Erstellt von Sandra Ignatzy - Uhr

Geheime AfD-Chats: Mord-Fantasien und Umsturz-Ideen! Droht Deutschland der Bürgerkrieg?

Impfgegner kündigen auf Telegram den Mord an Politikern an, die AfD schwärmt in geheimen Chats vom Bürgerkrieg gegen die "regierenden Verbrecher" - die Gewaltbereitschaft von Corona-Verharmlosern steigt. Droht Deutschland der Bürgerkrieg?

Geheime Telegram-Chats der AfD wurden geleakt: Darin träumen AfD-Politiker vom Bürgerkrieg. Auch in anderen Chats wird der Ton schärfer: Impfgegner rufen zum Mord an Politikern auf. (Foto) Suche
Geheime Telegram-Chats der AfD wurden geleakt: Darin träumen AfD-Politiker vom Bürgerkrieg. Auch in anderen Chats wird der Ton schärfer: Impfgegner rufen zum Mord an Politikern auf. Bild: (Symbolbild) cbies/AdobeStock

"Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD." Dieses Zitat des AfD-Politikers Christian Lüth aus dem Februar 2020 scheint nicht an Aktualität verloren zu haben. Im Gegenteil: Die Alternative für Deutschland scheint sich seit der Pandemie nur noch mehr radikalisiert zu haben. In internen Chats träumen AfD-Politiker von einem Bürgerkrieg.

AfD ruft zum Bürgerkrieg gegen "regierende Verbrecher" auf

Wie der "Bayerische Rundfunk" berichtet, rief einoberbayerischer AfD-Kreisvorsitzender in einer Telegram-Gruppe zum großen Umsturz auf. Das System im "Bananenland" Deutschland sei "korrupt" und "kriminell", so der AfDler. Politiker seien in seinen Augen "regierende Verbrecher". Demokratische Wahlen "helfen ohnehin nicht mehr." Den einzigen Ausweg sehe er im Bürgerkrieg. "Ohne Umsturz und Revolution erreichen wir hier keinen Kurswechsel mehr."

Statt Widerspruch erntete der Bayer von seinen Partei-Genoss:innen Zustimmung. "Denke, dass wir ohne Bürgerkrieg aus dieser Nummer nicht mehr rauskommen werden", antwortete etwa Anne Cyron, die seit 2017 für die AfD im bayerischen Landtag sitzt. Georg Hock, der laut "Bayerischem Rundfunk" Mitglied im bayerischen Landesvorstand der AfD ist, reagierte mit den Worten: "Absolute Zustimmung".

Fremden- und Islamfeindlichkeit in AfD-Chats

Wie der "Bayerische Rundfunk" berichtet, stammen die Nachrichten aus dem Telegram-Chat "Alternative Nachrichtengruppe Bayern", in der 16 der 18 bayerischen Landtagsabgeordneten sowie elf der zwölf AfD-Bundestagsabgeordneten Mitglied sind. Insgesamt sind mehr als 200 Personen Mitglied in der Telegram-Gruppe, die oftmals bis tief in die Nacht chattet.

Neben Corona, Impfung, Strategien und parteiinternen Themen geht es in dem Chat auch um den Hass gegen den Islam und Ausländer. Laut "Bayerischem Rundfunk" schlugBernhard Zimniok 2018 vor, einen Schweinekopf vor eine Moschee zu legen. Zimniok sitzt heute für die AfD im Europaparlament.

Auch untereinander ist der Ton oft rau. Wer widerspricht, wird gern mal als "Untermensch" beleidigt. Gewaltandrohungen sind keine Seltenheit. 

AfD-Rhetorik erinnert an Reichsbürgerszene

BR-Reporter baten mehrere Experten bei der Einschätzung der AfD-Chats um Rat. Der Verfassungsrechtler Klaus Gärditz sieht in der Revolutionsrhetorik Anzeichen dafür, dass in den Augen der AfD "die freiheitliche demokratische Grundordnung aggressiv bekämpft wird." So beklagte eine ehemaligen AfD-Kreis-Schatzmeisterin, dass Deutschland über "keinen Friedensvertrag" verfüge und kein selbstständiger Staat sei - ein Narrativ, dem sich die Reichsbürgerszene bedient. Auch Vergleiche mit einer Stasi-Diktatur und dem Nationalsozialismus erinnern an die Reichsbürger. Dass der Verfassungsschutz die AfD beobachtet, hält der Verfassungsrechtler für berechtigt.

