Die Fülle der bislang geltenden Corona-Maßnahmen wird bald deutlich überschaubarer: Zum 20. März verabschiedet sich Deutschland von fast allen Pandemie-Regeln. Die Grenzen der Maskenpflicht sorgen jedoch für reichlich Stunk.
Abstand halten, Menschenmassen meiden, Mund-Nasen-Schutz tragen und auf Freizeitvergnügen größtenteils verzichten - der Alltag der vergangenen Monate war von derlei Corona-Maßnahmen beherrscht. Nun zeichnet sich mit dem flächendeckenden Impfangebot und der vorherrschenden, jedoch ersten Erkenntnissen nach mit einem milderen Krankheitsverlauf einhergehenden Omikron-Virusvariante eine Rückkehr in den Alltag ohne Corona-Maßnahmen ab.
Zum 20. März 2022 will sich Deutschland, so sieht es der aktuelle Corona-Fahrplan der Bundesregierung vor, "tiefgreifende Maßnahmen" zur Eindämmung des Infektionsgeschehens fallen lassen. Bleiben sollen die Maskenpflicht unter anderem in öffentlichen Verkehrsmitteln, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie verpflichtende Tests in ausgewählten Situationen. Doch schon weit vor dem 20. März sorgen die anvisierten Punkte für Unmut sowohl bei Pandemie-Experten als auch bei Politikern. Das Fazit: Die als neuer "Basisschutz" geplanten schlanken Coronaregeln seien ungenügend, um die Virusausbreitung einzudämmen.
Neue Corona-Regeln unzureichend! Mediziner kritisieren geplanten "Basisschutz"
"Es regiert das Prinzip Hoffnung", schätzte beispielsweise der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe und der "Augsburger Allgemeinen" die neuen Corona-Regeln ein. Der vereinbarte Basisschutz sei zwar besser als nichts. Aber: "Die Politik hat weitergehende, sinnvolle Maßnahmen erfolgreich zerredet." Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hält die Änderung des Infektionsschutzgesetzes auch für ungenügend, um den Schutz aller vulnerablen Gruppen zu gewährleisten, etwa bei Pflegebedürftigen, die zuhause und nicht in Heimen leben. Auch mehrere Bundesländer hatten die Pläne kritisiert.
Maskenpflicht im Einzelhandel soll wegfallen - Verantwortung künftig bei Landesparlamenten
Geregelt wird in dem Entwurf, was die Länder weiter verordnen können, wenn zum 20. März wie vereinbart alle tiefgreifenden Schutzmaßnahmen entfallen. Möglich sein sollen dann noch Maskenpflichten in Pflegeheimen, Kliniken und öffentlichem Nahverkehr sowie Testpflichten in Pflegeheimen und Schulen. Bundesweit bleiben soll außerdem die Maskenpflicht in Fernzügen und Flugzeugen. Für den Einzelhandel ist die Maskenpflicht jedoch nicht mehr verbindlich - erst wenn sich vor Ort die Corona-Lage zuspitzt, sollen seitens der Landesregierungen einige schärfere Auflagen verhängt werden können. Neben der Wiedereinführung der Maskenpflicht kämen auch Abstandsgebote, Hygienekonzepte sowie Impf-, Genesenen- oder Testnachweise (3G/2G/2G plus) infrage - aber nur, wenn sich vorher das jeweilige Landesparlament damit befasst hat. Andere Maßnahmen wie etwa Kontaktbeschränkungen wurden auf Drängen der FDP aus dem Katalog der Schutzmöglichkeiten gestrichen, obwohl die weitere Entwicklung des Virus unklar ist. Ursprünglich hatte sie aber bis auf die Maskenpflicht alles streichen wollen.
Regierungsparteien zoffen sich um Basisschutz als neue Corona-Regeln
Mehrere Bundesländer hatten den Koalitionskompromiss kritisiert, auch Länderchefs aus den Berliner Ampel-Parteien. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) etwa hält es für "grob fahrlässig, wenn die Bundesregierung ohne Not wirksame Instrumente für den Notfall aus der Hand gibt". Sein niedersächsischer Kollege Stephan Weil (SPD) hatte gesagt: "Man wirft doch den Feuerlöscher nicht weg, wenn es noch brennt." Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hatte sich kritisch geäußert. Denn immerhin steigen die Neuinfektionszahlen wieder, wenn auch bei meist milderem Verlauf. Inzwischen sind es über 1.300 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner und Woche.
Etwas positiver äußerte sich Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD): "In der gegenwärtigen Lage halte ich das für eine verantwortbare Regelung", sagte er der "Welt". "Sollte sich das Pandemiegeschehen künftig allerdings grundlegend ändern und eine flächendeckende Überlastung des Gesundheitswesens drohen, müsste der Bundesgesetzgeber noch einmal nachbessern."
Reduzierte Corona-Maßnahmen sollen gefährdete Gruppen gezielt schützen - doch reicht der Basisschutz aus?
Regierung und Koalitionsabgeordnete wandten sich gegen die Kritik. Die neuen Hotspot-Regelungen trügen den Wünschen der Länder Rechnung, bei Bedarf schärfere Maßnahmen anzuordnen, sagte Gesundheits-Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) der "Augsburger Allgemeinen". Und der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann sagte der Zeitung, künftig stünden Eigenverantwortung und Schutz der vulnerablen Gruppen im Mittelpunkt.
Das sieht der Vorstand der Patientenschutz-Stiftung, Eugen Brysch, allerdings nicht so: Anders als bei Heimbewohnern sehe die Gesetzesnovelle nichts zum Schutz zuhause lebender Pflegebedürftiger vor, sagte er den Funke-Zeitungen. Die Koalition vergesse Millionen Hilfsbedürftige und ihre Angehörigen.
FDP feiert Wegfall weitreichender Corona-Maßnahmen und fordert klarere Hotspot-Kriterien
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) lobte den Entwurf, forderte aber noch Änderungen in Details, "um Missverständnisse und unterschiedliche Interpretationen auszuschließen", wie er der "Welt" sagte. "Insbesondere müssen die Eingriffsschwellen für die Hotspot-Maßnahmen im Gesetz genau definiert werden." Ähnlich argumentierte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen: "Voraussetzung müssen dann aber auch harte Daten sein, wie zum Beispiel die Belegung von Intensivstationen durch Coronafälle, um nicht den Eindruck von Beliebigkeit zu erwecken", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
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loc/news.de/dpa
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