Ausgelassene Stimmung in Köln beim Karneval, während wenige hundert Kilometer entfernt russische Bomben auf die Ukraine gefeuert werden: Ist närrisches Treiben angesichts des Kriegsausbruchs überhaupt vertretbar?
Überschattet von der Ukraine-Krise hat in Köln am 24. Februar 2022 der Straßenkarneval begonnen. Wenige Stunden nach dem Angriff russischer Truppen auf die Ostukraine feierten und schunkelten an Weiberfastnacht Zehntausende kostümierter Jecken in der Domstadt, vor Kneipen bildeten sich schon morgens teils lange Schlangen.
Karneval in Köln findet trotz Kriegsausbruchs in der Ukraine statt
"Mir ist wirklich nicht zum Feiern zumute, aber weder ich noch das Festkomitee können und wollen den Karneval absagen", sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) bei einem Empfang im Rathaus. "Jede und jeder muss das für sich selbst entscheiden, ob das der richtige Augenblick ist zu feiern."
Aus Sicht des Festkomitees Kölner Karneval wäre eine Absage "das falsche Signal" und organisatorisch so kurzfristig auch nicht möglich. Sicherlich gehe das Geschehen in der Ukraine nicht spurlos an den Karnevalisten vorüber. "Aber wir haben gerade auch in der jüngeren Vergangenheit gelernt, dass der Karneval in Krisenzeiten eine wichtige Funktion für die Menschen hat. Sich die Grenzen des Frohsinns vom einem Despoten diktieren zu lassen, entspricht nicht dem Gedanken des Fastelovends, in dem Freiheit und Gleichheit an oberster Stelle steht", teilte das Festkomitee mit. Fastelovend bezeichnet den traditionellen Karneval im Rheinland.
Hunderte Jecken feiern Kölner Karneval, während Putin Bomben regnen lässt
Und so eröffnete das Kölner Dreigestirn wie immer um punkt 11.11 Uhr auf dem Alter Markt mit einem Countdown und dreimal "Kölle Alaaf" offiziell den Straßenkarneval. "Wir schunkeln nicht an den Sorgen der Menschen vorbei", rief Jungfrau Gerdemie (Björn Braun) von der Bühne. "Aber wir lassen uns auch nicht die Grenzen des Frohsinns von Menschen bestimmen, die Freiheit und Frieden mit Füßen treten." Wegen der Pandemie waren bei dem Programm auf dem Alter Markt nur 750 Zuschauer in einem abgesperrten Bereich zugelassen.
Das WDR Fernsehen übertrug die Eröffnung live und kündigte an, bei der Karnevalsberichterstattung "die Tonalität der aktuellen Situation" anzupassen. "Die Sendung wird in ihrem Charakter die Ambivalenz der Ereignislage abbilden und über weitere Entwicklungen informieren", teilte der WDR mit. Der Radiosender WDR 4 stellte die geplante Live-Strecke zum Karneval am Morgen ein.
Der Lokalsender Radio Köln änderte sein Programm und sendete seit 8.00 Uhr keine Karnevalsmusik mehr. "Wir können nicht über den Krieg berichten und drumherum Karnevalsmusik senden", sagte Chefredakteurin Claudia Schall der Deutschen Presse-Agentur.
Twitter entsetzt über Karnevalsfröhlichkeit trotz Kriegsausbruchs: "Wie kann man nur so asozial sein?"
In den sozialen Netzwerken sorgte die unbeschwerte Karnevalslaune am Rhein angesichts der eskalierenden Ukraine-Krise für reichlich Unmut. Der Hashtag #Karneval landete am Donnerstag nicht etwa zum Ausdruck der Freude über die närrische Zeit in den Twitter-Trends, sondern um das Unverständnis für Karnevalsfeierlichkeiten in Kriegszeiten auszudrücken. "Wer nach Kriegsbeginn in Europa noch ausgelassen Karneval feiern will und kann, hat ein therapiewürdiges Problem", so ein bitterer Twitter-Kommentar, ein anderer Tweet formulierte es etwas drastischer: "Die Kölner feiern Karneval & das obwohl gerade Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist!Alles Arschlöcher, alles Deppen! Karneval ist eh nur Saufen, saufen, saufen! Wie kann man nur so asozial sein?"
Deutschland ist so ein kaltes kaltes Land. Vor zwei Jahren war Hanau und ihr feiert Karneval. Jetzt gibt es Krieg in der Ukraine und ihr feiert Karneval. Ich spucke auf dieses Land
— Niki Garlic Ultra (@thegarlicultra) February 24, 2022
Doch ihr könnt. Ihr wollt es nicht. Ich schäme mich zutiefst für euch.
— Claas Gefroi (@ClaasGefroi) February 24, 2022
#Karneval #Ukraine pic.twitter.com/4TsiWxmbzD
"In der jetzigen Pandemielage kann man doch nicht ohne jeden Schutz.."
— Pogobär (@trollpunk69) February 24, 2022
"Karneval! Ganz Köln ist Brauchtumszone, kein Abstand, keine Maske."
"Putin ruft zum Krieg auf."
"KARNEVAL!"
"In der Ukraine sterben Menschen."
"????????????
DA SIMMER DABEI, DAT IS PRIIIMA, VIVA COLONIA!"
Wer nach Kriegsbeginn in Europa noch ausgelassen Karneval feiern will und kann, hat ein therapiewürdiges Problem https://t.co/5hZuxLDidK
— Cee_KannSpurenVonSarkasmusEnthalten (@SpicySarcastic) February 24, 2022
Krieg in der Ukraine + Karnevalbeginn in Deutschland
— Amboss der Rabiator (@ARabiator) February 24, 2022
= Twitter dreht komplett ab!
Die Kölner feiern Karneval & das obwohl gerade Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist!
Alles Arschlöcher, alles Deppen! Karneval ist eh nur Saufen, saufen, saufen! Wie kann man nur so asozial sein? pic.twitter.com/yDeQd4tYTM
Krieg in Ukraine dämpft Frohsinn am Rhein - Kölner Karnevalisten sagen Rosenmontagsfest ab
Wegen des Kriegs in der Ukraine hat das Festkomitee Kölner Karneval das für Montag (28.02.2022) geplante Rosenmontagsfest mit einem Umzug im Rheinenergiestadion abgesagt. Stattdessen werde man eine Friedensdemonstration mit Persiflage-Wagen auf Plätzen in der Kölner Innenstadt organisieren, sagte ein Sprecher des Festkomitees der Deutschen Presse-Agentur. Das Rosenmontagsfest war als coronagerechter Ersatz für den Rosenmontagszug gedacht. Der Kölner Rosenmontagszug sollte dabei durchs Fußballstadion ziehen.
Karneval im Februar 2022 unter 2G-plus-Regeln gestattet
Laut Corona-Schutzverordnung ist das Karnevalfeiern in Nordrhein-Westfalen draußen in sogenannten Brauchtumszonen unter 2G-plus-Bedingungen erlaubt. Köln hat für die Karnevalstage das gesamte Stadtgebiet zur "Brauchtumszone" erklärt, so dass für Karnevalisten überall im öffentlichen Raum 2G-plus gilt. Das heißt: Genesene oder zweifach Geimpfte brauchen einen aktuellen negativen Test oder eine dritte Impfung (Booster).
In Kneipen müssen auch Geboosterte einen aktuellen Schnelltest vorweisen. Bei Verstößen drohen saftige Bußgelder. Das Ordnungsamt soll die Einhaltung der Regeln stichprobenartig kontrollieren.
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loc/news.de/dpa