Erstellt von Sandra Ignatzy - Uhr

Corona-Impfpflicht im Grundrechte-Check: Ist eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona rechtlich möglich?

Immer mehr Menschen in Deutschland sprechen sich für eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus aus. Doch Gegenstimmen argumentieren, dass eine derartige Regelung verfassungswidrig sei. Ist das wahr? DAS sagen die Rechts-Experten.

Wäre eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus verfassungsrechtlich möglich? (Foto) Suche
Wäre eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus verfassungsrechtlich möglich? Bild: (Symbolbild) lucid_dream/AdobeStock

Lange hieß es von Seiten der Politikerinnen und Politiker, dass es in Deutschland keine Impfpflicht gegen das Coronavirus geben werde. Doch neue Erkenntnisse, darunter die zu niedrige Impfquote und die damit verbundene hohe Corona-Hospitalsierungsinzidenz, zwingen Politiker zur Neubewertung einer möglichen Impfpflicht. Auch immer mehr Deutsche sprechen sich für eine allgemeine Pflicht aus, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen: Zuletzt befürworteten 72 Prozent der in einer Civey-UmfrageBefragten eine Impfpflicht. Doch wie sieht die Rechtslage aus?

Impfpflicht im Rechts-Check: Wäre eine Impfpflicht rechtlich möglich?

Eine partielle Impfpflicht für Einrichtungen der Pflege wie Altenheime und Krankenhäuser wurde bereits beschlossen und soll noch 2021 kommen. Eine allgemeine Impfpflicht aller Erwachsenen gegen das Coronavirus steht hingegen noch in den Sternen. Gegner argumentieren mit der angeblichen Verfassungswidrigkeit einer allgemeinen Impfpflicht. So äußerte unter anderem die FDP immer wieder verfassungsrechtliche Bedenken. Tatsächlich ist das Thema aus verfassungsrechtlicher Sicht komplex und nicht jeder Experte äußert sich gleich.

Diese verfassungsrechtlichen Hürden gegen Impfpflicht gibt es

So erklärt der Verfassungs- und Staatsrechtler Professor Bernd Grzeszick der Uni Heidelberg gegenüber "Bild": "Es gibt verfassungsrechtliche Hürden wie etwa das Recht auf körperliche Integrität. Daher muss ein solches Mittel angemessen sein, es muss kein milderes, gleich gut geeignetes Mittel mehr zur Verfügung stehen und ein solcher Eingriff wie eine Impfpflicht müssen entsprechend begründet sein." Bislang wurde versucht, alle anderen Mittel der Pandemie-Eindämmung auszuschöpfen, darunter Maßnahmen, die mit Grundrechtseinschränkungen einhergingen, wie 2G, 3G, Lockdown, Reisebeschränkungen, Ausgangsbeschränkungen usw.

"Der Last Call ist vorbei" - Impfpflicht laut Rechtsprofessor notwendig

"Nach Abwägung aller Rechtsgüter kann man durchaus nun zum Schluss kommen: Der 'Last Call' ist vorbei. Alles andere ist ausgeschöpft, eine allgemeine Impfpflicht ist notwendig und rechtlich begründbar. Vor einem halben Jahr wäre das noch nicht möglich gewesen, weil damals noch nicht alle Mittel ausgeschöpft waren", schildert Professor Bernd Grzeszick gegenüber der "Bild"-Zeitung. LautGrzeszick müssten verschiedene Rechtsgüter abgewogen werden. "Natürlich hat jeder das Recht, für sich selbst zu entscheiden, ob er erkranken will oder nicht. Aber hinzu kommen eben auch die Rechte Dritter, wie der Schutz anderer und deren Recht auf körperliche Unversehrtheit."

Nutzen der Impfpflicht überwiegt Recht auf Unversehrtheit des Einzelnen

Der Verfassungsrechtler weist auf eine entscheidende Frage hin: Ist das Ziel noch durch andere Mittel zu erreichen? "Und da hat sich bei dem breiten und niederschwelligen, flächendeckenden Impfangebot nun gezeigt, dass man mit diesen Mitteln wohl nicht mehr weiter kommt," so der Jurist. "Beim Übermaßverbot muss die Verpflichtung der einen zur Impfung abgewogen werden gegen den Schutz von Leib und Leben aller, die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Krankenhäusern, Betrieben, Schulen und Verwaltungen. Und auch da ist das Ergebnis im Grundsatz nun jetzt recht eindeutig." Die Schließungen von Schulen und Betrieben sowie die Überlastungen der Krankenhäuser usw. stellen eine größere Bedrohung der Grundrechte dar als eine etwaige Impfpflicht.

Impfpflicht: Was wäre mit Menschen, die nicht geimpft werden können?

Laut Grzeszick müsse es aber auch Einschränkungen geben, wie er gegenüber "Bild" erklärt: "Es wird Ausnahmen geben müssen – zum Beispiel für diejenigen, denen durch eine Impfung erhebliche Gefahren oder Nachteile vor allem gesundheitlicher Art drohen." Welche Personengruppen dies sind, können Sie hier nachlesen.

Durchsetzung der Impfpflicht durch gestaffelte Bußgelder

Doch wie lässt sich eine allgemeine Impfpflicht durchsetzen? Auch darauf hat der Rechtsexperte eine Antwort. "Zunächst wird man gestaffelte Bußgelder einführen müssen, um den Druck langsam zu erhöhen. Dann muss geschaut werden, ob genügend Nichtgeimpfte beidrehen und sich impfen lassen, um die Allgemeinheit zu schützen", so Grzeszick. "Nur, wenn das in Summe nicht der Fall ist, alle anderen Zwangsmittel ausgeschöpft sind, wäre als letztes Mittel auch die zwangsweise Impfung zu überlegen."

Abwägung nötig:Impfpflicht "verfassungsrechtlich möglich"

Auch der Medizin- und Verfassungsrechtler der Universität Augsburg, Prof. Josef Franz Lindner, spricht davon, dass eine Impfpflicht "verfassungsrechtlich möglich" sei. Nur die zwangsweise Impfung im Falle, dass sich zu viele weigerten, hält er nicht für rechtens. "Der Staat darf auf keinen Fall selbst zwangsimpfen." Die Rechtslage ist nicht ganz klar: "Der Gesetzgeber kann das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit einschränken, das steht im Grundgesetz. Er braucht dafür aber eine gute Begründung. Ein solcher Grund wäre, die Überlastung der Intensivstationen zu verhindern", sagt Lindner zwar gegenüber "Bild", schränkt jedoch ein: "Damit lässt sich noch keine Impfpflicht für alle verfassungsrechtlich rechtfertigen. Eine Impfpflicht für alle wäre so einfach und pauschal nicht rechtssicher begründbar."

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