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Ukraine-Krieg im News-Ticker, Tag 58: Scholz warnt vor 3. Weltkrieg: "Es darf keinen Atomkrieg geben"

Kiew zufolge ist Moskau auf Forderungen einer Feuerpause über die orthodoxen Osterfeiertage nicht eingegangen. Russische Einheiten konnten offenbar vereinzelt Fortschritte im Donbass erzielen. Die aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg lesen Sie hier.

Olaf Scholz hat weitere Waffenlieferungen an die Ukraine angekündigt. (Foto) Suche
Olaf Scholz hat weitere Waffenlieferungen an die Ukraine angekündigt. Bild: picture alliance/dpa/Reuters/Pool | Lisi Niesner

Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat Russland den Vorschlag einer Feuerpause über die orthodoxen Osterfeiertage abgelehnt. Moskau verlege zudem weiter Truppen für den Krieg in die Ukraine. Zuletzt konnten russische Einheiten offenbar vereinzelt Fortschritte im Donbass verzeichnen. Die Bundesregierung will Mittel für den Wiederaufbau in der Ukraine bereitstellen. Fridays for Future will an diesem Freitag europaweit gegen Gas aus Russland demonstrieren.

Die Absage einer Feuerpause zum Osterfest der orthodoxen Christen an diesem Wochenende zeige, sagte Selenskyj, was der christliche Glaube und einer der fröhlichsten und wichtigsten Feiertage den Führern Russlands gelte. "Wir werden aber trotzdem die Hoffnung behalten. Die Hoffnung auf Frieden, die Hoffnung darauf, dass das Leben über den Tod siegt", sagte Selenskyj

Ukraine-Krieg, Tag 58 im News-Ticker - Alle aktuellen Geschehnisse am 22.04.2022 im Überblick

Die aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg im News-Ticker. (Foto) Suche
Die aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg im News-Ticker. Bild: picture alliance / EPA | MIGUEL GUTIERREZ

+++ Kanzler Scholz: "Es darf keinen Atomkrieg geben"+++

Bundeskanzler Olaf Scholz hat es als oberste Priorität seiner Ukraine-Politik bezeichnet, ein Übergreifen des Krieges auf die Nato zu vermeiden. "Es darf keinen Atomkrieg geben", sagte er in einem am Freitag veröffentlichten Interview des "Spiegel". "Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt."

Scholz erinnerte in diesem Zusammenhang an sein Nein zu einer Flugverbotszone über der Ukraine, die nur durchzusetzen gewesen wäre, wenn man auch zum Abschuss russischer Flugzeuge bereit gewesen wäre. Damit wäre die Nato zur Kriegspartei geworden, sagte der Kanzler. "Ich habe sehr früh gesagt, dass wir alles tun müssen, um eine direkte militärische Konfrontation zwischen der Nato und einer hochgerüsteten Supermacht wie Russland, einer Nuklearmacht, zu vermeiden."

Auch mit Blick auf die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine wird derzeit darüber diskutiert, ob Nato-Länder deswegen von Russland als Kriegspartei wahrgenommen werden könnten. Scholz sagte dazu, es stehe in keinem Lehrbuch, ab wann man als Kriegspartei wahrgenommen werde. "Das Buch wird täglich neu geschrieben, manche Lektionen liegen noch vor uns. Umso wichtiger ist es, dass wir jeden unserer Schritte genau überlegen und eng miteinander abstimmen", sagte Scholz. "Eine Eskalation in Richtung Nato zu vermeiden, hat für mich höchste Priorität. Deshalb schiele ich nicht auf Umfragewerte oder lasse mich von schrillen Rufen irritieren." Die Konsequenzen eines Fehlers wären dramatisch.

Die Frage, ob er den Eindruck habe, dass Putin Atomwaffen einsetzen könnte, beantwortete Scholz nicht. Er verwies aber darauf, dass Russland wegen der Sanktionen und einer Kette militärischer Niederlagen in der Ukraine in dramatischen Schwierigkeiten stecke. "Putin steht gewaltig unter Druck", sagte er

+++ Russische Armee will volle Kontrolle über den Donbass und Süd-Ukraine +++

Die russische Armee will in der zweiten Phase ihres Krieges in der Ukraine nach eigenen Angaben komplett den Donbass im Osten sowie den Süden des Landes einnehmen. Es gehe bei der in dieser Woche begonnenen Etappe der "militärischen Spezial-Operation" darum, einen Landweg zur Schwarzmeer-Halbinsel Krim zu sichern. Das sagte der amtierende Befehlshaber des zentralen Wehrbezirks, Rustam Minnekajew, am Freitag der Agentur Interfax zufolge.

