Die vierte Corona-Welle überrollt Deutschland, doch bislang scheint der Osten des Landes von hohen Inzidenz-Zahlen verschont zu bleiben. Bleibt den neuen Bundesländern die vierte Welle ganz erspart? Was es mit dem "Corona-Wunder" Ostdeutschland auf sich hat, erfahren Sie hier.
Die vierte Corona-Welle in Deutschland ist im vollen Gange. Zuletzt stieg die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland auf einen Wert von 75,7. Doch die Corona-Neuinfektionen sind ungleich verteilt. Besonders auffällig sind die vergleichsweise niedrigen Infektionszahlen im Osten Deutschlands. Was hat es damit auf sich?
Corona-News: Osten mit niedrigen Fallzahlen - NRW hohe Inzidenz
Während Nordrhein-Westfalen sich mit einer Inzidenz von 120,3 herumschlagen muss, genießen die neuen Bundesländer Inzidenzen im niedrigen zweistelligen Bereich. Am besten steht Sachsen-Anhalt mit einem Wert von 16,9 da, dicht gefolgt von Sachsen mit einer Inzidenz von 19,5. Und auch der Freistaat Thüringen darf sich über eine niedrige Inzidenz von 24,8 freuen. Bereits zu Beginn der Pandemie blieben die neuen Bundesländer lange von steigenden Infektionszahlen verschont. Das dicke Ende kam während der zweiten Welle, die auch Ostdeutschland mit voller Wucht traf. Doch wie sieht es mit der vierten Welle aus? Schafft es der Osten ohne hohe Fallzahlen über den Herbst und den Winter?
Ende der Sommerferien führt zu Anstieg der Infektionszahlen
Wie die "Bild" unter Berufung auf den Leiter der Abteilung für Mathematische Statistik an der Universität Stuttgart, Prof. Dr. Christian Hesse, berichtet, könnte der Unterschied in den Inzidenz-Zahlen in Teilen mit dem Ende der Sommerferien zusammenhängen. Während in Nordrhein-Westfalen die Schüler schon Mitte August 2021 zur Schulbank zurückkehren müssten, dauern die Sommerferien in den ostdeutschen Bundesländer in diesem Jahr bis Anfang September.
Reiserückkehrer bringen Coronavirus aus Urlaub mit
Mit dem Ende der Sommerferien verbunden sind auch die recht hohen Zahlen der Reiserückkehrer, die das Coronavirus als Souvenir aus dem Urlaub mitbringen. "In den östlichen Bundesländern ist der Anteil von Mitbürgern mit ausländischen Wurzeln, die in der Sommerpause gerne ihre Heimatländer besuchen, geringer, in NRW dagegen wesentlich höher", so Prof. Dr. Hesse zu "Bild".
Doch auch die beliebten Urlaubsländer wie Spanien und Griechenland befinden sich im Ranking der Länder, aus denen Reiserückkehrer am häufigsten das Virus mitbringen. "In vielen Fällen sind oder waren diese Heimatländer Hochrisikogebiete, etwa Griechenland, Spanien oder die Türkei. Wenn es also viele Reiserückkehrende aus diesen Ländern gibt, dann wird es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen doch eine erhebliche Zahl von Einreisenden mit Infektion geben", erklärt der Mathematiker.
Nach Ende der Sommerferien in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt rechnet Hesse auch in diesen Bundesländern mit einem Anstieg der Infektionszahlen, wenn dieser auch niedriger als in den westdeutschen Bundesländern ausfallen könnte.
Altersstruktur als Faktor für niedrigere Ost-Inzidenz
Ein weiterer Faktor, der sich auf die Corona-Inzidenz auswirken könnte, ist die Altersstruktur der Bevölkerung. Je älter die Bevölkerung, desto niedriger ist derzeit die Inzidenz. "Die höchsten Inzidenzen finden sich aktuell in der Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen mit einem Wert von 120,7 im Bundesdurchschnitt", erklärt der Professor gegenüber "Bild" und schildert weiter: "Am geringsten ist die Inzidenz mit nur 13 in der Altersklasse ab 60. Die erste Gruppe ist in den östlichen Bundesländern unterdurchschnittlich stark vertreten, die zweite überdurchschnittlich stark."
Hohe Impfquote wird im Verlauf der vierten Welle noch wichtig
Insgesamt hängen die neuen Bundesländer in Sachen Impffortschritt jedoch leicht hinterher. Während in Nordrhein-Westfalen bereits 63,4 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft ist, sind es in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt nur zwischen 52 und 57,8 Prozent der Bürger:innen. (Stand 01.09.2021 laut RKI-Bericht). Da sich das Virus besonders unter Ungeimpften weiterverbreitet, könnte der Osten durchaus im Verlauf der vierten Welle stärker als jetzt von steigenden Infektions- und Intensivpatienten-Zahlen betroffen sein. "Wir haben derzeit keine vierte Welle im eigentlichen Sinn, so wie wir sie in der Vergangenheit hatten. Vielmehr haben wir eine stetig steigende Infektionsdynamik allein unter den nicht geimpften Mitmenschen. Man kann tatsächlich von einer Epidemie der Ungeimpften sprechen", meint Prof. Dr. Hesse gegenüber "Bild". Je mehr Menschen ungeimpft sind, desto mehr Intensivpatient:innen und Tote könne es in der vierten Welle geben.
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Hesse warnt: "Über 90 Prozent der wegen Corona auf Intensivstationen versorgten Patienten sind ungeimpft. Es gibt in absehbarer Zeit nur zwei Möglichkeiten: Entweder man lässt sich impfen oder man infiziert sich höchstwahrscheinlich früher oder später. Deshalb kann man alle Impfskeptiker nur dazu aufrufen, sich möglichst bald impfen zu lassen."
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