Nach den Sondierungsgesprächen mit der FDP wird der Union mangelnde Vertraulichkeit vorgeworfen. Die Grünen hinterfragen gar die Verhandlungsfähigkeit der Christdemokraten. Indes verlor Armin Laschet in den Umfragen massiv an Sympathiepunkten.
Führende Grüne haben der Union vor dem gemeinsamen Sondierungsgespräch am Dienstag mangelnde Diskretion vorgeworfen. Es sei in allen Runden Vertraulichkeit vereinbart worden, sagte der politische Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, am 5. Oktober im RTL/ntv-"Frühstart".
Nach den Sondierungsgesprächen: Ließ die Union Informationen durchsickern?
"Dass man dann die Kommunikation über die 'Bild'-Zeitung betreibt, wirft kein gutes Licht auf die Zustände in der Union", sagte Kellner, der dem zehnköpfigen Sondierungsteam der Grünen angehört. Es sei "auffällig", dass aus dem einzigen Sondierungstreffen der Union - dem mit der FDP am Sonntag - etwas bekannt geworden sei. "Das hat uns schon schwer irritiert." Auf die Frage, ob er sich vor den heutigen Gesprächen von Grünen und Union Sorgen mache, ob alles geheim bleibt, sagte er: "Ja, die Sorge habe ich."
Am Dienstagabend äußerte sich Kellner noch einmal in einem Tweet. "Es gab in den letzten Tagen vier Sondierungsgespräche. Aus zweien liest und hört man nix. Aus zweien werden angebliche Gesprächsinhalte an die Medien durchgestochen. Das fällt auf, liebe Union - und es nervt!", schrieb Kellner am Dienstagabend in einem Tweet, der von mehreren anderen Grünen-Politiker umgehend geteilt wurde. Der Grünen-Politiker nutzte nahezu die gleiche Formulierung wie am Montag FDP-Vize Johannes Vogel, der sich nach dem Treffen der Union und der FDP über Indiskretionen beklagt hatte. "Danke an @johannesvogel für die Vorlage", schrieb Kellner in einem weiteren Tweet.
Armin Laschet über Indiskretionen nach Sondierung: "Es nervt"
Unionskanzlerkandidat Armin Laschet hat sich kritisch über Indiskretionen aus dem Sondierungstreffen von Union und Grünen geäußert. Auf die Frage, wie er das finde, sagte der NRW-Ministerpräsident am Dienstagabend in Düsseldorf: "Es nervt."
Özdemir und Trittin haben Zweifel an Verhandlungsfähigkeit von CDU und CSU
Die Grünen-Politiker Cem Özdemir und Jürgen Trittin äußerten zudem Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit von CDU und CSU. Dass aus dem Treffen von Union und FDP Ergebnisse durchgesickert seien, sei nicht gerade ein Vertrauensbeweis und ein "Zeichen für interne Führungsprobleme", sagte Özdemir am Dienstag in der Sendung "RTL Direkt". Das sei ein Signal, dass die Union ein massives Problem habe.
Trittin spricht sich gegen monatelange Verhandlungen aus
Trittin sagte: "Der entscheidende Punkt am heutigen Tag wird sein, ob eigentlich die CDU willens und fähig ist, überhaupt solche Verhandlungen und entsprechende Vereinbarungen zu treffen." Einen monatelangen Klärungsprozess "kann sich Deutschland schlicht und ergreifend nicht leisten", erklärte er im Deutschlandfunk. Der dem linken Parteiflügel zugerechnete Politiker betonte das Trennende: "Wir wissen eben auch wie hoch die Hürden sind. Und da kommt es dann sehr stark auf die Frage an, ob und wie weit auf beiden Seiten verhandlungs- und vertragsfähige Gesprächspartner vorhanden sind." Özdemir und Trittin sind bei der Sondierung im engeren Kreis nicht dabei, gehören aber dem erweiterten Sondierungsteam der Grünen an.
