Präsident Wolodymyr Selenskyj richtete am Donnerstag einen emotionalen Appell an den Bundestag und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Der Bundestag jedoch ging im Anschluss jedoch einfach zur Tagesordnung über. Nicht nur im Netz hagelt es Kritik.
Die Ampel-Koalition hat mit ihrer Ablehnung einer Debatte über den Ukraine-Krieg nach der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Bundestag für Empörung in der Opposition gesorgt. "Das war heute der würdeloseste Moment im Bundestag, den ich je erlebt habe", schrieb der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen am Donnerstag auf Twitter. Der CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz nannte die Ablehnung "völlig unpassend" und der frühere Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger "peinlich".
Ampel-Koalition will nicht über Ukraine-Krieg debattieren: Opposition spricht von "würdelosem Moment im Bundestag"
Führende Politiker von SPD, Grünen und FDP verteidigten ihre Haltung. "Wir, die Ampel-Koalition, sind überzeugt, dass die Worte des ukrainischen Präsidenten für sich stehen. Sie haben es verdient, für sich wahrgenommen zu werden", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast.
Nach Videoansprache von Helden-Präsident Selenskyj: Ampel-Koalition lehnt Debatte über Ukraine-Krieg ab
Die Koalition von SPD, Grünen und FDP hatte nach der Videoansprache Selenskyjs eine Aussprache des Parlaments über den Ukraine-Krieg in einer Abstimmung abgelehnt. Ein entsprechender Antrag der Union wurde nur von den Abgeordneten der Linken und der AfD unterstützt. Die drei Koalitionsfraktionen stimmten dagegen.
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Die Union hatte eine 68-minütige Aussprache beantragt. Merz sagte zur Begründung, man wolle von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) drei Wochen nach dessen erster Regierungserklärung zum Krieg in der Ukraine wissen: "Wo stehen wir, haben wir das richtig gemacht, gibt es möglicherweise Entscheidungen die nachkorrigiert werden müssen."
Kritik auch an Olaf Scholz
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte, nannte die Haltung der Koalition "absolut lächerlich". An die Adresse von Bundeskanzler Olaf Scholz sagte er: "Sie müssen mal aufpassen, dass sie nicht nach 100 Tagen schon so arrogant sind, wie andere nach 16 Jahren." Donnerstag war der 100. Tag der Amtszeit der Ampel-Regierung.
Trotz Ukraine-Krieg: Bundestag geht einfach zur Tagesordnung über
Die stellvertretende Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) war nach der Rede Selenskyjs ohne Pause zur Tagesordnung übergegangen und hatte zunächst zwei Abgeordneten zum Geburtstag gratuliert - begleitet von Zwischenrufen aus der Unions-Fraktion wie "unwürdig". Nach einer Geschäftsordnungsdebatte über den Antrag der CDU/CSU schloss sich dann die Debatte über die Impfpflicht an.
Selenskyj kritisiert Deutschland für Russland-Politik
Zuvor hatte sich Selenskyj in einer eindringlichen Videoansprache an Deutschland gewandt. Wieder versuche man, "in Europa ein ganzes Volk zu vernichten, warum?", fragte er in seiner bewegenden Rede. Vor dem Deutschen Bundestag übte er deutliche Kritik an Deutschlands Russland-Politik. Selenskyj sagte, zwar sei er dankbar für die bisherigen Sanktionen gegen Russland, diese würden jedoch nicht ausreichen. Deutschland habe nicht genug getan, um den Krieg zu verhindern, so der ukrainische Präsident. Seiner Ansicht nach habe Deutschland daran mitgewirkt, eine Mauer zu errichten, um die Ukraine zu isolieren und Russland auszuliefern. Als Beispiel nannte er das lange Festhalten an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 und die Weigerung des Westens, der Ukraine eine Mitgliedschaft in der NATO zu ermöglichen. An Bundeskanzler Olaf Scholz richtet der ukrainische Präsident zum Abschluss seiner rund zehnminütigen Rede den Appell: "Reißen Sie diese Mauer nieder, unterstützen Sie uns."
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Twitter-User empört über Ablehnung von Ukraine-Debatte
Die Tatsache, dass der Bundestag im Anschluss direkt zur Tagesordnung zurückkehrte, ließ auch etliche Twitter-User empört zurück. "Was für ein krasser Unterschied, die Reden von #Selenskyj vor dem US-Kongress und vor dem #Bundestag: Dieser Präsident ist enttäuscht von uns. Und wie zum Beweis deutscher Alles-Egal-Haltung gratulieren wir im Bundestag danach erstmal zu Geburtstagen. #Ukraine", wettert dieser Twitter-Nutzer in Richtung Bundestag. "So unwürdig. Nach einer unfassbar bewegenden Live-Schalte aus dem Krieg mitten in Europa jetzt Glückwünsche zu MdB-Geburtstagen & Wahlen", kritisiert ein anderer das Vorgehen der Regierung. "wird, flüchtet sie sich ins allerhöchste Prinzip: die Tagesordnung.", schießt auch dieser User in Richtung Bundestag.
"Schämt ihr euch eigentlich alle auch so sehr für das Bild, was #Ampelkoalition & #Bundestag auf internationaler Bühne gerade abgeben? #Fremdscham pur.", will diese Userin wissen.
Nach bewegender Selenskyj-Rede: Olaf Scholz twittert nichtssagenden Post
Olaf Scholz schweigt wie zuvor bereits im Bundestag zur aktuellen Kritik. Stattdessen folgte eine nichtssagende Nachricht bei Twitter: "Ich danke @ZelenskyyUa für seine eindringlichen Worte im #Bundestag. Wir sehen: Russland treibt seinen grausamen Krieg jeden Tag weiter, mit schrecklichen Verlusten. Wir fühlen uns verpflichtet, alles zu tun, damit die Diplomatie eine Chance hat und der Krieg beendet wird." Zuvor hatte Scholz bezüglich des Ukraine-Kriegs erklärt: "Deutschland leistet hier seinen Beitrag und wird das weiter tun." Konkreter wurde der Kanzler jedoch nicht.
Ich danke @ZelenskyyUa für seine eindringlichen Worte im #Bundestag. Wir sehen: Russland treibt seinen grausamen Krieg jeden Tag weiter, mit schrecklichen Verlusten. Wir fühlen uns verpflichtet, alles zu tun, damit die Diplomatie eine Chance hat und der Krieg beendet wird.
— Bundeskanzler Olaf Scholz (@Bundeskanzler) March 17, 2022
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sba/news.de/dpa
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