Grünen-Politikerin Bettina Jarasch löste am Wochenende mit einer "Kindheitserinnerung" einen Rassismus-Eklat aus. Sie sagte, dass sie als Kind gern "Indianerhäuptling" geworden wäre. Doch dieser Begriff ist äußerst fragwürdig.
Rassismus-Eklat auf dem Landesparteitag der Grünen in Berlin: Als Landesparteichef Werner Graf die Spitzenkandidatin Bettina Jarasch am Wochenende fragte, was sie denn als Kind gern geworden wäre, antwortete sie "Indianerhäuptling". Für diese Aussage erntete die Grünen-Politiker nicht nur aus den eigenen Reihen sondern auch im Netz heftige Kritik. Sie entschuldigte sich und sprach von "unreflektierter Kindheitserinnerung". Doch was ist an dem Begriff "Indianer" überhaupt so problematisch?
"Indianer" sagt man nicht! Darum ist der Begriff problematisch
Leider ist Alltagsrassismus so tief in uns verwurzelt, dass wir uns oft nicht darüber bewusst sind, wenn wir ihn ausüben. Bei der Debatte geht es nicht darum, jemanden an den Pranger zu stellen, sondern erlernte Denkmuster aufzubrechen und zu hinterfragen. Unsere Vorstellung von "Indianern" entsprechen rassistischen Stereotypen aus Büchern und Filmen, die nicht von Indigenen selbst geschrieben oder produziert wurden. Doch fangen wir von vorn an.
Das I-Wort ist politisch nicht korrekt. Es ist eine Fremdbezeichnung, denn die Indigenen haben sich selbst nie so genannt. Die indigenen Völker definierten sich nämlich über ihre ethnischen Gruppen. Eine gemeinsame Bezeichnung kannten sie nicht. Der Begriff "Indianer" geht vielmehr auf Christoph Kolumbus zurück. Als er Amerika entdeckte, glaubte er, Indien erreicht zu haben. Er nannte die Bewohner daher "Indi" (Latein). Daraus entwickelten sich die heute negativ besetzten Bezeichnungen "indios" (Spanisch) sowie "indians" (Englisch). Vor allem ihre Feinde, die europäischen Kolonialherren, verwendeten den abfälligen Begriff "Indianer". Sie verfolgten die Indigenen, unterdrückten ihre Kultur und rotteten sie teilweise sogar komplett aus.
Statt "Indianer"! Diese Begriffe empfehlen die Vereinten Nationen
Heute gibt es weltweit mehr als 370 Millionen Indigene. Sie leben in fast 5.000 Völkern und bezeichnen sich meist mit Eigennamen. In vielen Staaten haben sie sich jedoch mit Fremdbezeichnungen in offiziellen Dokumenten arrangiert. In den USA heißen sie "Native Americans", in Kanada "First Nations" und inLateinamerika "Pueblos Indigenas". Zwar gibt es bis heute keine völkerrechtlich verbindliche Definition, dennoch empfehlen auch die Vereinten Nationen diese Bezeichnungen.
Nach Rassismus-Eklat auf Grünen-Parteitag: White Fragility in deutschen Medien
Auch in Deutschland ist Rassismus alltäglich, Gespräche darüber jedoch nicht. Schnell tauchen in Diskussionen über Begrifflichkeiten Phrasen wie "Ich drücke damit doch meine Bewunderung aus", "Früher hat das auch niemanden gestört" oder "Wer darin Rassismus sieht, hat ein ernsthaftes Problem" auf. Nach dem Eklat der Grünen-Politikerin Jarasch passiert in vielen deutschen Medien genau das, was in solch einer Diskussion nicht passieren sollte. Statt aufzuklären und Auswege aus diskriminierenden Denkmustern zu bieten, wehren sich Weiße gegen die Vorstellung, dass unsere Gesellschaft auf Rassismus beruht. White Fragility in Höchstform. So spricht die "Bild"-Zeitung nicht mit etwa mit Betroffenen, sondern mit weißen Privilegierten und erfragt ihre Meinungen dazu.
I-Wort: Nicht-Betroffene ätzen gegen Rassismus-Vorwürfe
"Haben wir aktuell nicht größere Probleme? Die meisten Autogramm-Wünsche kommen für meine Fotos aus dem Karl-May-Film. Ich werde meine zehn Bravo-Ottos ja auch nicht einschmelzen, weil sie wie kleine Indianer aussehen", sagt Schauspielerin Uschi Glas, die einst als "Halbblut Apanatschi" in den "Winnetou"-Filmen berühmt wurde, gegenüber dem Blatt. "Ich finde es traurig, wie Frau Jarasch für ihre Kindheitserinnerungen aus den eigenen Reihen angefeindet wird", zitiert die "Bild" den CDU-Politiker Kai Wegener.
"Was soll die Konsequenz sein? Hundertfach das Wort Indianer in Büchern schwärzen und aus den Filmen schneiden, weil es einer kleinen Gruppe Nicht-Betroffener nicht gefällt?", wettert Karl-May-Autor Stefan von der Heiden gegenüber der "Bild". Dabei wäre die Lösung des Problems viel einfacher: Aufklärung. Niemand braucht das I-Wort oder derartige Verkleidungen zum Fasching.
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