Sondierungsgespräche zwischen Union und Grünen am Dienstag (05.10.2021)
Mit dem Treffen von Union und Grünen endet am Vormittag (11.00 Uhr) eine erste Reihe von Sondierungsgesprächen über eine neue Regierung. Mehrere FDP-Politiker hatten der Union nach den Gesprächen über eine Regierungsbildung einen Bruch der vereinbarten Vertraulichkeit vorgeworfen, weil Informationen daraus an die Medien gelangt waren. "Es gab vergangenes Wochenende drei Sondierungsgespräche, an denen ich für die FDP auch teilgenommen habe. Aus zweien liest und hört man nix. Aus einem werden angebliche Gesprächsinhalte an die Medien durchgestochen", schrieb der FDP-Parteivize Johannes Vogel am Montag auf Twitter. "Das fällt auf, liebe Union - und es nervt!"
Es gab vergangenes Wochenende drei Sondierungsgespräche, an denen ich für die @fdp auch teilgenommen habe. Aus zweien liest und hört man nix. Aus einem werden angebliche Gesprächsinhalte an die Medien durchgestochen. Das fällt auf, liebe Union - und es nervt!
— Johannes Vogel (@johannesvogel) October 4, 2021
Laschet brilliert erneut als Deutschlands Trump
Die Spitzen von Union und Grünen sind zu Beratungen über ein mögliches gemeinsames Regierungsbündnis zusammengekommen. Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet, CSU-Chef Markus Söder sowie die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck äußerten sich bei ihrem Eintreffen zu dem Gespräch am Dienstag in Berlin inhaltlich nicht. Es war Stillschweigen vereinbart worden. Laschet sagte auf die Frage nach seiner Stimmung lediglich: "Regnet." Damit machte er seinem neuen Ruf als Deutschlands Trump einmal mehr alle Ehre. Nach den Beratungen sollte es gegen 13.30 Uhr Statements geben.
Grünen-Spitze kündigt nach Sondierungen interne Beratungen an
Nach dem Abschluss einer ersten Reihe von Sondierungsgesprächen hat die Grünen-Spitze nun interne Beratungen angekündigt, wie es weitergehen soll. Die Grünen und auch die FDP würden nun sicherlich die Gespräche insgesamt in ihren Gremien bewerten, sagte Grünen-Chef Robert Habeck am 5. Oktober nach dem Sondierungsgespräch von Union und Grünen in Berlin. In dem Gespräch seien mögliche Schnittmengen ausgelotet worden, es habe aber auch Trennendes gegeben. "Heute und morgen" solle nun intern abgeglichen werden, was möglich sei. Grünen-Chefin Annalena Baerbock stellte Entscheidungen, wie es weitergeht, für die nächsten Tage in Aussicht.
Baerbock betonte, es sei ein konstruktives und ernsthaftes Gespräch mit der Union gewesen. In gesellschaftspolitischen Bereichen lägen Grüne und Union eher weiter auseinander, in anderen Bereichen gebe es dagegen gemeinsame Anliegen, etwa bei den Themen Digitalisierung und ökologische Transformation.
Mit dem Treffen Union/Grüne etwas mehr als eine Woche nach der Bundestagswahl endet eine erste Runde von getrennten Sondierungsgesprächen. Zunächst hatten vergangene Woche Grüne und FDP miteinander gesprochen. Am Sonntag beriet dann die SPD-Spitze nacheinander mit FDP und Grünen, um die Chancen für ein gemeinsames Regierungsbündnis auszuloten. Am Sonntagabend hatte es ein Treffen der Union mit der FDP gegeben.
Die Grünen streben eine Ampel-Koalition mit SPD und FDP an, schließen aber auch ein Bündnis mit Union und FDP nicht aus. Die FDP zeigt sich der Union zugeneigt, hat sich allerdings bislang nicht festgelegt. Eine Jamaika-Koalition - benannt nach den Flaggenfarben Schwarz, Gelb, Grün - gilt als einzige Chance für Unionskanzlerkandidat Armin Laschet, für die Union doch noch das Kanzleramt zu retten.
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fka/loc/news.de/dpa