Nach mehr als drei Monaten des russischen Krieges gegen die Ukraine soll Kanzler Scholz nun angeblich bald nach Kiew reisen. Die Kämpfe im Osten der Ukraine gehen unterdessen weiter. Alle aktuellen Ukraine-News von heute auf einen Blick.
Nach anderen europäischen Spitzenpolitikern steht nun auch Bundeskanzler Olaf Scholz laut einem Medienbericht erstmals seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor einer Reise nach Kiew. Der SPD-Politiker wolle vor dem G7-Gipfel Ende Juni die Ukraine besuchen, berichtete die "Bild am Sonntag". Derweil gehen im Osten des Landes die Kämpfe weiter, in denen die russische Armee ihre Überlegenheit bei Artillerie und Munition für Landgewinne nutzen will.
Scholz wolle gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem italienischen Regierungschef Mario Draghi nach Kiew reisen, berichtete die "Bild am Sonntag" unter Berufung auf französische und ukrainische Regierungskreise. Scholz hatte zuletzt gesagt, er würde nur nach Kiew reisen, wenn konkrete Dinge zu besprechen wären. Zwischen Berlin und Kiew hatte es in den vergangenen Monaten einige Spannungen gegeben. Neben der früheren Russland-Politik des heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier kritisierte die ukrainische Seite, es dauere zu lange, bis zugesagte Waffenlieferungen auch tatsächlich ankämen.
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+++ Russlands Militär beschießt Waffenlager im Westen der Ukraine +++
Die russischen Streitkräfte haben eigenen Angaben zufolge ein großes Waffenlager bei Ternopil im Westen der Ukraine angegriffen. "Hochpräzise seegestützte Kalibr-Langstreckenraketen haben in der Nähe des Ortes Tschortkiw in der Region Ternopil ein großes Lager mit Panzerabwehrraketensystemen, tragbaren Flugabwehrraketensystemen und Artilleriegeschossen zerstört", teilte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Sonntag mit. Dabei habe es sich um Waffen gehandelt, die die USA und europäische Länder der Ukraine geliefert hätten.
Nach Angaben des Bürgermeister von Tschortkiw, Wolodymyr Trusch, schlugen kurz vor 22.00 Uhr Ortszeit (21.00 MESZ) vier Raketen in ein militärisches und mehrere zivile Objekte ein. Unter anderem seien vier Wohnhäuser beschädigt worden. 22 Menschen wurden demnach verletzt. Über Tote wurde nichts bekannt. Die Raketen seien demzufolge aus Richtung des Schwarzen Meeres gekommen.
Wie der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums weiter mitteilte, sind an der Front bei Luftangriffen mehr als 150 ukrainische Soldaten getötet worden, außerdem wurden sechs Panzer, fünf Artilleriegeschütze und zehn Armeefahrzeuge zerstört. Zwei ukrainische Kampfflugzeuge vom Typ Su-25 wurden demnach von russischen Kampfjets abgeschossen, eine weitere ukrainische SU-25 wurde von der Luftabwehr getroffen. Unabhängig sind diese Angaben nicht zu überprüfen.
+++ Bericht: Russen bereiten sich auf Krieg bis Oktober vor +++
Das russische Militär bereitet sich nach Einschätzung des ukrainischen Militärgeheimdienstes auf einen längeren Krieg vor. Die Planung der russischen Streitkräfte sei für 120 weitere Tage bis Oktober 2022 verlängert worden, berichteten die Militärexperten des US-amerikanischen Institute for the Study of the War (ISW) am Samstag (Ortszeit) unter Berufung auf Informationen von Geheimdienst-Vizedirektor Wadym Skibizkij. Das russische Militär werde seine Pläne abhängig vom Erfolg im Donbas aber weiter anpassen, dies geschehe nahezu monatlich.
Die Informationen deuteten nach Einschätzung des ISW darauf hin, dass der Kreml nicht daran glaubt, seine Ziele in der Ukraine schnell erreichen zu können. Es handele sich um einen Versuch des russischen Militärs, anfängliche Mängel der Offensive zu korrigieren.