Demnach äußerte sich Minnekajew bei einer Versammlung des Verbandes der Unternehmen der Rüstungsindustrie. Bisher hat sich niemand aus der Militärführung so konkret zu den Zielen des Krieges geäußert. "Die Kontrolle über den Süden der Ukraine, da ist noch ein Zugang zu Transnistrien", sagte Minnekajew. In der von der Republik Moldau abtrünnigen Region Transnistrien sind russische Truppen stationiert. Minnekajew deutete demnach an, dass auch dort die Interessen der russischsprachigen Bevölkerung verteidigt werden sollen. Russland begründet mit dieser Argumentation auch seinen Angriffskrieg in der Ukraine, der offiziell nur als "Spezial-Operation" bezeichnet wird. Die Ukraine hingegen spricht von "Völkermord".

+++ Baerbock: Werden bei Nato-Verstärkung im Baltikum vorangehen +++

Außenministerin Annalena Baerbock hat den baltischen Staaten eine stärkere Beteiligung Deutschlands an der Verteidigung der Nato-Ostflanke versprochen. "Wenn die Nato entscheidet, dass die Präsenz der Nato auf Brigadenstärke erhöht werden soll, dann werden wir als Bundesrepublik Deutschland dafür einen substanziellen Beitrag leisten", kündigte die Grünen-Politikerin am Freitag nach einem Treffen mit ihrem Amtskollegen Gabrielius Landsbergis in Litauens Hauptstadt Vilnius an. "Ich habe hier verstanden, dass das nötig ist. Und dann wird Deutschland dort vorangehen."

Eine Brigade besteht üblicherweise aus mehreren Tausend Soldaten. Baerbock versicherte, Deutschland werde sich an einer verstärkten langfristigen Nato-Präsenz im Baltikum mit zusätzlichen Beiträgen beteiligen.

Die Nato will bei einem Gipfeltreffen Ende Juni in Madrid ihr neues Verteidigungskonzept beschließen. Baerbock sagte, auf dem Gipfel brauche es "nicht nur Lippenbekenntnisse". Angesichts des brutalen russischen Vorgehens in der Ukraine sei "Luftverteidigung und eine substanzielle Nato-Präsenz" notwendig. "Wir müssen praktisch in der Lage sein, jeden Quadratzentimeter unseres gemeinsamen Bündnisgebietes, das heißt des Baltikums, zu verteidigen. Und zwar ab der ersten Minute", sagte die Ministerin.

+++ Scholz kündigt weitere Waffenlieferung an Ukraine an +++

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Lieferung weiterer Waffen an die Ukraine angekündigt. "Die Möglichkeiten der Bundeswehr, aus ihrem Arsenal weitere Waffen zu liefern, sind weitgehend erschöpft. Was noch verfügbar gemacht werden kann, liefern wir aber auf jeden Fall noch", sagte der SPD-Politiker dem "Spiegel". Scholz nannte hierbei Panzerabwehrwaffen, Panzerrichtminen und Artilleriemunition.

Mit der deutschen Industrie sei eine Liste von militärischer Ausrüstung erstellt worden, die rasch lieferbar sei. Sie sei mit dem ukrainischen Verteidigungsministerium besprochen. "Wie bisher also Verteidigungswaffen und Mörser für Artilleriegefechte." Truppentransporter und Artillerie seien schnell einsetzbar, sagte Scholz in dem am Freitag veröffentlichen Interview. Kurzfristig seien Waffen aus ehemaligen sowjetischen Beständen am sinnvollsten, mit denen die Ukrainer gut vertraut seien. Mittelfristig werde Deutschland der Ukraine dabei helfen, ihre Verteidigungsfähigkeit auszubauen, "auch mit westlichen Waffen".

Scholz wies den Vorwurf zurück, er sei in der Frage zu zögerlich oder äußere sich widersprüchlich. "Für Deutschland war es ein tiefgreifender Kurswechsel, als ich angekündigt habe, Waffen in dieses Kriegsgebiet zu liefern", unterstrich der Kanzler. "Viele, die diesen Schritt früher kategorisch abgelehnt haben, überbieten sich jetzt mit Forderungen, noch viel mehr zu liefern - ohne die genaue Sachlage zu kennen."

Scholz sieht auch keinen Anlass, die Russlandpolitik der SPD aufzuarbeiten. "Seit Adenauers Zeiten gibt es diese verfälschenden und verleumderischen Darstellungen der Europa- und Russlandpolitik der SPD, das ärgert mich", sagte der Kanzler dem Nachrichtenmagazin. Er betonte: "Ich befürworte jede Diskussion über die künftige Politik. Aber ich weise zurück, dass die Eintrittskarte für eine Debatte eine Lüge ist."

