Annalena Baerbock ist die erste Kanzlerkandidatin der Grünen. Ihre Ernennung sorgte aber nicht nur für große Freude. Im Netz wurde sie scharf angegriffen - aber nicht nur für ihre politischen Ziele.
Erstmals in ihrer Geschichte haben die Grünen eine Kanzlerkandidatin: Parteichefin Annalena Baerbock. Die Ernennung öffnete in den Medien und im Netz eine große hitzige Diskussion, ob die neue Kanzlerkandidatin geeignet sei und was ihre Ziele für die Gesellschaft bedeuten. Dabei wurde es auch persönlich.
Annalena Baerbock: Das hat die neue Kanzlerkandidatin vor
Die 40-Jährige kündigte nach der Nominierung durch den Parteivorstand am Montag in Berlin an, Deutschland grundlegend verändern zu wollen. "Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass dieses Land einen Neuanfang braucht." Für die Bundestagswahl am 26. September formulierte sie einen klaren Machtanspruch: "Verändern statt zu versprechen: Jetzt ist die Zeit, in diesem Sinne eine gute Regierung anzuführen", sagte sie. "Ich trete an für Erneuerung. Für den Status quo stehen andere." Im Interview mit ProSieben sprach sie über ihre Pläne. Demnach will sie HartzIV abschaffen und dafür eine Garantiesicherung einführen. Beim Klima "müssen wir endlich ins Machen kommen", sagte sie und will den Klimaschutz weiter vorantreiben. Außerdem will sie in die Digitalisierung und Krankenhäuser investieren sowie sich im Fall der Fälle entschieden gegen China und die Türkei positionieren.
So reagieren Politiker über die Kanzlerkandidatur von Annalena Baerbock
Die Konkurrenz sagte Baerbock einen fairen Wahlkampf zu. "Wir wissen aus den USA, was es bedeutet, polarisierte Wahlkämpfe zu führen. (...) Das sollten wir uns in Deutschland ersparen", sagte CDU-Chef Armin Laschet. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz schrieb auf Twitter: "Ich freue mich auf einen spannenden und fairen Wettstreit um das beste Konzept für die Zukunft unseres Landes." CSU-Chef Markus Söder schloss eine schwarz-grüne Regierungskoalition nicht aus. "Schwarz-Grün wäre dann möglicherweise die nächste GroKo."
"Harmonie-Soße": AfD schießt scharf gegen Annalena Baerbock
Die FDP forderte von Baerbock mehr Klarheit über ihren politischen Kurs auf. Die Linke hielt sich dagegen mit Kritik zurück. "Wenn unsere politischen Inhalte zusammenpassen, (...) dann kommen wir mit den Grünen übereinander", sagte Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow. Für den Geschmack der AfD bot die Kandidatenkür zu viel Harmonie. "Baerbocks Harmonie-Soße verschleiert den Öko-Sozialismus des grünen Wahlprogramms", sagte Parteivize Beatrix von Storch.
So reagieren Twitter-Nutzer:innen auf Annalena Baerbocks Nominierung
Annalena Baerbocks Nominierung wurde im Netz begrüßt. Neben Politikern, wie den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach oder Cem Özdemir, der sie als "hammerstarke #Kanzlerkandidatin" bezeichnete, freuten sich auch viele Nutzer darüber. Wo Freude ist, lässt die Kritik auch nicht lange auf sich warten. Einige Twitter-Nutzerinnen sprachen ihr Führungsqualitäten ab, weil sie noch keine Regierungserfahrung gesammelt hat. Es gab auch Gegenwind und Unterstützung. "Wenn nur noch diejenigen über die mangelnde Regierungserfahrung von #AnnalenaBaerbock reden würden, die auch die mangelnde Regierungserfahrung von #Merz bemängelt haben, dann würde es hier bald ganz still werden", schreibt ein Nutzer.
