Die russischen Truppen haben sich zurückgezogen und die Gräueltaten werden sichtbar: In der Stadt Butscha wurden Hunderte Leichen gefunden. Die Ukraine macht Russland für die Morde verantwortlich. Die Russen dementieren. Wie reagiert nun der Westen?
Verbrannt, verstümmelt, vergraben:In der ukrainischen Stadt Butscha, 25 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Kiew, bietet sich nach dem Rückzug der russischen Armee ein Bild des Grauens. Hunderte Zivilisten wurden brutal ermordet. Die Ukraine macht für das Massaker russische Truppen verantwortlich, die die kleine Stadt bis vor kurzem besetzt hatten. Moskau bestreitet das.
Massaker in Butscha: Hunderte Tote nach Abzug russischer Truppen entdeckt
In der Region um die Hauptstadt wurden laut ukrainischen Angaben die Leichen von insgesamt 410 Bewohnern geborgen. "Das ist eine Hölle, die dokumentiert werden muss, damit die Unmenschen, die sie geschaffen haben, bestraft werden", schrieb die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa am Sonntagabend auf Facebook. Seit Freitag seien bereits 140 der Leichen untersucht worden. Gerichtsmediziner und andere Spezialisten seien dafür im Einsatz. Wenediktowa schrieb, dass das Gebiet in Quadrate unterteilt wurde, in denen jeweils Teams aus Staatsanwälten, Ermittlern und Mitarbeitern der Nationalen Polizei arbeiten. Auch Kriminaltechniker seien im Einsatz, da es dort viel scharfe Munition gebe.
Kriegsverbrechen in Ukraine: Staatsanwaltschaft ermittelt nach Leichenfund
Mehr als 50 Mitarbeiter von Staatsanwaltschaft und der Nationalen Polizei nahmen demnach erste Ermittlungen zu den Verbrechen im Gebiet Butscha (Bucha) auf, die nach dem Abzug russischer Truppen bekannt wurden. Auch in anderen Orten um Kiew und Tschernihiw soll es Untersuchungen geben. "Die Generalstaatsanwaltschaft wird die Zahl der Ermittlungsbeamten weiter erhöhen, um eine möglichst schnelle und effiziente Sammlung von Beweisen für Kriegsverbrechen sicherzustellen", schrieb Wenediktowa. Besonderes Augenmerk liege dabei außerdem auf den Gebieten um Mariupol, Charkiw, Sumy, Luhansk und Donezk. Wenediktowa betonte, dass an den Tatorten nur Profis arbeiten sollten und wies freiwillige Helfer an, die Arbeit nicht zu stören.
Die stellvertretende Verteidigungsministerin der Ukraine, Hanna Maljar, hatte zuvor mitgeteilt, dass die Armee mehr als fünf Wochen nach dem russischen Einmarsch wieder die volle militärische Kontrolle über die Region um Kiew erlangt habe.
Selenskyj warnt: Schrecklichere Dinge als in Butscha könnten bevorstehen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj befürchtet, dass sich noch "schrecklichere Dinge auftun könnten" als das, was bisher über die Verbrechen in der Stadt Butscha bekannt geworden ist. Andere Regionen des Landes stünden noch unter russischer Kontrolle. Dort könnten "noch mehr Tote und Misshandlungen" bekannt werden, sagte Selenskyj in einer Videobotschaft am Sonntagabend. "Denn das ist die Natur des russischen Militärs, das in unser Land gekommen ist. Sie sind Unwesen, die nicht wissen, wie sie es anders machen sollen", sagte Selenskyj. Er wolle, dass jede Mutter eines russischen Soldaten die Leichen der getöteten Menschen in Butscha und anderen Städten sehe.
"Was haben sie getan? Warum wurden sie getötet? Was hat ein Mann getan, der mit dem Fahrrad die Straße entlang fuhr?", fragte Selenskyj. "Warum wurden gewöhnliche Zivilisten in einer gewöhnlichen friedlichen Stadt zu Tode gefoltert? Warum wurden Frauen erdrosselt, nachdem sie ihnen die Ohrringe aus den Ohren gerissen hatten? Wie konnten sie Frauen vergewaltigen und sie vor den Augen der Kinder töten? Ihre Körper auch nach ihrem Tod verspotten? Warum haben sie die Körper von Menschen mit Panzern überfahren? Was hat die ukrainische Stadt Butscha Ihrem Russland getan?"
Augenzeugen berichten über Gräueltaten in Butscha: Putin-Soldaten vergewaltigen Frauen und nutzten Kinder als Schutzschilde
Augenzeugen berichten von grausamen Verbrechen in Butscha. Die ukrainische Abgeordnete Kira Rudik erzählt gegenüber "Times Radio", was sie in der Stadt gesehen hat."Ich war gestern in Bucha. Und was ich dort gesehen habe, werde ich nie vergessen können. Die Leichen liegen am Straßenrand. Ihre Hände sind auf dem Rücken gefesselt. Die einzige Wunde war ein Schuss im Hinterkopf.Es gibt verbrannte Körper von Frauen, die vergewaltigt und dann angezündet wurden, und sie haben auch mindestens 15 Kinder als menschliche Schutzschilde genutzt, in der Hoffnung, dass die ukrainische Armee ihnen nicht folgen kann", beschreibt Rudik.
"Es war der 5. März. Wir waren zu Hause in unserer Doppelhaushälfte. Plötzlich hörten wir eine Explosion: Sie zerstörten unser halbes Haus. Dann begannen sie, durch die Fenster zu schießen. 'Kommt raus', riefen sie", erzählt Irina Abramova gegenüber der "Bild". "Mein Ehemann Oleg ging hinaus und sagte 'Schießt nicht! Hier sind nur Zivilisten'. Die Soldaten sagten 'Hände hoch'. Ich ging raus. Sie fragten mich, warum ich mich versteckte. Ich sagte 'Wir haben Angst. Und ihr schießt'. Sie sagten: 'Seht, wir sind Russen. Wir haben ein Sankt-Georgs-Band. Wir kommen, um euch zu befreien.'" Doch als Oleg versuchte das brennende Haus zu löschen, packten die russischen Soldaten ihn. "Sie zogen ihm den Pullover aus, drückten ihn auf die Knie und schossen ihm in den Kopf. Dann begannen sie, mich zu verhören. Sie fragten mich: 'Wo sind die Nazis?'"
Kommt jetzt das Gas- und Öl-Embargo? Neue Sanktionen gegen Russland geplant
Bundeskanzler Olaf Scholz hat nun neue Sanktionen gegen Russland in Aussicht gestellt. "Wir werden im Kreis der Verbündeten in den nächsten Tagen weitere Maßnahmen beschließen", kündigte der SPD-Politiker am Sonntag an, ohne weitere Details zu nennen. Der russische Präsident Wladimir Putin und seine Unterstützer würden die Folgen spüren. "Und wir werden der Ukraine weiterhin Waffen zur Verfügung stellen, damit sie sich gegen die russische Invasion verteidigen kann."
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bua/bos/news.de/dpa
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