezialisten, Experten zur Sicherung des Finanzsystems oder auch Mitarbeiter der Massenmedien, die zu den «systemerhaltenden» Berufen gehörten, nicht eingezogen, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Freitag mit.

Angesichts der Einberufung von Reservisten für den Krieg in der Ukraine verließen Tausende Männer fluchtartig das Land. Der Exodus gilt als Gefahr auch für die russische Wirtschaft. Schon nach dem von Putin angeordneten Einmarsch in die Ukraine im Februar hatten Zehntausende Menschen das Land verlassen. Für den Krieg in dem Nachbarland will Putin mindestens 300 000 Reservisten einziehen lassen.

Kremlsprecher Dmitri Peskow forderte dazu auf, sich ausreichend zu informieren. «Es lässt sich irgendwie verstehen, dass es in den ersten Stunden nach der Bekanntgabe und auch noch am ersten Tag eine hysterische, äußerst emotionale Reaktion gegeben hat, weil es tatsächlich unzureichende Informationen gab», sagte Peskow. Inzwischen aber gebe es auch Hotlines, um telefonisch Fragen zu klären.

Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, dass Beschäftigte im Hochtechnologiebereich nicht eingezogen werden sollten. Nicht in den Krieg müssen demnach auch die Mitarbeiter der staatlichen Propagandamedien. Sie befeuern den Krieg und hatten von Putin einen stärkeren Einsatz in der Ukraine gefordert. Geschützt sind demnach Redakteure, Verleger, Mitarbeiter von Fernsehen, Radio und Zeitungen. Sie gehören zu Putins wichtigen Machtstützen.

Der Chef des Verteidigungsausschusses im russischen Parlament, Andrej Kartapolow, erklärte mit Blick auf die Flucht, dass zwar nach dem Gesetz zur Mobilmachung ein Ausreiseverbot für Reservisten bestehe. Weil es sich aber um eine Teilmobilmachung handelt, werde das Gesetz nicht angewendet. Reisen innerhalb Russlands und ins Ausland seien deshalb erlaubt. Er empfahl aber Reservisten, die unsicher sind, sich selbst an der Einberufungsstelle einzufinden, um zu klären, was erlaubt ist und was nicht.

+++ Scheinreferenden: Kreml will ukrainische Gebiete rasch annektieren +++

Der Kreml geht bei den Scheinreferenden in den besetzten ukrainischen Gebieten von einem Ja für einen Beitritt zu Russland aus und hat eine rasche Annexion der Gebiete angekündigt. Das Verfahren für eine Aufnahme der Regionen könne schnell gehen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge am Freitag. Zugleich betonte er, dass dann Versuche der Ukraine, sich die Gebiete zurückzuholen, als ein Angriff auf die Russische Föderation gewertet würden. Kremlchef Wladimir Putin hatte bereits erklärt, die Gebiete mit allen Mitteln zu verteidigen.

"Zunächst gehen wir davon aus, dass die Sicherheit garantiert ist für das entsprechende Niveau der Abhaltung der Referenden", sagte Peskow. Die vom Westen und der Ukraine nicht anerkannten Scheinabstimmungen sind am Morgen in den von russischen Truppen besetzten Teilen der Gebiete Donzek, Luhansk, Saporischschja und Cherson angelaufen. Die Menschen dort haben bis Dienstag Zeit, über die Frage zu entscheiden, ob sie für oder gegen einen Beitritt zur Russischen Föderation sind.

Russland beruft sich auf das "Selbstbestimmungsrecht der Völker". Weder die Ukraine noch die internationale Gemeinschaft erkennen diese Abstimmung unter der Besatzungsmacht Russland und bewaffneten Truppen an. Es handelt sich um Scheinreferenden, weil sie ohne Zustimmung der Ukraine, unter Kriegsrecht und nicht nach demokratischen Prinzipien ablaufen. Auch eine freie Arbeit internationaler unabhängiger Beobachter ist nicht möglich.

Zugleich machte Kremlsprecher Peskow deutlich, dass es derzeit keine Grundlage gebe für Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew. Präsident Wladimir Putin habe erklärt, dass die ukrainische Regierung aus den Gesprächen ausgestiegen sei und entschieden habe, den Konflikt auf dem "Schlachtfeld" zu entscheiden. Putin habe darauf reagiert, meinte Peskow. Der Kremlchef hatte wegen Rückschlägen bei seinem Angriffskrieg gegen das Land in dieser Woche eine Teilmobilmachung angeordnet, um mehr Personal zu haben für die Kämpfe.