Als Frau ungeeignet? Annalena Baerbock wird wegen ihres Geschlechts kritisiert
Im Netz gab es nicht nur Gegenwind für ihre politischen Ziele, sondern auch Kritik an ihr selbst. Besonders einige Nutzer:innen bedienten sich dem Mansplaining, sprachen ihr ihre Integrität wegen ihres Alters und ihres Geschlechts ab. In den Medien wurde ganz oft gefragt, wie sie denn die Karriere und das Muttersein vereinbaren kann?
"Medienleute, die Annalena #Baerbock fragen, ob sich Kinder und Kanzlerschaft vereinen lassen, sollten sich zuerst fragen, ob sich Journalismus und ein Weltbild aus dem Mittelalter vereinbaren lassen", meint
"Was ich von der #Wahlkampf-Berichterstattung erwarte: Keine Analyse von Kleidung Keine politische Deutung von Lippenstift & Nagellack Keine Verniedlichung a la „Mädchen" oder „Prinzessin" Die männlichen Kandidaten fragen, wie sie Arbeit & Familie vereinbaren#Baerbock", schreibt Autorin Katarina Nocun.
Schon gelesen? Wahlkampf für die Grünen! Zerlegt sich die Union mit Laschet selbst?
Was ich von der #Wahlkampf-Berichterstattung erwarte:
— Katharina Nocun (@kattascha) April 19, 2021
❌Keine Analyse von Kleidung
❌Keine politische Deutung von Lippenstift & Nagellack
❌Keine Verniedlichung a la „Mädchen“ oder „Prinzessin“
✅Die männlichen Kandidaten fragen, wie sie Arbeit & Familie vereinbaren#Baerbock
Medienleute, die Annalena #Baerbock fragen, ob sich Kinder und Kanzlerschaft vereinen lassen, sollten sich zuerst fragen, ob sich Journalismus und ein Weltbild aus dem Mittelalter vereinbaren lassen.
— Lorenz Meyer (@shengfui) April 19, 2021
Warum wird gefragt, wie Annalena Baerbock Vereinbarkeit wuppen wird? Warum wird nicht gefragt, wie und welche veralteten Strukturen wir verändern müssen, damit alle Mütter, die Bock haben, jeden Job der Welt machen können?
— Mareice Kaiser (@Mareicares) April 20, 2021
Caren Miosga: "Tagesthemen"-Sprecherin löst Shitstorm mit "Mädchen"-Formulierung aus
In diese Kerbe schlug auch die "Tagesthemen"-Sprecherin Caren Miosga am Montagabend. Als sie das Interview der Kanzlerkandidatin am Montag (20.04.2021)in der Sendung in einem Tweet ankündigte, begrüßte sie Annalena Baerbock mit den Worten: "Es ist ein Mädchen." Sogleich rasteten die Nutzer:innen aus. Vor allem Frauen fanden die Wortwahl teilweise unverschämt. Sie betonten, dass Männer auch nicht mit "es ist ein Junge" angesprochen werden. "Liebe Kolleg:innen - nein. Wirklich. Eine Parteivorsitzende als "Mädchen" klein schreiben, die etwas "stibitzt", was soll das denn dieser tiefe Griff in die sexistische Mottenkiste", meint Ann-Kathrin Büüsker, Journalistin, Podcasterin und Moderatorin.
Liebe Kolleg:innen - nein. Wirklich. Eine Parteivorsitzende als "Mädchen" klein schreiben, die etwas "stibitzt", was soll das denn dieser tiefe Griff in die sexistische Mottenkiste.
— Frau Büüsker (@uedio) April 19, 2021
Die Moderatorin versuchte noch die Situation zu retten und sagte, dass sie damit auf Helmut Kohls Begrüßungsworte an Angela Merkel erinnern wollte, als sie damals Ministerin in seinem Kabinett wurde. Die Moderatorin löschte den Beitrag und entschuldigte sich: "Der Tweet transportierte eine Botschaft, die von mir nicht beabsichtigt war."
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bos/sig/news.de/dpa
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