In Rom eskaliert die Regierungskrise. Ministerpräsident Draghi reicht den Rücktritt ein, der Staatspräsident lehnt ab. Wie es nun weitergeht, soll in der nächsten Woche eine Vertrauensabstimmung im Parlament zeigen. Einige Parteien positionieren sich deutlich.
In Italien suchen die Parteien nach einem Ausweg aus der Regierungskrise. Staatspräsident Sergio Mattarella lehnte am Donnerstagabend ein Rücktrittsgesuch von Regierungschefs Mario Draghi ab. Der 74-Jährige steht nun vor einer Vertrauensfrage im Parlament. Dort soll geklärt werden, ob Draghis Vielparteienregierung nach einem Eklat um die Fünf-Sterne-Bewegung noch eine solide Mehrheit hat. Aus der Regierung gab es sowohl Stimmen für eine Fortsetzung als auch für Neuwahlen.
Wie aus Regierungskreisen zu hören war, wurde der nächste Mittwoch als Termin für die Parlamentsdebatte festgelegt. Das ohnehin schon von einer Dürre- und Energiekrise gebeutelte Mittelmeerland steht damit vor fünf Tagen Gezerres um die Zukunft jenes Mannes, der noch 2021 - auch international - als großer Politik-Gewinner gefeiert wurde.
Italien Ministerpräsident Mario Draghi kündigt Rücktritt an
Seit Donnerstagabend ist in Rom klar, wer für und wer gegen Draghi ist. Die Sozialdemokraten und Zentrumsparteien sprachen sich für eine Fortführung der Regierung des 74-Jährigen aus. Die rechtsextremen Fratelli d'Italia fordern sofortige Neuwahlen; auch die rechte Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia - die anders als die Fratelli in der Regierung vertreten sind - könnten sich damit anfreunden.
Die Fünf Sterne von Ex-Ministerpräsident Giuseppe Conte hatten den Rücktritt Draghis provoziert, als sie einer Vertrauensabstimmung im Senat - der kleineren der zwei Parlamentskammern - über ein Hilfsdekret von rund 26 Milliarden Euro für italienische Familien wegen der Folgen des Ukraine-Krieges und der hohen Energiepreise fernblieben. Draghi sah keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit.
Staatspräsident Mattarella, der den früheren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) im Winter 2021 als parteilosen Experten eingesetzt hatte, lehnte dessen Rücktritt ab. Er forderte Draghi stattdessen auf, im Parlament zu klären, ob er noch eine Mehrheit hinter sich versammeln kann.
Fünf-Sterne-Bewegung sprach italienischer Regierung ihr Vertrauen nicht aus
Vorausgegangen war ein seit Tagen dauernder Streit mit der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung um eine Abstimmung über ein milliardenschweres Hilfsdekret im Senat, mit dem auch eine Vertrauensabstimmung verbunden war. Die Sterne-Senatoren stimmten nicht mit ab und sprachen damit in der kleineren der beiden Parlamentskammern der Regierung ihr Vertrauen nicht aus. Der Vertrauenspakt sei gescheitert, erklärte Draghi weiter.
Die populistische Anti-Establishment-Partei von Draghis Vorgänger Giuseppe Conte entschied sich am Donnerstag, ein Hilfspaket in Höhe von rund 26 Milliarden Euro nicht mitzutragen. Die Fünf Sterne verlangen mehr Hilfsgelder und wollten nicht für eine Müllverbrennungsanlage in der vom Abfall-Chaos geplagten Stadt Rom stimmen. Diese Anlage lehnt sie schon seit Jahren ab. Manche Beobachter gehen davon aus, dass Conte zu hoch gepokert und nun die Kontrolle über seine Bewegung verloren hat.
Italien steht vor schwerer politischer Krise
"Nun haben wir fünf Tage Zeit, um dafür zu arbeiten, dass das Parlament der Regierung Draghi das Vertrauen ausspricht und Italien so schnell wie möglich aus dieser dramatischen Spirale herauskommt, in die es in diesen Stunden geschlittert ist", twitterte Enrico Letta, Parteichef des Partito Democratico. Auch Matteo Renzi von der Kleinpartei Italia Viva, wie Letta einst selbst Ministerpräsident, sagte Draghi die Unterstützung für eine Fortführung der Regierung zu.
Die Rechtsparteien wittern indes ihre Chancen in Neuwahlen - vor allem die rechtsextremen Fratelli d'Italia, die in Umfragen gleichauf mit den Sozialdemokraten derzeit stärkste Partei sind. "Mit dem Rücktritt von Draghi ist für die Fratelli d'Italia diese Legislaturperiode vorbei", sagte Parteichefin Giorgia Meloni. Die Lega teilte mit: "Es ist undenkbar, dass Italien nun wochenlang erstarrt in einem dramatischen Moment wie diesem. Niemand muss Angst davor haben, den Italienern das Wort zu erteilen." Berlusconi hatte schon vor der Vertrauensabstimmung gesagt, dass ihn und Forza Italia eine vorzeitige Rückkehr an die Wahlurnen keine Angst bereite.
Weitgehend einig waren sich die Parteien rechts wie links nur in einem: Dass die Fünf-Sterne-Bewegung das Land auf unverantwortliche Weise in die Krise gestürzt habe. Wie es mit den Populisten - 2018 noch klarer Wahlsieger - nun weitergeht, das ist völlig offen. Italiens Außenminister Luigi Di Maio sagte in einem TV-Interview am Abend, ihm "blute das Herz", wenn er sehe, dass im autokratischen Russland ein Mann wie Ex-Präsident Dmitri Medwedew juble, "weil eine der stärksten Demokratien der Welt in Italien geschwächt wurde". Di Maio war zuletzt aus der Fünf-Sterne-Bewegung ausgetreten.
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gom/news.de/dpa
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