+++ Kiew: Russische Scheinreferenden sind "Propagandashow" +++

Die Ukraine hat die von Russland organisierten Scheinreferenden in den besetzten Gebieten im Osten und Süden des Landes als "Propagandashow" des Kreml bezeichnet. "Heute gibt es in den besetzten Gebieten keinen juristischen Vorgang, der "Referendum" genannt werden kann", schrieb der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, am Freitag im Kurznachrichtendienst Twitter. Die "Show" diene lediglich als Hintergrund für die Teilmobilmachung in Russland. Zugleich sagte Podoljak, dass die besetzten Gebiete "unverzüglich befreit" werden müssten.

In den russisch kontrollierten Teilen der Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson begannen Scheinreferenden über den Beitritt zu Russland. International wurden diese bereits als juristisch nichtig bezeichnet. Kiew drohte den Organisatoren des Vorgangs mit Strafverfolgung wegen Hochverrats. Zudem werde vor allem bei Mitarbeitern staatlicher Verwaltungen die Annahme russischer Pässe rechtlich geahndet. In den Gebieten gibt es viele Kollaborateure.

Russland war am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert. Im Zuge einer Gegenoffensive hatten die ukrainischen Streitkräfte die russischen Truppen aus dem nordostukrainischen Gebiet Charkiw weitgehend vertrieben. Dennoch steht weiter einschließlich der 2014 nach einem umstrittenen Referendum annektierten Halbinsel Krim knapp 20 Prozent des ukrainischen Territoriums unter russischer Kontrolle.

+++ Missbrauch, Folter, Tod: UN-Report zu russischen Kriegsverbrechen +++

Eine UN-Untersuchungskommission hat eigenen Angaben zufolge verschiedene russische Kriegsverbrechen in der Ukraine festgestellt. Die Experten haben unter anderem sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalttaten mancher russischer Soldaten dokumentiert, wie der Kommissionsvorsitzende Erik Møse am Freitag in einem ersten mündlichen Zwischenbericht erklärte. Die Opfer dieser Verbrechen seien zwischen 4 und 82 Jahre alt, sagte er im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf.

Die Untersuchung der Menschenrechtsexperten konzentrierte sich vorerst auf die Anfangsphase der Invasion im Februar und März und auf die Regionen Kiew, Tschernihiw, Charkiw und Sumy. Bei Besuchen an diesen Kriegsschauplätzen fiel der Kommission eine hohe Zahl an Exekutionen auf. Opfer seien oft vor ihrem Tod festgenommen und gefesselt worden. Tote wiesen Schusswunden in den Köpfen und aufgeschlitzte Kehlen auf. Derzeit liefen Untersuchungen in 16 Orten, hieß es weiter in dem Bericht, der keine Opferzahl nannte.

"Zeugen haben übereinstimmend über Folter und Misshandlungen während rechtswidriger Gefangenschaft berichtet", berichtete Møse. Manche Opfer sagten demnach aus, dass sie nach Russland gebracht und dort wochenlang festgehalten wurden. Zu den Foltermethoden gehörten Schläge und Elektroschocks. Die Kommission dokumentierte auch zwei Fälle, in denen russische Soldaten von ukrainischen Einheiten misshandelt wurden.

«Aufgrund der gesammelten Beweise kommt die Kommission zu dem Schluss, dass Kriegsverbrechen in der Ukraine begangen worden sind», sagte Møse. Der ehemalige Präsident des Völkermord-Tribunals für Ruanda und sein Team wollen ihren Abschlussbericht im März 2023 vorlegen.

+++ Berlusconi mit Aufreger kurz vor Wahl: Putin wurde zu Krieg gedrängt +++

Italiens früherer Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat kurz vor der Parlamentswahl mit einer Aussage über Wladimir Putin für Aufsehen gesorgt. Der 85-Jährige behauptete in einem TV-Interview am Donnerstagabend, der Kremlchef sei zum Einmarsch in die Ukraine gedrängt worden. "Putin wurde von der russischen Bevölkerung, von einer Partei, von seinen Ministern gedrängt, sich diese Spezialoperation auszudenken", sagte Berlusconi im Sender Rai.

