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Jahrhundertflut in Deutschland: Trotz Flut-Warnungen! Hat der Katastrophenschutz zu spät reagiert?

Hochwasser-Experten sind entsetzt: Warum gab es trotz frühzeitiger Flut-Warnungen über 130 Unwetter-Tote? Hat Deutschlands Katastrophenschutz zu spät auf die drohende Jahrhundertflut reagiert?

Hat Deutschlands Katastrophenschutz zu spät reagiert? (Foto) Suche
Hat Deutschlands Katastrophenschutz zu spät reagiert? Bild: dpa

Am Tag drei nach den verheerenden Fluten im Westen Deutschlands steigt die Zahl der Toten weiter. Bislang kamen mehr als 130 Menschen bei der Hochwasser-Katastrophe ums Leben. Wie konnte das trotz zahlreicher Frühwarnsystem überhaupt passieren? Viele Menschen fragen sich nun: Hat der Katastrophenschutz versagt? Warum kamen die Warnungen für Tausende von Menschen zu spät?

Die aktuellen Entwicklungen zur Jahrhundertflut im News-Ticker

Jahrhundertflut wütet in Deutschland: Warum hat der Katastrophenschutz nicht eher regiert?

Für Hunderttausende Menschen im Westen Deutschlands kamen die Flutwellen mitten in der Nacht völlig überraschend. Die Wucht der Wassermassen schloss etliche Menschen in ihren Kellern oder Autos ein. In einigen Ort rissen die Fluten sogar ganze Häuser mit sich. Noch immer werden unzählige Menschen vermisst. Wieso also wurden die betroffenen Anwohner in den Krisengebieten nicht eher gewarnt? Wie die "Bild" aktuell in einem Bericht behauptet, hätte es Vorwarnungen, Sirenen oder Lautsprecherdurchsagen oft nicht oder viel zu spät gegeben. Wie kann das sein? Immerhin wird Katastrophenschutz in Deutschland doch ganz großgeschrieben. Gab es keine Warnungen von Wetterdiensten oder Meteorologen?

Tatsächlich hätte es vor der Jahrhundertflut etliche Warnungen gegeben. So hatte das Europäische Hochwasserwarnsystem (EFAS) bereits zum Wochenbeginn eine "extreme Flutwarnung" herausgegeben. Und auch die Wetterdienste hätten alle notwendigen Warnmeldungen veröffentlicht.

Expertin außer sich: Europäisches Hochwasserwarnsystem warnte bereits vor Tagen vor "extremer Flut"

Die Hydrologin Professorin Hannah Cloke von der renommierten britischen Uni Reading erhebt nun schwere Vorwürfe gegen den Katastrophenschutz in Deutschland. Im Magazin "Politico" machte sie das "erhebliche Versagen des Systems" für die hohen Todeszahlen verantwortlich. "Ich hätte erwartet, dass Menschen evakuiert werden – und nicht, dass im Jahr 2021 so viele Menschen in einer Flut sterben.", so Cloke weiter. Die EFAS-Warnung sei in der "extremen Kategorie" gewesen, was Lebensgefahr bedeute. Es sei die Aufgabe der jeweiligen nationalen Behörde gewesen, entsprechend zu reagieren, stellt sie klar. "Normalerweise, wenn Lebensgefahr besteht und man weiß, wo dies der Fall sein wird, richtet man sich auf Evakuierung ein. So funktioniert Katastrophen-Risikomanagement."

Flut-Expertin: Deutschland fehlt es an einheitlicher Herangehensweise bei Flutrisiken

Die Professorin zeigte sich schockiert angesichts der jüngsten Flut-Bilder aus Deutschland. "Der Anblick von Menschen, die durch tiefe Fluten fahren oder waten, hat mich entsetzt, denn das ist so ziemlich das Gefährlichste, was man bei einer Flut tun kann." Die Flut-Expertin sieht in Deutschland Versagen auf mehreren Ebenen. "Es fehlt eine bundesweit einheitliche Herangehensweise an Flutrisiken. Es braucht unterschiedliche Flutpläne für verschiedene Szenarien.", erklärte sie gegenüber "ZDFheute", wo sie ebenfalls über das Ausmaß der Jahrhundertflut sprach.

Wetterdienst: Warnmeldungen nicht von allen Medien verbreitet

Ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD) betonte im Gespräch mit "ZDFheute", dass das Warn-Management von Seiten seiner Behörde sehr gut gelaufen sei. "Wir haben getan, was zu tun war." Man habe Gemeinden mit genug zeitlichem Vorlauf vor Regenmengen von bis zu 200 Litern pro Quadratmeter gewarnt. In vielen Orten habe die höchste Warnstufe gegolten. Allerdings betonte der DWD-Sprecher dabei auch, dass die Warnmeldungen nicht von allen Medien verbreitet worden seien. Auf Twitter kritisiert auch der DWD-Meteorologe Marcus Beyer deutlich, dass Warnungen nicht ernst genug genommen worden seien:

Hätten Warn-Apps die Menschen vor der Flut warnen können?

Seit 2015 betreibt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), das dem Innenministerium untersteht, unter anderem die Warn-App NINA, die im Katastrophenfall schnell warnen soll. Laut den örtlichen Verantwortlichen in der Katastrophenregion habe die App auch angeschlagen und gewarnt. Doch wer benutzt derartige Apps in Deutschland überhaupt? Die wenigstens. Gerade ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung kennen derartige System nicht einmal. Sirenen, Lautsprecherdurchsagen oder andere Formen der Kommunikation wären da hilfreicher gewesen.

Kamen die Evakuierungen teils zu spät?

Nur einige wenige Orte, wie etwa Wuppertal, hätten die Bevölkerung rechtzeitig vor der Flut gewarnt. Zu spät kam hingegen die Evakuierung in Ahrweiler, wo 12 Menschen mit geistigen Behinderungen in einem Wohnheim ertranken. "Es besteht kein Zweifel: Die Einrichtung hätte vorab evakuiert werden müssen", sagt Cloke. "Da sollte man lieber übervorsichtig sein." Erst um 23.09 Uhr hatte der Landkreis Ahrweiler am Mittwoch eine Evakuierungsmeldung für Gebiete 50 Meter rechts und links des Flusses Ahr herausgegeben. Das Wohnheim lag rund 200 Meter vom Fluss entfernt. Als sich die Lage in der Nacht verschlechterte, wurde das Gebäude mit voller Wucht von einer Flutwelle getroffen. Die Feuerwehr konnte die Menschen nicht mehr retten.

Hat Deutschland ein Alarm-Problem?

Dass Deutschland ein Alarm-Problem hat, wurde bereits im September 2020 deutlich, als am sogenannten bundesweiten "Warntag" weder Sirenen in Dörfern und Städten heulten, noch Warn-Apps wie NINA und Katwarn die Menschen alarmierten. Das Bundesamt für Katastrophenschutz räumte danach "einen Fehlschlag" ein. Das Auslösen des Probealarms am "Warntag 2020" sei "aufgrund eines technischen Problems fehlgeschlagen", erklärte das Innenministerium damals und versprach: "Die Vorgänge werden jetzt umfassend aufgearbeitet." Ein neuer Warntag, um das System zu testen, sollte im September stattfinden. Dieser wurde auf September 2022 verschoben.

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