Es gehört zum Ritual von TV-Debatten der Spitzenkandidaten vor einer Wahl, dass hinterher jede Seite den Sieg für sich reklamiert. Das ist beim Triell von ARD und ZDF nicht anders. Was einige Zuschauer wirklich bestürzte, lesen Sie hier.
Nach der zweiten TV-Debatte der Kanzlerkandidaten von CDU/CSU, SPD und Grünen sieht sich die in den Umfragen zurückliegende Union gut für die Aufholjagd in den letzten beidenWochen bis zur Wahl gerüstet. Allerdings ermittelten zwei Blitzerhebungen von Meinungsforschungsinstituten erneut den SPD-Bewerber Olaf Scholz als Gewinner des Triells, das am Sonntagabend von ARD und ZDF gesendet wurde. Wie schon vor zwei Wochen lag der CDU-Vorsitzende Armin Laschet bei der Frage, wer am überzeugendsten und glaubwürdigsten war, noch hinter der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Sie punktete jetzt in beiden Umfragen mit den besten Sympathiewerten.
Olaf Scholz laut Umfrage nach TV-Triell vorne
Blitzumfragen im Auftrag von ARD und ZDF sahen Scholz auch in der zweiten TV-Debatte als Sieger. Infratest-Dimap ermittelte für die ARD, dass 41 Prozent der Zuschauer Scholz am überzeugendsten fanden, gefolgt von Laschet mit 27 und Baerbock mit 25 Prozent. Bei der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF sahen 31 Prozent der Befragten Scholz am glaubwürdigsten an, Baerbock befand sich mit 25 Prozent hinter ihm, Laschet rangierte mit 22 Prozent auf dem dritten Platz. Bei der Frage, wer in der 90-minütigen Runde am sympathischsten rübergekommen sei, lag Baerbock in beiden Umfragen vorn und Laschet hinten.
TV-Triell: Geldwäsche, Digitalisierung, Mieten, Krankenversicherung, Rente
Zu den Themen, die besprochen wurde, gehörte zunächst der aktuelle Geldwäsche-Skandal im Finanzministerium. Es folgten Ausführungen zu Digitalisierung, Mieten, Krankenversicherung und Rente. So sprachen sich Scholz und Baerbock sich dafür aus, Schranken gegen steigende Mieten zu errichten. Beim Thema Krankenversicherung zogen Scholz und Baerbock an einem Strang. Beide befürworteten die Einführung einer Bürgerversicherung, in die alle einzahlen. Laschet lehnte eine solche Versicherung ab.
Konträr ging es auch beim Thema Rente zu. Scholz sagte, man müsse jungen Leuten die Garantie geben, dass das Renteneintrittsalter und das Rentenniveau stabil blieben. Laschet nannte diese Aussage nicht seriös. Baerbock sprach sich für mehr Fachkräftezuwanderung und einen gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro aus. Außerdem müssten mehr Frauen in Vollzeit arbeiten können.
So reagiert die Politik auf das TV-Triell mit Laschet, Baerbock, Scholz
Für CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak war die Sache klar: "Wir haben heute einen überzeugenden Armin Laschet erlebt. Er war der einzige Kandidat im Kanzlerformat und insofern war es ein spannender und auch sehr guter Abend", sagte Ziemiak im Anschluss an die Sendung. CSU-Chef Markus Söder rechnet jetzt fest mit einem Stimmungswechsel zugunsten der Union. "Das war ein überzeugender Auftritt und klarer Punktsieg für Armin Laschet. Das ist eine Trendwende und gibt Rückenwind für den Schlussspurt", sagte der bayerische Ministerpräsident.
Ganz ähnlich wie bei Ziemiak fiel das Resümee von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil aus. Er sagte dem ZDF über den SPD-Kanzlerkandidaten Scholz: "Er hat gezeigt, dass er Kanzlerformat hat. Er hat gezeigt, dass er Ideen hat, wie wir das Land jetzt in schwierigen Zeiten voranbringen können." Und Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sah natürlich die eigene Kandidatin vorn: "Annalena Baerbock hat so richtig gezeigt, dass sie für einen Aufbruch, für Erneuerung steht, die beiden anderen Herren für ein "Weiter so"", sagte Kellner.
"Ernsthaft bestürzend!" - Twitter-Reaktionen auf TV-Triell
"Beim Triell ging es um viel Geld, das verteilt werden soll. Unser Vorschlag kam nicht zur Sprache: Bildung", schrieb FDP-Chef Christian Lindner am Sonntagabend auf Twitter. "Aber vor allem fehlten Ideen, wie wir unsere Wirtschaft nach der Krise stärken, um überhaupt die Mittel für Soziales und Ökologisches zu gewinnen." Auch der Linken-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch äußerte sich auf Twitter: "Triell war insgesamt enttäuschend. Gute Arbeit, Kinderarmut, Inflationsentwicklung, gleiche Lebensverhältnisse in Ost-West spielten keine Rolle." Zu Recht sei es aber zentral darum gegangen, ob seine Linkspartei in eine Koalition einbezogen werde oder nicht.
Es war schon beim ersten TV-Triell zu beobachten: Die jeweiligen Parteianhänger stärkten ihren jeweiligen Kandidaten auf Twitter den Rücken. Innerhalb der Medienbranche kam zugleich auch unterschiedlich gelagerte und zum Teil harsche Kritik auf. Mal richtete sie sich gegen die Themenauswahl, einige gingen auf das Moderatorenteam ein, und es gab auch pauschale Kritik an der Sendung. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier schrieb auf Twitter: "Das Ausmaß, in dem die Moderatoren die Möglichkeit verschenken, Millionen Menschen anzusprechen, die sich nur alle vier Jahre intensiv mit Politik beschäftigen, finde ich ernsthaft bestürzend."
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rut/news.de/dpa
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