Skibizkij sagte zudem, dass die russischen Streitkräfte über weitere 40 Kampfbataillone verfügten. 103 Bataillone seien bereits in der Ukraine. Nach Ansicht der Experten vom ISW ist es aber angesichts des Personalmangels an der Front unwahrscheinlich, dass das russische Militär einen so großen Teil seiner Streitkräfte in Reserve halte. Es handele sich möglicherweise um zusammengewürfelte Einheiten.
+++ Rheinmetall-Chef: Erste Marder-Schützenpanzer fertig +++
Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat nach eigenen Angaben die Modernisierung erster Schützenpanzer vom Typ Marder abgeschlossen. "Wir sind dabei, 100 Marder-Schützenpanzer instandzusetzen, erste Fahrzeuge sind bereits so weit", sagte der Vorstandsvorsitzende Armin Papperger der "Bild am Sonntag". Mit Blick auf eine mögliche Lieferung an die Ukraine fügte er hinzu:"Wann und wohin die Marder geliefert werden, ist die Entscheidung der Bundesregierung."
Die Ukraine wünscht sich von Deutschland zur besseren Ausrüstung im Abwehrkampf gegen Russland schwerere Waffen. Rheinmetall hatte die Lieferung der von der Bundeswehr ausgemusterten und wieder aufzubereitenden Marder angeboten. Die Bundesregierung hat nach bisherigem öffentlichen Stand aber noch nicht entschieden. Nach ihren Plänen sollen sie auch nur für einen Ringtausch mit Nato-Partnern eingesetzt werden: Länder wie Tschechien und Griechenland würden sie dann als Ausgleich erhalten, wenn sie ihrerseits alte sowjetischer Panzer aus ihren Beständen an die Ukraine liefern.
+++ CDU-Außenpolitiker: Mögliche Ukraine-Reise von Scholz «überfällig» +++
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter hat eine mögliche Ukraine-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als "längst überfälliges Zeichen der Solidarität" bezeichnet."Ich hoffe, damit sind auch zwei weitere Botschaften verknüpft: die Unterstützung des EU-Kandidatenstatus und die Bereitschaft mit westlichen schweren Waffen zu helfen", sagte Kiesewetter dem Fernsehsender Welt.
Nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" will Scholz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem italienischen Regierungschef Mario Draghi noch vor dem G7-Gipfel Ende Juni die Ukraine besuchen. Ein Sprecher der Bundesregierung wollte den Bericht am Samstagabend nicht kommentieren.
"Dieses Signal vor dem G7-Gipfel ist für die ukrainische Bevölkerung unverzichtbar", sagte Kiesewetter mit Blick auf die mögliche Reise der drei Staats- und Regierungschefs. Russland müsse daran gehindert werden, weitere Kriegsverbrechen in der Ukraine zu begehen. "Der gemeinsame Konsens muss eindeutig lauten: Die Ukraine muss ihre Souveränität und Integrität zumindest in den Grenzen vom Januar 2022 wiederherstellen."
+++ In Ostukraine Sjewjerodonezk weiter Zentrum schwerster Kämpfe +++
Im Osten der Ukraine dauert nach dem Angriff russischer Truppen der Kampf um die Großstadt Sjewjerodonezk im Gebiet Luhansk an. Die Lage dort sei die schlimmste im ganzen Land, sagte der Gouverneur des Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, in einer am Sonntag veröffentlichten Videoansprache. "Es ist unmöglich, den Beschuss zu zählen."
Viele Ortschaften in der Region stünden unter Feuer, sagte Hajdaj. Besonders schwierig sei die Situation in dem Ort Toschkiwka südlich des Verwaltungszentrums Sjewjerodonezk. Dort versuchten die russischen Angreifer eine Verteidigungslinie zu durchbrechen. Teils hätten es die ukrainischen Streitkräfte geschafft, den Feind aufzuhalten.
In Sjewjerodonezk wurde die Chemiefabrik Azot beschossen, wie Hajdaj sagte. Zuvor hatten die prorussischen Separatisten mitgeteilt, Zivilisten, die in den Bunkern der Industrieanlage Schutz gesucht hatten, hätten das Werksgelände verlassen. Hajdaj zufolge haben viele Menschen sich in Schutzbunker begeben, weil russische Truppen gezielt Wohnviertel mit schwerer Artillerie beschießen. "Wahrscheinlich wollen alle jetzt fliehen, aber eine solche Möglichkeit gibt es aktuell nicht", sagte Hajdaj.
Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs in Kiew sind bei den anhaltend schweren Kämpfen im Donbass die russischen Truppen im Bereich des wichtigen Verkehrsknotenpunkts Bachmut zurückgedrängt worden. Es seien bis zu 150 Angreifer "vernichtet" worden. Von unabhängiger Seite überprüfen ließen sich diese Angaben nicht.
Der Generalstab in Kiew meldete eine Vielzahl von Kämpfen im Osten des Landes, darunter besonders auch in der Region Slowjansk im Gebiet Donezk. Immer wieder gebe es auch Luftangriffe gegen zivile Infrastruktur, heiß es.
+++ Kämpfe um Sjewjerodonezk dauern an +++
In der Ostukraine wird weiter unter anderem um die Großstadt Sjewjerodonezk gekämpft. Das russische Militär habe die zivile Infrastruktur in der Stadt sowie im benachbarten Lyssytschansk und drei weiteren Orten beschossen, teilte der ukrainische Generalstab mit. Ukrainische Einheiten hätten russischen Angriffen aus mehreren Richtungen standgehalten. Die Angaben waren nicht unabhängig zu überprüfen.
Sjewjerodonezk ist die letzte Großstadt im Gebiet Luhansk, die sich noch nicht vollständig unter Kontrolle russischer Truppen oder prorussischer Separatisten befindet. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von fortlaufenden Straßenkämpfen. Laut Bürgermeister Olexandr Strjuk kontrollieren ukrainische Truppen ein Drittel von Sjewjerodonezk. Die Stadt sei seit rund zwei Monaten ohne Strom und Wasserversorgung, betonte er.
+++ Schwierige Lage für ukrainische Truppen +++
Selenskyj und andere ukrainische Politiker appellierten in den vergangenen Tagen an westliche Verbündete, schleunigst mehr schwere Waffen und Geschosse zu schicken. Denn der Konflikt in der Ostukraine entwickelt sich zu einem Artillerie-Duell, in dem die russische Armee dank größerer Waffen- und Munitionsbestände einen Vorteil hat. Die russischen Truppen verzeichnen nach ukrainischen und westlichen Schätzungen weiter hohe Verluste. Selenskyj sprach am Samstag in seiner täglichen Videoansprache von bisher rund 32 000 getöteten russischen Soldaten. Am Vortag hatte einer seiner Berater die Verluste der ukrainischen Armee seit der russischen Invasion am 24. Februar auf etwa 10 000 Getötete beziffert.
+++ Renten und Versorger-Rechnungen in Rubel +++
Zugleich versucht Russland, besetzte Gebiete schnell an sich zu binden. So sollen im besetzten südukrainischen Gebiet Cherson Renten bald in russischen Rubel gezahlt werden, wie der russische Verwaltungschef Wladimir Saldo am Samstag im Nachrichtendienst Telegram verkündete. Das gelte auch für Rechnungen von Energie- und Wasserversorgern - die bis zur Umstellung kostenlos sein würden. Am Samstag wurden den ersten 23 Einwohnern der Region russische Pässe ausgehändigt. Rund 7000 weitere hätten einen russischen Pass beantragt, hieß es. Selenskyj sagte in seiner Ansprache, russische Pässe seien dort so etwas wie «ein Ticket zur Flucht», da die ukrainische Armee im Gebiet Cherson Fortschritte mache.
+++ Selenskyj: Kandidaten-Status für Ukraine wird auch EU stärker machen +++
Selenskyj warb noch einmal für den EU-Beitritt seines Landes. Er sei überzeugt, dass mit der Entscheidung über einen Kandidatenstatus für die Ukraine auch die Europäische Union gestärkt werden könne. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte bei einem Besuch in Kiew am Samstag gesagt, die Auswertung des Beitrittsantrags der Ukraine werde Ende der kommenden Woche abgeschlossen. Ihre Behörde soll eine Empfehlung mit Blick auf einen möglichen Kandidaten-Status für das Land abgeben. Die Ukraine hofft, dass sie diesen beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU am 23. und 24. Juni zuerkannt bekommt.
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