+++ Kiew: Russen verhindern Flucht von Zivilisten aus Werk in Mariupol +++

Die Ukraine hat russischen Truppen vorgeworfen, Zivilisten am Verlassen des belagerten Stahlwerks in Mariupol zu hindern. "Die Russen fürchten Azovstal zu stürmen, doch dabei lassen sie bewusst und zynisch keine Zivilisten heraus", teilte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk am Freitag im Nachrichtenkanal Telegram mit. So solle der Druck auf die verbliebenen ukrainischen Soldaten in dem Werk erhöht werden, sich zu ergeben. Nach Angaben von Wereschtschuk wollen sich die Verteidiger des Werks und Mariupols nicht ergeben.

In den Bunkeranlagen des Werks sollen sich nach Kiewer Angaben noch etwa 1000 Zivilisten aufhalten. Kremlchef Wladimir Putin hatte am Donnerstag angeordnet, das Werksgelände nicht zu stürmen. Es sollte aber abgeriegelt werden, bis sich die ukrainischen Kämpfer ergeben. Russland hatte wiederholt vor allem dem von Nationalisten dominierten Asow-Regiment vorgeworfen, Zivilisten als Schutzschild zu benutzen.

+++ Polizeichef: Bisher mehr als 1000 Tote im Kiewer Gebiet gefunden +++

eit dem Abzug russischer Truppen vor mehr als drei Wochen sind im Gebiet Kiew nach Polizeiangaben bisher mehr als 1000 Leichen gefunden worden. "Gerade beträgt die Zahl der Toten 1084, die von Ermittlern untersucht und zur Gerichtsmedizin gebracht wurden", sagte der Polizeichef der Region um die Hauptstadt Kiew, Andrij Njebytow, am Freitag im ukrainischen Fernsehen. Es handele sich um Zivilisten, die in keiner Beziehung zur Gebietsverteidigung oder anderen militärischen Verbindungen gestanden hätten.

"Der überwiegende Teil - von 50 bis 75 Prozent in Abhängigkeit vom Ort - sind Menschen, die mit Schusswaffen getötet wurden», betonte Njebytow. Es seien Maschinen-, Scharfschützen- und Sturmgewehre eingesetzt worden, um die Menschen zu töten. Mehr als 300 Leichen konnten nach seinen Angaben noch nicht identifiziert werden. Russland hatte vor zwei Monaten einen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen. Die Vereinten Nationen haben bisher mehr 2300 getötete Zivilisten offiziell erfasst, gehen aber wie die ukrainische Regierung von weitaus höheren Opferzahlen aus.

+++ Kiew: Verstärkte Kämpfe an Frontlinie im Osten +++

Im Osten der Ukraine haben sich Angaben aus Kiew zufolge die Gefechte an mehreren Orten intensiviert. Die russischen Einheiten hätten die Kämpfe entlang der gesamten Frontlinie in der Region Donezk verschärft, heißt es im Morgenbericht des ukrainischen Generalstabs am Freitag. Russland führe offensive Operationen bei der Siedlung Saritschne durch. Es versuche weiter, rund um die Stadt Rubischne in der Region Luhansk vorzustoßen. Gefechte dauerten auch um die Stadt Popasna an. Diese wird ukrainischen Angaben zufolge teilweise bereits von russischen Truppen kontrolliert.

Schwere Gefechte habe es zudem wie in den vergangenen Tagen um Marjinka gegeben. Russische Einheiten versuchten mit Unterstützung von Artillerie, hier vorzustoßen. Angaben aus dem Kriegsgebiet können nicht unabhängig überprüft werden.

+++ Selenskyj: Weiter Widerstand in Mariupol +++

Selenskyj zufolge dauert der Widerstand in der Hafenstadt Mariupol an. Die Stadt widersetze sich weiter Russland, sagte er in der Nacht zum Freitag. "Trotz allem, was die Besetzer über sie sagen."

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Stadt am Donnerstag für erobert erklärt. Allerdings haben sich in dem dortigen Stahlwerk Azovstal nach russischen Angaben mehr als 2000 ukrainische Kämpfer und ausländische Söldner verschanzt. Sie gingen bisher nicht auf Putins Forderungen ein, die Waffen niederzulegen. Putin ordnete keine Erstürmung, sondern eine hermetische Abriegelung des Geländes an.

