Seit Wochen mobilisieren Gegner der Corona-Politik in Sachsen. Nach den bedrohlichen Szenen vor dem Haus von Ministerin Köpping gab es neue Höhepunkte des Protests. Die Polizei musste mehrfach einschreiten.
Nach dem Entsetzen über den Fackelaufmarsch vor dem Privathaus von Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) bereitet sich die Polizei in Dresden auf einen Großeinsatz vor. Am Montag rechnen die Einsatzkräfte mit einem Protest von Gegnern der Corona-Politik vor dem Sächsischen Landtag. Der Grund: Das Parlament will am Mittag (13 Uhr) über die Feststellung der epidemischen Lage im Freistaat entscheiden.
Landtag stellt epidemische Lage in Sachsen fest
Sachsens Landtag hat am 06.12.2021 die epidemische Lage im Freistaat festgestellt und so die rechtliche Grundlage für eigene Schutzmaßnahmen in der Corona-Pandemie geschaffen. Allerdings braucht es dafür auch die Mitwirkung des Bundes. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) räumte ein, dass man erst noch die neue Gesetzeslage auf Bundesebene abwarten müsse, die neue Koalition in Berlin arbeite jedoch mit Hochdruck daran. Er habe in dieser Frage ein großes Zutrauen zum neuen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Auf Antrag der AfD fand die Abstimmung namentlich statt. Bis auf die AfD-Abgeordneten stimmten alle mit Ja.
Epidemische Lage in Sachsen? Landtag entscheidet über Corona-Maßnahmen
Seit Wochen versucht Sachsens Landesregierung, die explodierenden Fallzahlen im Freistaat mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens in den Griff zu bekommen. Sachsen hat mit Abstand die höchste Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland, zuletzt pendelte sich die Inzidenz bei Werten um die 1200 ein. Es wird sogar befürchtet, dass sich die Zahlen sogar verdoppeln und bis auf Werte von 2.800 steigen könnten. "Bei sich fortsetzender Dynamik kann angenommen werden, dass die Inzidenz bis Ende Dezember bis circa 2.800 ansteigen wird, bis sie dann bis Ende Januar auf das jetzige Niveau wieder abfallen wird", heißt es im Antrag der Regierung für die Sondersitzung des Landtages am Montag.
Das Parlament soll dann über die Feststellung der epidemischen Lage im Freistaat entscheiden. Sie soll Rechtssicherheit für eine Fortsetzung bestehender Schutzmaßnahmen und ihre mögliche Erweiterung erlangen. Die aktuelle Notfallverordnung gilt bis 12. Dezember. Sie schreibt bereits stärkere Einschränkungen als in vielen anderen Bundesländern vor. Die sächsische Regierung schloss eine nochmalige Verschärfung nicht aus. Zunächst will sie aber die Wirkung der bisher verhängten Kontaktreduzierungen und die Vorgaben des neuen Infektionsschutzgesetzes abwarten.
Corona-Protest am 06.12.2021 in Dresden befürchtet: Polizei bereitet sich auf Großeinsatz vor
Insbesondere in sozialen Netzwerken werde zu dem Protest aufgerufen, hatte die Polizei am Freitag mitgeteilt. "Auch Extremisten mobilisieren für einen Protest vor dem Sächsischen Landtag. Unsere Gefahrenprognose, Grundlage unserer Einsatztaktik, ist damit eine ganz andere als an den vergangen Montagen", sagte Polizeipräsident Jörg Kubiessa. Im Ergebnis enge das den Ermessensspielraum deutlich ein. "Eine härtere Gangart der Polizei wird die logische Konsequenz sein - natürlich unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Wahl unserer Mittel", sagte der Polizeipräsident. Wasserwerfer sollen im Stadtzentrum bereit stehen.
Die Polizeidirektion #Dresden bereitet nach Aufrufen zu Protesten vor dem Sächsischen Landtag am kommenden Montag einen Einsatz zu dessen Schutz, der Absicherung des Impfzentrums sowie der Einhaltung der #CoronaSN-Maßnahmen vor. https://t.co/jLMfDbhVyf
— Polizei Sachsen (@PolizeiSachsen) December 3, 2021
Wir berichten unter #DD0612 pic.twitter.com/6isOMqSAwn
Demo-Schock in Sachsen nach Fackelaufmarsch vor Haus der Gesundheitsministerin
Die Polizei in dem Bundesland schritt am Sonntagabend in mehreren Städten erneut gegen nicht genehmigte Kundgebungen mit Hunderten Gegnern der Corona-Politik ein. Bereits am Wochenende hatte es an verschiedenen Orten Demonstrationen gegeben, obwohl die Corona-Notfallverordnung nur stationäre Versammlungen mit bis zu zehn Teilnehmern erlaubt.
