Frieren für die Industrie? Das fordert der Eon-Aufsichtsratschef Karl-Ludwig-Kley im Gasnotfall. Die Industrie sollte im Falle eines Lieferstopps russischen Gases bevorzugt werden - auf Kosten der Privathaushalte. Die Empörung ist groß.
Mit bangem Blick schaut die Welt nach Russland, nachdem Wladimir Putin Polen und Bulgarien den Gas-Hahn zugedreht hat. Auch Deutschland stellt sich nach dem russischen Lieferstopp bereits auf Engpässe ein. Noch fließt Gas aus der Pipeline. Sollte Putin uns jedoch ebenfalls das Gas abdrehen, dann ist die Reserve, die laut Datenbank des Netzwerks Gas Infrastructure Europe einen Speicher-Füllstand von knapp 34 Prozent hat, schnell aufgebraucht. Dass die Folgen für Industrie, Verbraucher und wohl auch viele Arbeitnehmer erheblich wären, sollte Russland die Gaslieferungen nach Deutschland bald ebenso einstellen, steht außer Frage.
Wenn Putin Gas-Lieferungen stoppt: Top-Manager will Privathaushalten das Gas abdrehen
Ein dazugehöriger Notfallplan sieht vor, Privathaushalte bei Versorgungsengpässen zu bevorzugen und stattdessen zunächst Industriebetriebe abzuklemmen. Karl-Ludwig Kley, Aufsichtsratschef von Eon und Lufthansa, fordert nun jedoch eine Änderung der Vorgehensweise. Der mächtigste Energieboss Deutschlands will zunächst den Privathaushalten den Gas-Hahn zudrehen, um die Industrie zu schonen.
Eon-Aufsichtsrat fordert: Industrie bei Gas-Engpass bevorzugen
Die Industrie solle "sehr ernsthaft darüber nachdenken, ob sie die Reihenfolge nicht umdreht und erst bei Privaten abschaltet und dann bei der Industrie", erklärte er im Gespräch mit dem "Manager-Magazin". Auf die Nachfrage, ob diese veränderte Priorisierung dazu führen könne, dass die Produktion weiterläuft, während Menschen im Winter in den eigenen vier Wänden frieren müssten, erwidert der 70-Jährige: "Im schlimmsten Fall, ja."
Netzagentur-Präsident lehnt Forderungen nach Bevorzugung der Industrie ab
Nun ist ein hässlicher Streit darum entbrannt, wer als Erstes aufs Gas verzichten soll, wenn der Kreml-Despot Ernst macht. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, lehnt Forderungen nach einer Bevorzugung der Industrie im Fall eines Gas-Lieferstopps ab. "Ich kann und möchte mir nicht vorstellen, dass man die Versorgung von Krankenhäusern weniger wichtig finden kann als die der Industrieunternehmen", sagte Müller der "Rheinischen Post" (Freitag).
Müller mahnte, die Gruppen nicht gegeneinander auszuspielen. "Trotzdem ist die Frage legitim und notwendig, was ich in einer Gasnotlage zuhause tun kann oder muss, um Gas, CO2 und Geld zu sparen, damit unser Land insgesamt gut durch die Krise kommt. Sie gilt aber für die Industrie wie für private Verbraucher gleichermaßen, keine Gruppe sollte gegen die andere ausgespielt werden", sagte er.
Auch Politiker von Union und SPD haben Forderungen zurückgewiesen, dass im Falle eines Gas-Import-Stopps aus Russland im Zuge des Ukraine-Kriegs Unternehmen länger als Privathaushalte mit den dann verbleibenden Gas-Reserven versorgt werden. "Die Wirtschaft muss für den Menschen da sein und nicht umgekehrt", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner der "Bild"-Zeitung (Freitag). Forderungen, die Gas-Priorisierung zu ändern, "gehen gar nicht".
"Privathaushalte brauchen besonderen Schutz"
Andreas Jung (CDU), Mitglied des Bundestagsausschusses für Klimaschutz und Energie, sagte: "Es muss nochmal sensibel diskutiert werden, wo welche Einsparungen vertretbar sind. Aber klar ist: Niemand soll frieren, Privathaushalte brauchen besonderen Schutz."
Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, warnte ebenfalls davor, die privaten Haushalte im Fall eines Gas-Lieferstopps vor der Industrie abzuschalten. "Ich verstehe das Anliegen, die Industrie so lange wie möglich mit Gas zu versorgen. Doch es steht nicht nur im Gesetz, dass die privaten Haushalte geschützte Kunden sind. Eine Abschaltung der Haushalte wäre auch mit Sicherheitsfragen verbunden", sagte Hüther der "Rheinischen Post". "Vor allem wäre es für die Netzagentur im Vorhinein auch gar nicht möglich, eine massenhafte Abschaltung sicher zu planen."
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sba/fka/news.de/dpa
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