Alexander Gauland zählt zu den prominentesten Gesichtern der AfD und scheint für viele Anhänger die einzige Figur in der rechtspopulistischen Partei zu sein, die die Interessen von Rechts und Links, von Alt und Jung und von Ost und West in einer Person politisch bündeln und vertreten könnte. Dabei galt der Mann einmal als Verkörperung des kultivierten Intellektuellen. Was ist mit ihm passiert?
1959 flieht ein 18-Jähriger aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland. Weil er in dem sozialistischen Staat nicht studieren darf. Nach seiner Flucht ist er in Notaufnahmelagern in Berlin-Marienfelde und im hessischen Gießen untergebracht. Sein Name: Alexander Gauland.
Von 2017 bis 2021 war Gauland schließlich einer von zwei Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion der "Alternative für Deutschland" (AfD).Seit 2019 ist er Ehrenvorsitzender der AfD und seit 2021 auch der AfD-Bundestagsfraktion. Die AfD ist eine Partei, die sich wie keine andere gegen den Kurs der Bundesregierung in der Flüchtlingsthematik stemmte. Doch viel wichtiger als die tatsächlich bekleideten Ämter und Posten ist seine Autorität unter Parteigenossen: Er gilt als intellektuelles Schwergewicht und Ideengeber der Partei. Wer ist der Mann, der bei öffentlichen Auftritten häufig Polizeischutz benötigt?
Alexander Gauland: Vom Osten in den Westen, von der CDU in die AfD
Gauland wird am 20. Februar 1941 in Chemnitz geboren, in der Bundesrepublik studiert und promoviert er. 40 Jahre lang ist er Mitglied der CDU, von 1987 bis 1991 Leiter der hessischen Staatskanzlei unter dem damaligen Ministerpräsidenten Walter Wallmann. Zuletzt ist er Vertreter des sogenannten Berliner Kreises, der eine Stärkung konservativer, christlicher und marktliberaler Positionen innerhalb der CDU anstrebt und immer wieder Kritik an der Ausrichtung der Partei unter Angela Merkel übt.
Im März 2013 tritt er schließlich aus der CDU aus. Ihm sei der "gesellschaftliche Mainstream" und auch die CDU "zu links geworden", sagt er 2014 der "Zeit". Die ehemalige Volkspartei kümmere sich um Minderheiten und vergesse dabei die Mehrheit. Sie stoße diejenigen vor den Kopf, "die nicht ununterbrochen über Gender-Mainstreaming, Homosexuellenrechte und Inklusion nachdenken wollen." Er habe noch einmal etwas bewirken wollen: Zusammen mit dem Publizisten Konrad Adam und dem Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke gründet er im September 2012 die "Wahlalternative 2013", aus der nur wenig später die AfD hervorgeht.
Gegen Energiewende, gegen Ende der Wehrpflicht, gegen "Multikulti"
Wenn es etwas gibt, dass Gauland umzutreiben scheint, dann ist es die Modernisierung der Gesellschaft. Egal, ob es um die Aufnahme von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten aus allen Teilen der Welt oder die Gleichstellung von Schwulen und Lesben geht: Nicht erst seit seinem Aufstieg in der AfD beklagt der Publizist den Bedeutungsverlust von Dingen wie der traditionellen Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kind, das Verschwinden eines Heimatgefühls, das Verblassen von Traditionen und einer vermeintlichen deutschen Leitkultur.
Als Autor diverser kulturkritischer Bücher - unter anderem "Was ist Konservatismus?" (1991) und "Anleitung zum Konservativsein" (2002) - fordert er wiederholt als Gegenmittel eine Entschleunigung der fortschreitenden Technologisierung und eine Rückbesinnung auf eben jene Werte und deren frühere Geltung. Eine vermeintliche "Politische Korrektheit" ist dabei immer sein erklärter Gegner.
Ist Alexander Gauland ein Vertreter der Querfront-Bewegung?
Ministerpräsident a.D. Walter Wallmann, Gaulands früherer Chef aus Hessen, attestiert ihm in seiner Autobiografie einen "Mut zum Widerspruch in der Sache". Doch der gaulandsche Widerspruch ist nur auf den ersten Blick einer. Denn der Kulturpessimismus, den er vertritt, ist sowohl bei Linken als auch bei Rechten anzutreffen, und in der Lage, beide Lager zu einen.