Corona-Pandemie sollte AfD neue Wähler bescheren

Die Corona-Pandemie kam wie gerufen für die AfD. Im März 2021 frohlockte der Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer im Telegram-Chat, dass der AfD der "Schulterschluss mit 30 bis 50 Prozent Impfskeptikern oder 40 Millionen Menschen da draußen" gelingen könnte. Tatsächlich korreliert ein hohes AfD-Wahlergebnis in Regionen wie Sachsen mit niedrigen Impfquoten und hohen Infektions- und Totenzahlen. 

AfD-Politiker wettert über "Impfdiktatur"

AfD-Politiker Rainer Rothfuß schrieb im Chat über die "Impfdiktatur" und "Impfapartheid" und verglich die Corona-Impfungen mit einem "Genozid an den reichen Europäern und Nordamerikanern, die sich die Impfung leisten können". Unmittelbar nach Anfrage des BR versendete der AfD-Landesvorsitzenden Stephan Protschka eine E-Mail an die Mitglieder der Bayern-AfD, in der er dazu aufforderte, "NICHTS auszusagen und das Gespräch zu beenden!" 

Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung, hält die Aussagen der AfD "nicht [für] Rechtspopulismus, das ist Extremismus." Zum BR sagte die Politikwissenschaftlerin, dass sie die Aussagen als "als verfassungsfeindliche Äußerungen [verstehe]. Das ist auch ein Aufruf, um Instabilität hervorzurufen."

Impfgegner und Corona-Verharmloser rufen zum Mord auf

In weiteren Telegram-Chats wird längst zum Mord an Politikerin, Journalisten und Wissenschaftlern aufgerufen, die "alle am Galgen baumeln" oder "standrechtlich erschossen" werden sollen, wie Journalist und Extremismusexperte Alexander Roth auf seinem Twitter-Account berichtet. Markus Söder möchte ein Nutzer auf Telegram etwa impfen, "bis er vor meinen Augen verräckt [sic!] ist". Roth weist mit Sorge darauf hin, dass vielen Impfgegnern tatsächlich jedes Mittel bis hin zu Mord recht wäre, da sie sich selbst im Recht sehen - sie glauben, die Impfung sei eine Giftspritze, die zum Tode führt. Ein anderer User kündigt in einem Telegram-Kanal laut Roth an, "eine 'schwere Straftat' begehen zu wollen, falls man ihn nicht einsperrt. 'Es trifft aus meiner Sicht dann auch keine Unschuldigen'", zitiert Roth den User. 

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Generalstaatsanwalt prüft AfD-Chatgruppe

Die Generalstaatsanwaltschaft München prüft radikale Äußerungen in einer Telegram-Chatgruppe der AfD. Übernommen wird das von der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft, wie ein Sprecher der Ermittlungsbehörde am Donnerstag auf Anfrage mitteilte. Durch einen Bericht des Bayerischen Rundfunks war bekannt geworden, dass Teilnehmer der "Alternativen Nachrichtengruppe Bayern" unter anderem über gewalttätige Proteste und einen Bürgerkrieg in Deutschland diskutiert hatten.

Eine Prüfung durch eine Staatsanwaltschaft ist nicht gleichbedeutend mit einem Ermittlungsverfahren. Zunächst wird überprüft, ob eine Straftat vorliegen könnte. Ein Administrator der Gruppe ist der Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka. Dieser hatte erklärt: "Es gab keine Diskussionsbeiträge, bei denen zu Umsturz und/oder Gewalt aufgerufen wurde."

Der bayerische Verfassungsschutz beobachtet bislang nicht den AfD-Landesverband als solchen, sondern die Jugendorganisation JA, den ehemaligen "Flügel" - das Sammelbecken der völkischen Strömung in der AfD - sowie einzelne als rechtsextrem geltende Parteimitglieder. Das teilte ein Sprecher der Behörde mit. Ob und was der Verfassungsschutz in Sachen Chatgruppe unternimmt, ließ die Behörde offen, betonte jedoch: "Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz geht jederzeit und eigeninitiativ auf Grundlage seines gesetzlichen Auftrags ihm bekanntwerdenden Hinweisen auf extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen nach."

Diese würden gründlich geprüft - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen werde die nachrichtendienstliche Beobachtung von Einzelpersonen und Personenzusammenschlüssen aufgenommen. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte gesagt, dass sich die Frage nach Beobachtung einzelner Abgeordneter und der Partei als Ganzes stelle.

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sig/fka/news.de/dpa

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