Corona-Leugnern und Querdenkern war Karl Lauterbach seit Anbeginn der Pandemie ein Dorn im Auge. Nun plante eine radikale Gruppierung offenbar die Entführung des Bundesgesundheitsministers, wie ein ARD-Bericht verrät.
Unflätige Beschimpfungen und Bedrohungen von Corona-Leugnern und Querdenkern gehören zum Alltag von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach - dass aus Worten schnell Taten werden können, zeigen aktuelle Ermittlungen, die die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz und das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz eingeleitet haben. Der SPD-Politiker entging offenbar nur knapp einer Entführung durch eine radikalisierte Gruppe.
Radikale Querdenker planten Lauterbach-Entführung, Blackout und Regierungssturz
Mitglieder einer Chatgruppe im Kurznachrichtendienst Telegram sollen in Deutschland Sprengstoffanschläge und Entführungen geplant haben - etwa von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Nun gingen Ermittler unter der Federführung der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz und des Landeskriminalamtes (LKA) Rheinland-Pfalz in einer ganzen Reihe von Bundesländern gegen sie vor, wie sie am 14. April in Mainz berichteten.
Ermittelt wird den Angaben zufolge gegen zwölf Personen aus der Chatgruppe namens "Vereinte Patrioten". Sie sollen vorgehabt haben, Einrichtungen der Stromversorgung zu zerstören, um so einen bundesweiten Stromausfall auszulösen. Im Visier sollen Stromleitungen und Umspannwerke gewesen sein. "Damit sollten nach der Vorstellung der Beschuldigten bürgerkriegsähnliche Zustände verursacht und schließlich das demokratische System in Deutschland gestürzt werden", hieß es in einer Mitteilung von Generalstaatsanwaltschaft und LKA. Die Ermittlungen gegen die Gruppe liefen seit Oktober vergangenen Jahres.
Mitglieder von radikaler Chatgruppe sollen Entführung Karl Lauterbachs geplant haben
Außerdem soll die "Entführung bekannter Personen des öffentlichen Lebens" Bestandteil der Pläne der Gruppe gewesen sein. Namentlich genannt als ein Ziel wurde von den Ermittlern Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Demnach liefen die Planungen für die Entführung, bei der Karl Lauterbachs Personenschützer "ausgeschaltet" werden sollten, unter dem Namen "Klabautermann".
Lauterbach zu mutmaßlichem Entführungsplan: "Lasse mich nicht beirren"
Bundesgesundheitsminister Lauterbach zeigte sich "bestürzt" angesichts der Berichte über einen möglichen Entführungsplan gegen ihn. Er bedankte sich am Rande eines Klinik-Besuchs in Schleswig-Holstein bei den ermittelnden Behörden und dem Bundeskriminalamt "für den guten Schutz und die Überwachung. Davon habe ich offensichtlich profitiert und dafür bin ich sehr dankbar", sagte er. Zum Stand der Ermittlungen könne er nichts sagen. Der Vorgang zeige, dass sich die Corona-Proteste nicht nur radikalisiert hätten, sondern dass es mittlerweile auch darum gehe, den Staat und die Demokratie zu destabilisieren.
Dennoch will sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von den mutmaßlichen Entführungsplänen nicht einschüchtern lassen. "Manchen Covid-Leugnern geht es nicht um den Kampf gegen Impfungen oder Corona-Auflagen. Sie kämpfen gegen unsere demokratische Grundordnung", sagte der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag". "Damit werden sie aber keinen Erfolg haben. Ich lasse mich dadurch nicht beirren, sondern setze mich weiter für die gesamte Bevölkerung ein. Dieses Beispiel zeigt die Zerrissenheit unserer Gesellschaft. Diese Spaltung zu überwinden und Vertrauen zurückzugewinnen, bleibt Ziel meiner Politik."
Der SPD-Politiker hatte wiederholt von Drohungen gegen ihn berichtet. Anfang März, nachdem der österreichische Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) unter anderem wegen ständiger Anfeindungen zurückgetreten war, schrieb der Bundesgesundheitsminister bei Twitter: "Es ist eine Schande, dass er durch Drohungen aus dem Amt gedrängt wurde. Auch ich werde rund um die Uhr bewacht und kenne diese Belastung." Im vergangenen Herbst hatte Lauterbach geschrieben: "Seit Tagen wird im Netz erneut dazu aufgerufen, mich zu erschlagen. Es ist absolut inakzeptabel, dass so etwas nicht sofort gelöscht werden muss."