Einerseits steuert Gauland immer wieder Beiträge für umstrittene Publikationen wie "Compact" und die "Junge Freiheit" bei, hält Vorträge bei Burschenschaften. Andererseits schreibt er Ende der 1980er Jahre in Frankfurt auch für das alternative Stadtmagazin "PflasterStrand", was auf Seiten seiner damaligen politischen Heimat, der CDU, kritisch beäugt wird. Selbst die linke "taz" schreibt einmal über ihn, er sei "ein kluger Konservativer, noch dazu diskursfähig" – eine "in Deutschland nicht allzu häufige Kombination." In seinen Brandenburger Wahlkämpfen – seit 1993 wohnt Gauland in Potsdam – warb er offensiv um die Stimmen von Wählern der "Linken".
Scharfe Kritik an Amerika und dem Kapitalismus, Verständnis für Russland und Putin
In der Außenpolitik bestimmt Gauland den Kurs seiner Partei und vertritt auch dort zum Teil linke Positionen: Er wettert gegen eine vermeintliche Dominanz der USA in Europa und in Deutschland, wirbt für ein positives Verhältnis zu Russland und Wladimir Putin. Der Turbokapitalismus angelsächsischer Prägung ist ihm ein Graus.
Obwohl er selbst einmal ein Flüchtling war, will er keine Parallelen zum Flüchtlingsstrom vor allem aus dem arabischen Kulturkreis sehen. Dem Rundfunk Berlin-Brandenburg sagt er im August 2015: "Wir waren Deutsche. Auch die DDR-Deutschen waren Deutsche." Das Grundgesetz habe allen Deutschen die gleichen Lebensverhältnisse und den gleichen Rechtsstaat garantiert. Für die heutigen Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, gelte das jedoch nicht – diese seien schlicht "Fremde."
Alexander Gauland: Vom Konservativen zum Rechtspopulisten?
Aufgrund solcher Aussagen gilt der promovierte Jurist und Protestant, der, in Tweedsakko und Cordhose gekleidet, in den vergangenen Jahrzehnten als konservativer, jedoch besonnener Intellektueller auftrat, in den deutschen Medien als Rechtspopulist - in einer Reihe mit zum Teil schrillen Parteikolleginnen Beatrix von Storch.
Des Öfteren betont er, am rechten Rand müsse auch in seiner Partei eine klare Linie gezogen werden, um Rechtsextreme auszugrenzen. Gleichzeitig relativiert er seine Aussagen immer wieder: "Sie gehen auf einer Demo eine Verbindung zu Menschen ein, die nicht so differenziert denken. Da mag eine Stimmung entstehen, die man als bedrohlich empfinden kann. Das können Sie nicht steuern", sagt er dem "ZEITmagazin" im Februar 2016.
Alexander Gaulands Tochter: Pfarrerin nimmt Flüchtling bei sich auf
Seine Wandlung vom Konservativen zum Rechtspopulisten macht dabei auch engsten Angehörigen zu schaffen. Im "ZEITmagazin" plädiert er für eine komplette Schließung der deutschen Grenzen: "Wir müssen die Grenzen dicht machen und dann die grausamen Bilder aushalten." Man könne sich nicht von Kinderaugen erpressen lassen. Was mit all den Flüchtlingen passieren soll, darauf hat auch Gauland keine Antwort – das Problem könne er nicht lösen.
Seine Tochter Dorothea, eine evangelische Pfarrerin aus Rüsselsheim, hat selbst einen Flüchtling aus Eritrea in ihrem Pfarrhaus aufgenommen, und sagt dem Magazin, sie finde es schrecklich was ihr Vater von sich gebe. Das "Differenzierte" gehe weg, doch leider habe ihr Vater gemerkt, dass er mit seinen scharfen Sätzen bei vielen Menschen, die Unbehagen an der derzeitigen Situation empfinden, ankomme.
"Alternative für Deutschland": Wirklich eine Partei des "kleinen Mannes"?
Und so ist es auch keineswegs das sogenannte Bildungsbürgertum, das hinter Gauland steht, und dem er selbst zugerechnet werden kann. Sondern Menschen, die sich auf Kundgebungen wie denjenigen von Pegida und deren Ablegern einfinden – laut Gauland "natürliche Verbündete" der AfD, die doch die "Partei des kleinen Mannes" sein soll.
Eines ist klar: Der ältere Mann steht mittlerweile im Rampenlicht und feiert seinen zweiten politischen Frühling. Ob seine Partei wirklich die des kleinen Mannes ist, kann jeder politisch Interessierte im Wahlprogramm der selbsternannten Alternative für sich selbst überprüfen.
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lid/bua/news.de