Aufsehen erregte insbesondere ein Protest von 30 Gegnern der Corona-Politik, die sich am Freitagabend lautstark und mit Fackeln vor dem Haus von Ministerin Köpping versammelt hatten. Die Polizei erstattete Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und prüft Verstöße gegen die Corona-Verordnung. Politiker verurteilten die Versammlung parteiübergreifend.
Hartes Durchgreifen bei Corona-Protesten gefordert
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schrieb auf Twitter: "Wir treten allen Kräften entgegen, die einschüchtern wollen." Was Köpping passiert sei, gehe alle Sachsen an. Landesinnenminister Roland Wöller (CDU) sagte "Bild": "Ich fordere Schnellprozesse, um Verstöße gegen die Corona-Schutzmaßnahmen sofort und rigoros zu ahnden! Sowas darf nicht erst Wochen später passieren."
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte "Welt", die Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsrecht sei ein Anfang. Immerhin sei ein Großteil der Personalien der rechtsextremen Teilnehmer aufgenommen worden. "In Kanada wird gegen solche Proteste übrigens strafschärfend vorgegangen. Bei weiteren Vorfällen dieser Art muss man möglicherweise auch bei uns den Strafrahmen nach oben anpassen."
Heftige Kritik an Polizei Sachsen: Wann greift die Polizei gegen die Corona-Leugner durch?
Vor allem die Polizei Sachsen sieht sich im Netz heftigen Vorwürfen gegenüber. So werfen zahlreiche Twitter-Nutzer:innen den Ordnungshütern vor, Corona-Leugner bei Protesten völlig uneingeschränkt gewähren zu lassen. "Wie viele von euren eigenen Leuten waren denn dabei?", fragt ein Nutzer nach dem Fackelaufmarsch am Freitag.
Wo wart Ihr da eigentlich? Kann man da nicht mal prophylaktisch vorbeischauen, um solche Auswüchse zu verhindern? Wenn in Connewitz zwei Punks zum Cornern mit ner Flasche Bier ausmachen, seid Ihr doch auch schon im Vorfeld mit ner Hundertschaft da.
— RealBohemian (@RealBohemian) December 4, 2021
Bruder: wird von Corona-Leugner angegriffen.
— Marie Müser (@MarieMueser) December 3, 2021
Gesundheitsministerin #Köpping: Neonazis stehen mit Fackeln vor ihrem Haus.
Überall in Sachsen: rechtsextreme Aufmärsche.
Innenminister #Wöller: Aber der Linksextremismus in Leipzig!!!
Warum nur haben wir in Sachsen ein Problem?
@PolizeiSachsen, ist das der Grund für die lasche Handhabe in #Plauen? Herr @MPKretschmer, ist das normal? Schleppen wir demnächst bei allen Demos Kinder mit, als Schutzschild, dann greift die Polizei nicht ein. Schande #Sachsen pic.twitter.com/6EYoDtQwnA
— Hummsel (@Hummsel1) December 5, 2021
Polizei stoppt mehrere Corona-Proteste in Sachsen
Die Polizei hat am Abend des 6. Dezember in mehreren sächsischen Orten Proteste gegen staatliche Corona-Maßnahmen unterbunden. In Bautzen etwa seien rund 350 Menschen in Richtung Innenstadt unterwegs gewesen, teilte die Polizei mit. Sie seien gestoppt worden, von 30 Beteiligten seien die Personalien aufgenommen worden. Zudem habe es eine Versammlung auf dem Kornmarkt in Bautzen gegeben, bei der die Polizei ebenfalls eingeschritten sei. Der Platz sei zu voll gewesen, die Anwesenden seien aufgefordert worden, sich zu entfernen.
Auch in Freiberg sei ein unzulässiger Aufzug gestoppt worden, so die Polizei auf Twitter. Nach Schätzungen eines dpa-Fotografen bewegte sich die Teilnehmerzahl im vierstelligen Bereich. In Chemnitz sind nach dpa-Informationen einige Hundert Protestierende nur ein paar Hundert Meter weit gekommen. Dann kesselten die Einsatzkräfte sie ein. Die Polizei teilte mit, sie werde Identitäten feststellen und Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen fertigen.
Die Corona-Notfallverordnung gestattet in Sachsen derzeit nur Versammlungen mit maximal zehn Teilnehmern. Dass die Polizei in den vergangenen Wochen gegen solche Demonstrationen nicht oder kaum vorgegangen war, hatte heftige Kritik ausgelöst.
Sachsens Landtag hat am Montag die epidemische Lage im Freistaat festgestellt und so die rechtliche Grundlage für eigene Schutzmaßnahmen in der Corona-Pandemie geschaffen. Die Polizei hatte die Sitzung mit einem Großaufgebot abgesichert und das Parlament abgeriegelt. Laut Polizei versammelten sich kurz nach Eröffnung der Sitzung unerlaubt etwa 50 Menschen. Die Versammlung sei aufgelöst und ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. Bis zum Nachmittag hätten sich 27 Personen wegen Verstößen gegen die Notfall-Verordnung verantworten müssen.
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bua/fka/news.de/dpa
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