Berlusconi ist ein Freund des russischen Präsidenten und zögerte nach Kriegsausbruch lange, die Invasion zu verurteilen. Nun sagte er: "Putin ist in eine wirklich schwierige und dramatische Situation gerutscht." Er benutze diesen Ausdruck bewusst, weil Putin von Vertretern der zwei selbst ernannten Republiken im Donbass im Februar aufgefordert worden sei, einzuschreiten. Diese hätten Putin überredet mit der Behauptung, die Ukraine greife die Gebiete immer heftiger an.

Des Weiteren sagte der Parteichef von Forza Italia, der als kleinerer Partner einer Rechts-Koalition beste Chancen auf einen Wahlsieg am Sonntag hat, Putin habe die Regierung in Kiew von Wolodymyr Selenskyj austauschen wollen "mit einer Regierung von anständigen Leuten".

Die Aussagen des Medienunternehmers, der neben seiner Politik durch Skandale aufgefallen war, alarmieren all jene, die eine Zuwendung Italien an Russland nach der Wahl fürchten. Neben Berlusconi ist auch Matteo Salvini Teil des Rechtsblocks - der Lega-Chef war jahrelange Fan Putins und kritisiert die Sanktionen des Westens gegen Moskau.

"Wirklich tragisch" nannte Zentrums-Spitzenkandidat Carlo Calenda den Auftritt Berlusconis und nannte den Forza-Italia-Gründer "irgendetwas zwischen Pressesprecher Putins und Militärberater". Der frühere Ministerpräsident Enrico Letta von den Sozialdemokraten twitterte am Freitag: "Es gibt keine Worte, um das zu kommentieren."

Am Donnerstag hatte die russische Botschaft in Rom mit einem Beitrag bei Facebook provoziert, in dem sie Fotos italienischer Politiker bei deren Treffen mit Putin aus den vergangenen Jahren veröffentlichte. Darunter waren Berlusconi und Salvini, aber auch andere Wahlkämpfer wie Letta, Giuseppe Conte, Matteo Renzi oder Luigi Di Maio und sogar Staatspräsident Sergio Mattarella und Vorgänger Giorgio Napolitano. "Aus der jüngeren Geschichte der russisch-italienischen Beziehungen", stand daneben. "An einige müssen wir uns erinnern."

+++ London: Russlands entscheidende Kriegsziele in Ukraine in Gefahr +++

Die ukrainische Armee setzt nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten die russischen Besatzer inzwischen in Gebieten unter Druck, die Moskau für seine Kriegsziele als entscheidend ansieht. Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London am Freitag hervor.

So bröckle bereits die Verteidigungslinie, auf die sich die Russen nach jüngsten Gebietsverlusten im Nordosten des Landes zurückgezogen hatten. Als Hinweis dafür sehen die Briten, dass die Ukrainer bereits Brückenköpfe am östlichen Ufer des Flusses Oskil im Oblast Charkiw errichtet haben. Die Russen wollten den Fluss demnach eigentlich in eine befestigte Verteidigungslinie integrieren.

Etwas südlicher, im Oblast Donezk, dauern den Briten zufolge die Kämpfe bei Angriffen der Ukrainer auf die Stadt Lyman am Ostufer des Flusses Siwerskyj Donez an. Russlands Invasionstruppen hatten die Stadt im Mai erobert.

+++ Diplomatischer Schlagabtausch bei den Vereinten Nationen -Lawrow wettert gegen den Westen +++

In New York, wo Selenskyj am Vortag seine Rede vor den Vereinten Nationen gehalten hatte, gingen derweil die verbalen Auseinandersetzungen zwischen Russland und der vom Westen unterstützten Ukraine weiter. Moskau habe keinerlei Interesse an Friedensgesprächen und "sucht nur nach einer militärischen Lösung", sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba vor dem UN-Sicherheitsrat. Russischen Diplomaten warf er ein "außergewöhnliches Maß an Lügen" vor. Mit Blick auf den russischen Außenminister Sergej Lawrow, der den Saal bei dem Treffen zur Ukraine rund 90 Minuten zu spät betreten und dann direkt nach seiner Rede wieder verlassen hatte, sagte Kuleba: "Ich habe heute auch bemerkt, dass russische Diplomaten genauso fliehen wie russische Soldaten."

