Die Ampel-Koalition plant die Abschaffung von Paragraf 219a. Ein Gesetzesentwurf soll schon bald ins Kabinett. FDP-Politikerin Kristine Lütke kann die Abstimmung kaum erwarten und teilt ein Video in den sozialen Medien. Doch vor allem Konservative finden den Clip geschmacklos.
Seit Jahren fordern Frauen eine Reform des Abtreibungsrechts in Deutschland. Nun geht die Ampel-Koalition einen ersten Schritt und will den umstrittenen Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch streichen. Dieser regelt das sogenannte "Werbeverbot" für Abtreibungen, das zur Folge hat, dass Ärzt:innen keine ausführlichen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche öffentlich zur Verfügung stellen können, ohne strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Dieses Informationsverbot entmündigt Frauen. "Gynäkologinnen und Gynäkologen sollen das Recht haben, Frauen über Abtreibungen zu informieren. Das halte ich für absolut wichtig", sagte Bundesfamilienministerin Anne Spiegel kürzlich.
Abschaffung von Paragraf 219a: FDP-Politikerin schockt Konservative mit #219amussweg-Video
Ende Januar legte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) einen Entwurf für die Aufhebung des Paragrafen vor, der demnächst ins Kabinett soll. Nun erhitzt die Bundestagsabgeordnete Kristine Lütke mit einem Video in den sozialen Medien die Gemüter. In dem kurzen Clip sieht man die FDP-Politikerin mit einigen Parteikolleg:innen zu dem Song "Short Dick Man" tanzend in einem gelb beleuchteten Gang. Überschrieben ist das Video mit den Worten: "Wir, auf dem Weg zur Abstimmung, um endlich § 219a aus dem StGB kicken zu können". Lütke teilte das Video unter dem Hashtag #219amussweg unter anderem auf Twitter. Mittlerweile hat die FDP-Politikerin den Beitrag scheinbar aufgrund massiver Kritik wieder gelöscht.
Herzlichen Glückwunsch zum geschmacklosesten Tweet seit langem. Das Thema ist viel zu ernst, um lustig dazu zu johlen. Keine Frau rennt tanzend und singend zur Abtreibung… https://t.co/AY9XLReJu8
— Dorothee Bär (@DoroBaer) February 7, 2022
"Keine Frau rennt tanzend und singend zur Abtreibung!" Dorothee Bär kritisiert "geschmacklosen Tweet"
Die kommt vor allem von den Konservativen. "Herzlichen Glückwunsch zum geschmacklosesten Tweet seit langem. Das Thema ist viel zu ernst, um lustig dazu zu johlen. Keine Frau rennt tanzend und singend zur Abtreibung...", zeigt sich Dorothee Bär in einem Tweet empört. Dabei hat sie offenbar wie viele andere Konservative die Aussage des Videos nicht verstanden. "Sie rennen ja auch nicht zur Abtreibung ,sondern zur Abstimmung. Wieso sollten sie zu fünft zur Abtreibung, es gibt da ja keinen Mengenrabatt", erklärt Autorin Sophie Passmann. Doch die CSU-Politikerin zeigt sich nicht einsichtig. "Dann sind sie ja nicht nur geschmacklos, sondern zusätzlich auch noch völlig fehl im Bundestag. Diese Woche ist gar keine Sitzungswoche...", heißt es in ihrer Antwort. "Doro, ich erkläre Dir lustige Politik-Internetvideos wenn Du mir im Gegenzug Deinen Instagram-Account erklärst", legt Passmann nach.
"Zwei Abtreibungen für den Preis von einen!" Konservative verstehen Video von FDP-Politikerin nicht
Dabei ist das Video recht einfach zu verstehen. Die FDP-Politiker:innen freuen sich offenbar darüber, dass der Paragraf 219a endlich abgeschafft werden soll. Die Gesetzesänderung ist ein erster Schritt, um Frauen endlich Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper zu verschaffen. "Wie sich die fünf @fdp-Bundestagsabgeordnete die Stimmung von Frauen vorstellen, die Jahrzehnte vergeblich darauf gewartet haben, dass dieser Paragraph abgeschafft wird und jetzt endlich die Möglichkeit dafür sehen", erklärt ein Twitter-Nutzer die Aussage des Videos. "Wie wir alle uns auf dem Weg zur Abstimmung fühlen würden. Ärzte sollen sachlich informieren dürfen", heißt es in einem anderen Tweet. "Die Abschaffung des §219a ist ein absoluter Grund zur Freude!", schreibt ein Twitter-Nutzer. "Paragraph 218 und damit die Diskussion über das grundsätzliche Verbot von Abtreibungen ist von der Debatte um 219a erstmal unberührt. Es geht in erster Linie um vernünftige und rechtssichere Informationsangebote. Eigentlich nicht so schwierig zu verstehen", ergänzt ein Twitter-Nutzer. "'Keine Frau rennt tanzend und singend zur Abtreibung...' - natürlich nicht. Und das passiert auch nicht, wenn 219a abgeschafft wird. Es wird Zeit, Frauen die Freiheit über Informationen und ihren Körper zu geben, alles andere ist gesundheitsschädigend."
"Was Abtreibungsgegner denken wird passieren: 'Zwei Abtreibungen für den Preis von einen. Jetzt zugreifen! Einmaliges Angebot! Alles muss raus!'", spottet ein Twitter-Nutzer über Dorothee Bär. "Und wieder versucht eine Konserve den Diskurs von der reinen Information zum tatsächlichen medizinischen Eingriff zu verschieben. In Polen ist gerade gut zu sehen, was passiert wenn man mit dem Thema restriktiv umgeht und Frauen Zugang zu Information & medizinischer Hilfe versagt", heißt es in einem Tweet.
Auch andere konservative Politiker:innen scheinen die Botschaft des Videos nicht zu verstehen.
Nicht Ihr Ernst, Tanzeinlagen zu diesem Thema? Es geht auch um die Frage von Lebensschutz. Die Abschaffung des Par. 219 wie eine Party zu feiern, zu ignorieren, dass es auch um Zielkonflikte geht … Das Leben oder die Abtreibung eines Ungeborenen ist nichts Banales. https://t.co/4t0wkx3msh
— Julia Klöckner (@JuliaKloeckner) February 7, 2022
"Ohje, da hat die FDP offenbar in ein Boomer-Nest gestochen und jetzt brummeln sie alle empört. Dass ihr jugendgerechte Kommunikation nicht könnt ist euer Problem. Schickt der FDP doch ein PDF per Fax über eure Empörung. Ich gehe jede Wette ein, dass ihr genau das sogar tun werdet", reagiert ein Twitter-Nutzer auf die Empörung.FDP-Bundestagsabgeordnete veröffentlichen ein „Tanzvideo“ zum Thema § 219a StGB und hinterlegen es mit einem Song über Geschlechtsteile. Das ist würdelos. Unter keinem Gesichtspunkt kann ein solches Video ein akzeptabler Debattenbeitrag bei einer ethisch schwierigen Frage sein.
— Volker Ullrich (@VolkerUllrich) February 7, 2022
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bua/bos/news.de/dpa