Laut dem US-Kriegsforschungsinstitut ISW ist es "eher unwahrscheinlich", dass durch eine Reduzierung des Operationstempos in Mariupol nun signifikante Kräfte für russische Offensiven an anderen Orten im Osten frei werden. Russische taktische Bataillone hätten im Kampf um die Stadt hohe Verluste erlitten und bräuchten Zeit für eine Verlegung, heißt es in der jüngsten ISW-Analayse. Ein Teil der dort eingesetzten Truppen werde zudem für mehrere andere Missionen gebraucht, darunter die Belagerung des Asovstal-Werks oder die Sicherung der restlichen Stadt.

+++ Ukraine: Russische Truppen haben 42 Orte in Donezk eingenommen +++

Laut einer Beraterin des ukrainischen Präsidentenbüros haben russische Truppen binnen 24 Stunden 42 Orte in der Region Donezk im Osten besetzt. Insgesamt kontrollierten russische Einheiten aktuell in der gesamten Ukraine mehr als 3500 Orte, sagte Olena Simonenko in der Nacht zum Freitag im ukrainischen Einheitsfernsehen. Zuletzt waren auch russische Vorstöße in der Region Luhansk gemeldet worden.

+++ Tote und Verletzte nach Beschuss in mehreren ukrainischen Regionen +++

Ukrainischen Angaben zufolge sind in mehreren Regionen im Osten und Süden des Landes mehrere Menschen durch Beschuss verletzt oder getötet worden. In der Region Charkiw seien zwei Personen ums Leben gekommen, nachdem ein Geschoss in ihr Auto eingeschlagen war. Insgesamt seien am Donnerstag in der Region Charkiw etwa 50 russische Angriffe durch Artillerie und Mehrfachraketenwerfer registriert worden, sagte der Gouverneur Oleh Synjehubow.

Aus der südlichen Stadt Saporischschja hieß es, bei zweimaligem Beschuss der Stadt am Donnerstag seien acht Personen verletzt worden. Die Druckwelle einer Rakete habe unter anderem die Fenster von vier Waggons eines Evakuierungszuges zerstört. In der Region Dnipropetrowsk seien bei drei Raketenangriffen fünf Menschen verletzt und Bahngleise völlig zerstört worden. Auch aus der südlichen Großstadt Mykolajiw wurde in der Nacht zum Freitag erneut Beschuss berichtet. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.

+++ Selenskyj: Ukraine wird für Wiederaufbau Hunderte Milliarden brauchen +++

Wegen des russischen Angriffskriegs braucht die Ukraine nach Einschätzung von Präsident Selenskyj monatlich rund sieben Milliarden US-Dollar (rund 6,5 Milliarden Euro), um ihre wirtschaftlichen Verluste auszugleichen. Zudem werde die Ukraine "Hunderte Milliarden Dollar brauchen, um später wieder alles aufzubauen", sagte Selenskyj am Donnerstag per Videoschalte bei einer internationalen Geberkonferenz der Weltbank in Washington.

+++ US-Regierung liefert neu entwickelte Drohne in die Ukraine +++

Die USA haben nach Angaben des Pentagons einen neuartigen Drohnentyp entwickelt, der Anforderungen des ukrainischen Militärs entspricht und nun weiter angepasst werden soll. "In Gesprächen mit den Ukrainern über ihre Anforderungen waren wir der Meinung, dass dieses spezielle System sehr gut für ihre Bedürfnisse geeignet wäre, insbesondere in der Ostukraine", sagte Pentagon-Sprecher John Kirby am Donnerstagnachmittag (Ortszeit). Die Entwicklung der Drohne mit dem Namen"Phoenix Ghost" habe bereits vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs begonnen. Man wolle diese nun weiter so vorantreiben, dass sie noch besser zu den ukrainischen Anforderungen passe. Mehr als 120 der Drohnen sollen im Rahmen eines neuen Militärhilfepakets der US-Regierung in die Ukraine geliefert werden.

+++ Bundesregierung kündigt 37 Millionen für Wiederaufbau in Ukraine an +++

Die Bundesregierung will rund 37 Millionen Euro für den Wiederaufbau der Ukraine bereitstellen. Die Mittel sollen eingesetzt werden, um Schäden zu beheben, die durch den russischen Angriffskrieg verursacht wurden. "Die Ukraine braucht dringend Wohnraum für die Millionen Binnenvertriebenen und sie braucht ein intaktes Stromnetz. Hier kann die deutsche Entwicklungszusammenarbeit kurzfristig helfen", sagte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) vor der Weltbanktagung der "Augsburger Allgemeinen" (Freitag).

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