Lawrow wiederum warf dem Westen wegen dessen Waffenlieferungen und der Unterstützung für Kiew eine direkte Einmischung in den Krieg vor. "Diese Politik, Russland zu zermürben und zu schwächen, bedeutet die direkte Einmischung des Westens in den Konflikt und macht ihn zu einer Konfliktpartei", sagte Lawrow bei seinem Kurzauftritt in der Sitzung des UN-Sicherheitsrats. Die Position jener Staaten, "die die Ukraine mit Waffen vollpumpen und ihre Soldaten ausbilden", sei besonders zynisch. Ziel dieser Unterstützung sei offensichtlich, die Kämpfe "trotz der Opfer und der Zerstörung so lange wie möglich hinauszuzögern", sagte Lawrow.

+++ Kreml dementiert höhere Zahlen zu Mobilisierung +++

Zwar haben in Russland viele Menschen bereits ihren Einberufungsbescheid erhalten. Berichte, wonach gar die Einberufung von bis zu einer Million Reservisten möglich sei, stellte Kremlsprecher Dmitri Peskow jedoch als Lüge dar. Das Internetportal der in Russland inzwischen eingestellten Zeitung "Nowaja Gaseta" schrieb dagegen, Präsident Wladimir Putin habe dem Verteidigungsministerium freie Hand zur Mobilisierung von bis zu einer Million Mann gegeben. Dies stehe in Punkt 7 von Putins Erlass vom Mittwoch. Dieser Punkt fehlte in der Veröffentlichung und war als "Nur für den Dienstgebrauch" eingestuft.

Die aus dem Exil agierende Zeitung berief sich in ihrem Bericht auf angebliche Quellen im russischen Präsidialamt. Peskow selbst hatte am Mittwoch gesagt, dass es im besagten Absatz des Erlasses um die Zahl der Reservisten gehe. Es gelte jedoch, dass 300 000 Mann einberufen werden sollten, wie es Verteidigungsminister Sergej Schoigu angekündigt habe.

Angesichts der vom Kreml verkündeten Mobilisierung versuchen viele junge Männer, sich aus Russland abzusetzen. Zudem gab es in Moskau, Sankt Petersburg und anderen Städten des Landes Proteste gegen den erzwungenen Dienst an der Waffe - und Hunderte Festnahmen.

Deutsche Politiker machten sich für die erleichterte Aufnahme russischer Kriegsdienstverweigerer und Deserteure hierzulande stark. Irene Mihalic, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte der «Rheinischen Post»: «Wer sich als Soldat an dem völkerrechtswidrigen und mörderischen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine nicht beteiligen möchte und deshalb aus Russland flieht, dem muss in Deutschland Asyl gewährt werden.» SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der Zeitung, allein die drohenden Strafen bei Boykott der Einberufung «halte ich bereits nach jetziger Rechtslage für ausreichend als Asylgrund». Ähnliche Stimmen gab es auch aus der Unionsfraktion.

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sieht Putin spätestens mit der Teilmobilmachung auch im eigenen Land massiv unter Druck. "Ich würde sagen, es ist das Stadium erreicht, dass seine Autorität bröckelt", sagte er am Donnerstag in der ZDF-Sendung "maybrit illner". "Er hat jetzt dem eigenen Volk, den jungen Leuten Angst gemacht." Putins System lasse militärische und politische Schwäche erkennen, was letztlich dazu führen könne, «dass wieder Diplomatie Konflikte regelt und nicht Waffen".

+++120 000 Wehrpflichtige eingezogen +++

Neben der Mobilisierung von Reservisten hat Russland auch mit der Einberufung von Rekruten für den gewöhnlichen Wehrdienst begonnen, die einmal pro Halbjahr üblich ist. Diesmal wurden 120 000 Wehrpflichtige eingezogen. "Die zum Wehrdienst einberufenen Bürger werden nicht zur Teilnahme an der militärischen Spezialoperation in der Ukraine herangezogen", versicherte Generalstabs-Vertreter Wladimir Zimljanski. Der Kreml folgt weiter beharrlich seiner Linie, den Krieg offiziell als "militärische Spezialoperation" zu bezeichnen. Zimljanski zufolge werden auch die Wehrpflichtigen, deren Dienstzeit nun endet, entlassen und an ihren Heimatort geschickt. In Russland dauert der reguläre Wehrdienst ein Jahr.

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