Polizei startet Razzia in mehreren Bundesländern und stellt Waffen sicher
Im Zuge der Ermittlungen gegen die Chatgruppe wurden den Angaben zufolge am Mittwoch 20 Objekte in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen durchsucht. Die meisten Aktionen gab es mit fünf in Rheinland-Pfalz, jeweils drei waren es in Bayern und Niedersachsen. Im Einsatz waren rund 270 Beamtinnen und Beamte, darunter Spezialeinheiten. Sichergestellt wurden etwa Waffen, Munition, Bargeld, Goldbarren und Silbermünzen. Vier Beschuldigte seien festgenommen worden, gegen sie seien Haftbefehle beantragt worden.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen fünf Deutsche
Die Ermittler konnten bei einer von der radikalisierten Gruppe eingefädelten Waffenlieferung in Neustadt an der Weinstraße einschreiten und drei Personen festnehmen. Bei einer Razzia in mehreren Bundesländern stellten die Beamten zudem Datenträger und Kommunikationsgeräte sicher. Ein weiterer Verdächtiger wurde in Bayern dingfest gemacht, die Beschuldigten sollen noch am 14. April dem Ermittlungsrichter präsentiert werden.
Beschuldigt werden demnach Deutsche im Alter von 55, 54, 50, 42 und 41 Jahren, vorgeworfen werden ihnen die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Verstöße gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz. Zuzuordnen seien die Personen der Corona-Protestszene und der Reichsbürgerbewegung. Diese Kombination sei das Besondere an dieser Gruppe, sagte LKA-Präsident Johannes Kunz. Die Hauptverdächtigen sollen ein 55-Jähriger aus dem rheinland-pfälzischen Neustadt/Weinstraße sowie aus Brandenburg sein. Der 55-Jährige wurde demnach bei der Vorbereitung einer Waffenübergabe festgenommen.
Laut LKA gab es eine "sehr enge, intensive und frühzeitige Zusammenarbeit" mit der Generalbundesanwaltschaft, dem Bundeskriminalamt, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Verfassungsschutz der Länder und der Bundespolizei. Das Ermittlungsverfahren sei mehrfach dem Generalbundesanwalt in Karlsruhe angeboten worden, erklärte der Koblenzer Generalstaatsanwalt. Bislang habe dieser das Verfahren nicht an sich gezogen. "Das kann sich aber noch, je nachdem, was die Auswertung unserer Beweismittel ergibt, ändern", fügte er hinzu.
"Aktion Blackout" und "Aktion Klabautermann": Ermittler enthüllen gefährliche Pläne von Corona-Gegnern
Die Chatgruppe im Kurznachrichtendienst Telegram nannte sich nach Angaben der Ermittler "Vereinte Patrioten", zuweilen aber auch "Deutschland Tag X" oder gab sich weitere Namen. Die Gruppierung, zu der etwa 70 Mitglieder zählen sollen, habe zunächst mit einer "Aktion Blackout" Anschläge auf Stromleitungen und Umspannwerke ausführen und damit die Stromversorgung zusammenbrechen lassen wollen. Danach sollte bei der "Aktion Klabautermann" Gesundheitsminister Lauterbach entführt werden.
"Diese Seite sieht das nicht als eine Geiselnahme, sondern als eine Festnahme, bei der ein Haftbefehl verkündet wird", sagte LKA-Präsident Kunz über den Entführungsplan. Lauterbach sei vermutlich als Ziel ausgesucht worden, weil sich in der Gruppierung auch zahlreiche Corona-Leugner und Gegner der staatlichen Corona-Maßnahmen getummelt hätten, sagte Generalstaatsanwalt Braun. Es habe "ganz konkrete Pläne" gegeben. Den Angaben zufolge war die "Entführung bekannter Personen des öffentlichen Lebens" geplant, namentlich genannt wurde lediglich Lauterbach. In einem dritten Schritt sei dann die Übernahme der Regierung angestrebt worden.
Gefährliche Straftaten statt Spinner: Querdenker wünschten sich Putin-Einmarsch in Deutschland
Das Problem bei solchen Ermittlungsverfahren sei immer die Frage, ob man es lediglich mit "Spinnern" zu tun habe, die die sich im Internet profilieren und vor ihren Mitstreitern "großmäulig" angeben wollten, erklärte Braun. "In diesem Fall war es aber anders, nämlich in dem Moment, als es darum ging, die Waffen zu beschaffen." Die Gruppierung habe sich Geld und Waffen besorgt. "Da war für uns eben klar: Wir haben es nicht nur mit Spinnern zu tun, sondern mit gefährlichen Straftätern, die ihre Pläne auch umsetzen wollen und wahrscheinlich auch können."
Laut LKA-Präsident Kunz drückte die Gruppierung immer wieder ihre Verachtung für die Bundesrepublik aus. Unter anderem sei der Wunsch geäußert worden, dass der russische Präsident Wladimir Putin nicht nur die Ukraine angreife, sondern auch in Deutschland einmarschieren solle, um hier die Verhältnisse zu verbessern.
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loc/news.de/dpa
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